Neue Nanostrukturen für die Quantenelektronik
Verknüpfung von Aluminium-Einkristallen und dem Halbleiter Germanium.
Ein neuartiges elektronisches Bauteil der TU Wien könnte ein wichtiger Schlüssel zur Ära der Quanteninformationstechnologie sein: Durch ein spezielles Herstellungsverfahren wird reines Germanium mit Aluminium so verbunden, dass atomar scharfe und glatte Grenzflächen entstehen. So erhält man eine monolithische Metall-Halbleiter-Metall-Heterostruktur. Die Struktur ermöglicht einzigartige Effekte, die besonders bei tiefen Temperaturen zu Tage treten. Das Aluminium wird supraleitend – aber nicht nur das, diese Eigenschaft wird auch auf den Germanium-Halbleiter übertragen und kann sogar mit elektrischen Feldern gezielt gesteuert werden.
Dadurch eignet sie sich ausgezeichnet für komplexe Anwendungen in der Quantentechnologie, etwa zur Verarbeitung von Quanten-Bits. Ein besonderer Vorteil: Man muss keine völlig neuen Technologien entwickeln, bereits etablierte Halbleitertechnik kann eingesetzt werden, um Germanium-basierte Quantenelektronik zu ermöglichen. „Germanium ist ein Material, das in der Halbleitertechnik für die Entwicklung schnellerer und energieeffizienter Bauteile eine wichtige Rolle spielen kann“, sagt Masiar Sistani vom Institut für Festkörperelektronik. Wenn man damit Bauteile auf Nanometer-Skala herstellen möchte, stößt man allerdings auf ein großes Problem: Es ist extrem schwierig, hochwertige elektrische Kontakte herzustellen, weil bereits kleinste Verunreinigungen an den Kontaktstellen einen großen Einfluss auf die Bauelementeigenschaften haben können. „Wir haben es uns daher zur Aufgabe gemacht eine neue, Herstellungsmethode zu entwickeln, welche definierte und reproduzierbare Kontakteigenschaften ermöglicht“, sagt Masiar Sistani.
Der Schlüssel dazu ist die Temperatur: Wenn man nämlich nanometer-strukturiertes Germanium und Aluminium zusammenfügt und dann erhitzt, beginnen die Atome beider Materialien ins Nachbarmaterial zu diffundieren – allerdings in sehr unterschiedlichem Ausmaß: Die Germaniumatome bewegen sich rasch in das Aluminium, wohingegen Aluminium kaum in das Germanium eindiffundiert. „Wenn man zwei Aluminium-Kontakte mit einem dünnen Germanium-Nanodraht verbindet und die Temperatur auf 350 Grad Celsius erhöht, dann diffundieren die Germaniumatome am Rand des Nanodrahts ab. Dadurch entstehen Leerstellen, in die das Aluminium dann ganz leicht eindringen kann“, erklärt Sistani. „Am Ende besteht nur noch ein wenige Nanometer großer Bereich in der Mitte des Nanodrahts aus Germanium, der Rest wurde von Aluminium aufgefüllt.“
Normalerweise besteht Aluminium aus winzigen Kristallkörnchen, doch bei dieser neuartigen Herstellungsmethode bildet sich ein perfekter Einkristall, in dem alle Aluminiumatome höchst gleichmäßig angeordnet sind. Wie man unter dem Transmissionselektronenmikroskop sehen kann, ergibt sich ein perfekt sauberer und scharfer Übergang zwischen Germanium und Aluminium, ohne ungeordneten Bereich dazwischen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren wo elektrische Kontakte etwa durch Verdampfen eines Metalls auf einen Halbleiter aufgebracht werden können sich hier auch keine Oxide an der Grenzschicht ausbilden.
Um die Eigenschaften dieser exotischen Heterostruktur aus Germanium und Aluminium genau unter die Lupe zu nehmen, ging Masiar Sistani an die Universität Grenoble, wo er mit der Quantum-Engineering-Gruppe von Olivier Buisson zusammenarbeitete. Dort zeigte sich, dass die neuartige Struktur wie erhofft ganz bemerkenswerte Eigenschaften hat: „Wir konnten nicht nur zum ersten Mal Supraleitung in reinem, undotierten Germanium nachweisen, wir konnten auch zeigen, dass man diese Struktur, mit Hilfe von elektrischen Feldern zwischen ganz unterschiedlichen Betriebszuständen hin und her schalten kann“, berichtet Sistani. „Ein solches Ge-Quantenpunkt-Bauelement kann nicht nur supraleitend, sondern auch völlig isolierend sein, oder es kann sich wie ein Josephson-Transistor verhalten, ein wichtiges Grundelement von Quanten-Elektronik-Schaltungen.“
Damit steht eine neue Technologie zur Verfügung, die eine ganze Reihe von Vorteilen miteinander verbindet: Die Struktur hat hervorragende physikalische Eigenschaften, die man für Quantentechnologien benötigt – etwa die hohe Ladungsträgermobilität und die ausgezeichnete Manipulierbarkeit mit elektrischen Feldern, und zusätzlich hat sie den Vorteil, dass sie gut zu bereits etablierten Technologien der Mikroelektronik passt: Germanium wird bereits in aktuellen Chiparchitekturen verwendet und die zur Herstellung nötigen Temperaturen sind verträglich mit heute bereits eingesetzten Materialien. „Wir haben eine Struktur entwickelt, die nicht bloß theoretisch interessante Quanteneigenschaften hat, sondern eine technologisch sehr realistische Möglichkeit eröffnet, weitere neuartige und energiesparende Bauelemente zu ermöglichen“, sagt Sistani.
TU Wien / JOL