03.04.2017

Neue Basis für das Kelvin

Bestimmung der Boltzmann-Konstante macht den Weg zur Neudefinition der Temperatureinheit frei.

Noch ist das Kelvin buch­stäblich auf Wasser gebaut – genauer: auf dem Tripel­punkt von Wasser. Damit ist die Basis­einheit der Temperatur abhängig von einem Material, dessen Eigen­schaften schwanken können. Doch das wird sich ändern. Im Herbst 2018 wird das Kelvin, genauso wie alle anderen Einheiten im Inter­nationalen Einheiten­system (SI), auf das feste und unverrück­bare Fundament von Natur­konstanten gestellt. Beim Kelvin ist das die Boltzmann-Konstante. Wissen­schaftler der Physi­kalisch-Tech­nischen Bundes­anstalt PTB haben sie jetzt mithilfe eines Dielek­trizitäts­konstanten-Gas­thermometers so genau bestimmt, dass einer Neude­finition der Temperatur­einheit Kelvin nichts mehr im Wege steht.

Abb.: PTB-Forscher Christof Gaiser mit dem Kern des Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometers. (Bild: PTB)

Die heute aktuelle Definition basiert auf dem Tripel­punkt von Wasser, der allerdings abhängig von der Isotopen­zusammen­setzung des verwen­deten Wassers ist. Zwar haben sich Physiker weltweit auf ein „Standard-Wasser“ geeinigt – ideal ist dieser Umstand dennoch nicht. Damit hat das Kelvin im Prinzip das gleiche Problem wie beispielsweise das Kilo­gramm oder das Mol: Sie alle beruhen auf den Eigen­schaften stoff­licher Dinge, entweder auf Prototypen wie das Urkilo­gramm oder auf Wasser wie das Kelvin. Alle diese Materia­lien sind prinz­ipiell in vielfacher Weise veränder­lich. Aber schon in etwa eineinhalb Jahren, im Herbst 2018, wird aller Voraussicht nach eine große inter­nationale Konferenz die Grund­lagen des gesamten Inter­nationalen Einheiten­systems SI neu festlegen. Ab dann beruhen alle Einheiten auf einem Satz Natur­konstanten – unveränder­lichen Eigen­schaften der physika­lischen Welt.

Die passende Natur­konstante für Temperatur­messungen ist die Boltzmann-Konstante k. Sie gibt an, wie die ther­mische Energie eines Gases von der Temperatur abhängt. In einem abge­schlossenen Gefäß lässt sich die kinetische Energie messen, indem man den Druck des Gases bestimmt. Das geht etwa mit einem akus­tischen Gas­thermometer. Die ent­sprechenden Messungen an den Metrologie­instituten Englands, Italiens, Frankreichs, Chinas und der USA erreichen eine gemittelte Messun­sicherheit von weniger als 1 ppm und erfüllen damit die erste Bedingung des Konsul­tativ-Komitees für Thermo­metrie (CCT) für die Neude­finition des Kelvins. Aber eine weitere Bedingung lautet, dass eine zweite, unabhän­gige Methode ähnlich kleine Mess­unsicher­heiten erreicht. Zu diesem Zweck startete die PTB im Jahr 2007 das Projekt des Dielek­trizitäts­konstanten-Gasthermo­meters, das mit 1,9 ppm jetzt die geforderte Genauig­keit erreicht hat.

Dieses spezielle Thermo­meter nutzt die Tatsache aus, dass das Edelgas Helium als Dielek­trikum die Kapazität eines Konden­sators verändert. Mit einer elek­trischen Messung kann man also die Dichte messen und darüber eine Temperatur. Und elek­trische Kapazitäts­messungen kann man mit einer sehr großen Genauig­keit schaffen. Die Mess­unsicher­heit liegt in diesem Fall nur bei einigen Mil­liardsteln. Die Wissen­schaftler mussten dazu die Material­eigenschaften der verwendeten Konden­satoren bei hohen Drücken bis 7 MPa an der Grenze des Machbaren bestimmen und eine Gasrein­heit von mehr als 99,99999 Prozent gewähr­leisten. Darüber hinaus musste das höchste Normal der PTB für die Druck­messung, das auf Kolben­manometern basiert, verbessert werden. Diese weltweit einma­ligen Entwicklungen gelangen nur mithilfe verschiedener Koopera­tionen innerhalb der PTB sowie durch breite inter­nationale Zusammen­arbeit.

Nachdem die Boltzmann-Konstante nun mit zwei unabhän­gigen Methoden hinreichend genau bestimmt werden konnte, wird CODATA im September 2017 den endgül­tigen Wert für k berechnen. Die „CODATA Task Group on Funda­mental Constants“ ist eine inter­nationale Experten­gruppe, deren Aufgabe es ist, die in den Metrologie­instituten aus aller Welt ermit­telten Werte von Natur­konstanten zu bewerten und unter einen Hut zu bringen. Damit ist der Weg für die Neude­finition des Kelvins auf der Grund­lage einer Natur­konstanten frei.

PTB / JOL

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