Neue Erkenntnisse zur Entstehung von Eis

Wassermoleküle müssen für den ersten Schritt der Eisbildung zusätzliche Energie aufbringen.

Wasser gefriert bei Temperaturen unter 0 Grad Celsius zu Eis – eine Tatsache, die hinlänglich bekannt ist. Unbekannt war bislang allerdings der exakte Vorgang der Eisentstehung auf mikro­skopischer Ebene. Herkömm­liche Mikroskope sind schlichtweg zu langsam, um diesen Prozess direkt beobachten zu können, wie Anton Tamtögl von der TU Graz erklärt: „Der erste Schritt bei der Eisbildung, die Nukleation, geschieht in unglaublich kurzer Zeit. Im Bruchteil einer Milliardstel Sekunde finden einzelne, schnelle und bewegliche Wasser­moleküle zueinander und verschmelzen.“

Abb.: Die Studien­ergeb­nisse von Anton Tamtögl und seinen Kollegen führen...
Abb.: Die Studien­ergeb­nisse von Anton Tamtögl und seinen Kollegen führen zu einem völlig neuen Ver­ständ­nis über die Eis­bildung: Wasser­mole­küle brauchen zusätz­liche Energie bevor sie zu Eis ge­frieren. (Bild: Lung­hammer, TU Graz)

Mithilfe einer neuen experimentellen Technik und mit computer­gestützten Simulations­rechnungen ist es Tamtögl gemeinsam mit einer inter­nationalen Forscher­gruppe jetzt erstmals gelungen, die Entstehung von Eis auf molekularer Ebene zu verfolgen. Die Beobachtungen des Teams zeigen, dass sich die Wasser­moleküle gegen­seitig abstoßen. Demnach müssen sie erst genügend Energie gewinnen, um diese Abstoßung zu über­winden, bevor sich Eis bilden kann. Bislang war man davon ausgegangen, dass die Eisbildung ungehindert geschieht. „Unsere Ergebnisse führen zu einem völlig neuen Verständnis über die Eisbildung“, so Tamtögl.

Den Abstoßungs-Effekt der Wasser­moleküle entdeckten die Forscher mithilfe des Helium-Spin-Echo, kurz HeSE. Dabei handelt es sich um eine neue Methode des Cavendish Laboratory in Cambridge, Großbritannien, bei der Heliumatome an sich bewegenden Molekülen gestreut werden. Damit lassen sich Bewegungen von Atomen und Molekülen verfolgen. Die Heliumatome streuen von der Oberfläche, also den sich dort bewegenden Molekülen, danach wird registriert, wie viele davon und mit welcher Energie im Detektor ankommen. Die HeSE-Experimente zeigen, dass sich Wasser­moleküle auf einer Graphen-Oberfläche bei gleicher Ausrichtung – senkrecht zur Oberfläche – abstoßen.

Graphen wurde als Plattform für die Experimente gewählt, weil es wenig reaktions­freudig ist und damit das Ergebnis nicht beeinflusst. Computer­gestützte Simulationen, mit denen die genaue Energie der Wasser­moleküle in verschiedenen Konfigu­ra­tionen abgebildet und die Wechsel­wirkung zwischen sich annähernden Molekülen bestimmt wurden, untermauern die experi­men­tellen Ergebnisse. In den Simulationen kann zudem die Abstoßung ein- und ausgeschaltet werden, was den Effekt ebenfalls eindeutig bestätigt.

Die Forscher gehen davon aus, dass der Abstoßungs­effekt nicht nur auf der unter­suchten Graphen-Oberfläche, sondern ebenso auf anderen Oberflächen auftritt. „Unsere Erkenntnisse ebnen den Weg für neue Strategien, mit denen die Eisbildung kontrolliert oder die Vereisung verhindert werden kann“, sagt Tamtögl und verweist etwa an Ober­flächen­behand­lungen speziell für die Windkraft, die Luftfahrt oder die Tele­kommunikation.

TU Graz / RK

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