Neue Basis für das Kelvin
Bestimmung der Boltzmann-Konstante macht den Weg zur Neudefinition der Temperatureinheit frei.
Noch ist das Kelvin buchstäblich auf Wasser gebaut – genauer: auf dem Tripelpunkt von Wasser. Damit ist die Basiseinheit der Temperatur abhängig von einem Material, dessen Eigenschaften schwanken können. Doch das wird sich ändern. Im Herbst 2018 wird das Kelvin, genauso wie alle anderen Einheiten im Internationalen Einheitensystem (SI), auf das feste und unverrückbare Fundament von Naturkonstanten gestellt. Beim Kelvin ist das die Boltzmann-Konstante. Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt PTB haben sie jetzt mithilfe eines Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometers so genau bestimmt, dass einer Neudefinition der Temperatureinheit Kelvin nichts mehr im Wege steht.
Abb.: PTB-Forscher Christof Gaiser mit dem Kern des Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometers. (Bild: PTB)
Die heute aktuelle Definition basiert auf dem Tripelpunkt von Wasser, der allerdings abhängig von der Isotopenzusammensetzung des verwendeten Wassers ist. Zwar haben sich Physiker weltweit auf ein „Standard-Wasser“ geeinigt – ideal ist dieser Umstand dennoch nicht. Damit hat das Kelvin im Prinzip das gleiche Problem wie beispielsweise das Kilogramm oder das Mol: Sie alle beruhen auf den Eigenschaften stofflicher Dinge, entweder auf Prototypen wie das Urkilogramm oder auf Wasser wie das Kelvin. Alle diese Materialien sind prinzipiell in vielfacher Weise veränderlich. Aber schon in etwa eineinhalb Jahren, im Herbst 2018, wird aller Voraussicht nach eine große internationale Konferenz die Grundlagen des gesamten Internationalen Einheitensystems SI neu festlegen. Ab dann beruhen alle Einheiten auf einem Satz Naturkonstanten – unveränderlichen Eigenschaften der physikalischen Welt.
Die passende Naturkonstante für Temperaturmessungen ist die Boltzmann-Konstante k. Sie gibt an, wie die thermische Energie eines Gases von der Temperatur abhängt. In einem abgeschlossenen Gefäß lässt sich die kinetische Energie messen, indem man den Druck des Gases bestimmt. Das geht etwa mit einem akustischen Gasthermometer. Die entsprechenden Messungen an den Metrologieinstituten Englands, Italiens, Frankreichs, Chinas und der USA erreichen eine gemittelte Messunsicherheit von weniger als 1 ppm und erfüllen damit die erste Bedingung des Konsultativ-Komitees für Thermometrie (CCT) für die Neudefinition des Kelvins. Aber eine weitere Bedingung lautet, dass eine zweite, unabhängige Methode ähnlich kleine Messunsicherheiten erreicht. Zu diesem Zweck startete die PTB im Jahr 2007 das Projekt des Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometers, das mit 1,9 ppm jetzt die geforderte Genauigkeit erreicht hat.
Dieses spezielle Thermometer nutzt die Tatsache aus, dass das Edelgas Helium als Dielektrikum die Kapazität eines Kondensators verändert. Mit einer elektrischen Messung kann man also die Dichte messen und darüber eine Temperatur. Und elektrische Kapazitätsmessungen kann man mit einer sehr großen Genauigkeit schaffen. Die Messunsicherheit liegt in diesem Fall nur bei einigen Milliardsteln. Die Wissenschaftler mussten dazu die Materialeigenschaften der verwendeten Kondensatoren bei hohen Drücken bis 7 MPa an der Grenze des Machbaren bestimmen und eine Gasreinheit von mehr als 99,99999 Prozent gewährleisten. Darüber hinaus musste das höchste Normal der PTB für die Druckmessung, das auf Kolbenmanometern basiert, verbessert werden. Diese weltweit einmaligen Entwicklungen gelangen nur mithilfe verschiedener Kooperationen innerhalb der PTB sowie durch breite internationale Zusammenarbeit.
Nachdem die Boltzmann-Konstante nun mit zwei unabhängigen Methoden hinreichend genau bestimmt werden konnte, wird CODATA im September 2017 den endgültigen Wert für k berechnen. Die „CODATA Task Group on Fundamental Constants“ ist eine internationale Expertengruppe, deren Aufgabe es ist, die in den Metrologieinstituten aus aller Welt ermittelten Werte von Naturkonstanten zu bewerten und unter einen Hut zu bringen. Damit ist der Weg für die Neudefinition des Kelvins auf der Grundlage einer Naturkonstanten frei.
PTB / JOL