20.09.2017

Neue Standards für Industrie 4.0

Werkzeugmaschinen sollen normierte Steuerungs­systeme nutzen können.

Der Verein Deutscher Werkzeug­maschinen­fabriken VDW stellt auf der EMO Hannover 2017 erstmals die Branchen­initiative der deutschen Werkzeug­maschinen­industrie für die vernetzte Produktion vor. „Ziel ist es, einen Standard für die Anbindung unter­schiedlichster Maschinen­steuerungen an eine gemeinsame Schnitt­stelle zu entwickeln und software­technisch zu implemen­tieren“, sagt Heinz-Jürgen Prokop, Vorsitzender des VDW. In der ersten Projekt­phase ist ein Kernteam mit den Firmen DMG Mori, Emag, Grob, Heller, Liebherr-Verzahn­technik, United Grinding, Trumpf und dem VDW beteiligt.

Abb.: Die Brancheninitiative Industrie 4.0 des VDW wird im Rahmen der EMO Hannover 2017 vorgestellt von Dr. Klaus Finkenwirth (Geschäftsführer Liebherr Verzahntechnik GmbH, Kempten), VDW-Vorsitzender Dr. Heinz-Jürgen Prokop, Klaus Winkler (Geschäftsführer Heller Maschinenfabrik GmbH, Nürtingen) und VDW-Geschäftsführer Dr. Wilfried Schäfer. (v l. n. r. Bild: VDW)

Der VDW-Vorstand hat dieses Projekt im Frühjahr beschlossen, weil es bisher an einer einheit­lichen und durch­gängigen Lösung fehlt. Mit dem geplanten Standard sollen Daten aus unter­schiedlichen Maschinen mit unter­schiedlichen Steuerungen vieler Genera­tionen ausgelesen und in einem standardi­sierten Daten­format in die Fertigungs­leitsystemen oder in die Cloud befördert werden können, um sie auszuwerten und für Optimierungs­aufgaben zu nutzen. „Dies ist eine Grund­voraussetzung für den Erfolg von Industrie 4.0, gerade auch im Mittelstand“, stellt Prokop fest.

Für die Maschinen­hersteller wäre dies eine deutliche Entlastung von Aufgaben, die zwar dringend erledigt werden müssen, jedoch nicht zum Kern­geschäft gehören und hohe Kosten entstehen lassen. Der ange­strebte Standard entlastet somit das einzelne VDW-Mitglied von der zeit­raubenden Beschäf­tigung mit Infra­struktur­themen. Nicht zuletzt erwächst hieraus ein offenes System, das eine dringend benötigte Unabhän­gigkeit und Flexi­bilität bietet. „Denn leider zeigen auch die hier auf der Messe vorge­stellten jüngsten Entwicklungen, dass insbesondere bei Steuerungs­systemen der Trend zu proprie­tären Öko­systemen anhält“, sagt Prokop. „Dem wollen wir entgegen­wirken und streben deshalb an, gerade mit den Steuerungs­herstellern eine Entwicklungs­partnerschaft zu etablieren, um die geplante VDW-Spezifi­kation so breit wie möglich anwendbar zu machen.“

Im Rahmen des Projekts sollen zunächst Schnittstellen­spezifi­kationen gemeinsam erarbeitet werden. Weiter ist die Implemen­tierung eines so genannten Connector­stacks vorgesehen, der Signale aus unter­schiedlichen Steuerungs­schnitt­stellen nach OPC UA (OPC Unified Archi­tecture) übersetzt. Zudem sollen Gateways imple­mentiert werden, die auf Basis der OPC UA-Daten­struktur die sichere Anbindung an unter­schiedliche EDV-Systeme und Clouds via Standard­protokollen erlaubt.

Der VDW hatte bereits 2013 damit begonnen, eine so genannte Companion Speci­fication zu entwickeln. Sie ist seit Juli dieses Jahres bei der Standardisierungs­organisation OPC Foundation veröffent­licht. Deshalb kann das Projektteam sofort nach der EMO mit der gemein­samen Erweiterung dieser Schnittstellen­spezifikation beginnen. „Unser Ziel ist die durch­gängige Vernetzung der Produk­tion; das Vehikel dafür ist OPC UA und die Energie, die uns antreibt ist der gemeinsam fest­gelegte Gleich­anteil der Daten, die wir dafür austauschen müssen“, bekräftigt Prokop.

Im ersten Quartal 2018 sollen bereits Ergeb­nisse vorliegen. Angestrebt ist die Präsen­tation eines Grunddaten­satzes, der dann öffentlich im Rahmen der üblichen Standardi­sierungs­prozeduren kommentiert werden kann. Es sollen die Anfor­derungen spezi­fiziert, die Grund­spezifikation programmiert und etwa 30 Datensätze beschrieben sein. Wenn die Daten in einem einheit­lichen Format vorliegen, muss noch die Schnitt­stelle zum „Rest der Welt“ definiert werden. Hierfür gibt es bereits standardi­sierte Protokolle, ähnlich wie sie von der Übergabe an einen Internet­browser mittels HTTPS bekannt sind. Der Zugriff auf diese Daten muss allerdings reguliert sein, er erfordert Authenti­fizierung und Zugangs­schutz. Auch müssen Daten vorver­dichtet und gepuffert werden, da gerade Rohdaten in höherer Auflösung nicht in Echtzeit durch das Netzwerk geschickt werden können, ohne die Maschinen­performance zu beein­trächtigen. All diese Funktionen übernimmt ein Gateway, das als zweite Projekt­phase spezi­fiziert und implemen­tiert wird.

Die dritte Projekt­phase beschäftigt sich schließlich mit dem Test der erarbei­teten Lösungen bei unter­schiedlichen VDW-Mit­gliedern. „Darüber hinaus werden wir analysieren, welche Anbieter für Infra­struktur und Cloud­services ins­besondere den Bedarf kleinerer und mittel­ständischer Maschinen­hersteller am ehesten abdecken“, beschreibt Prokop das weitere Vorgehen. Stelle die Daten­schnitt­stelle das untere Ende der Vernetzung dar, so müsse am oberen Ende eine möglichst einheit­liche techno­logische Plattform stehen, für die jeder Maschinen­hersteller wiederum eigene, pfiffige Apps entwickeln kann, um aus den Daten einen Mehrwert für seine Kunden zu generieren. Damit könne er seine Kompetenz in die Waagschale werfen und sich vom Wettbewerb unterscheiden“, so Prokop.

Mit dieser Koopera­tion betreten die Werkzeug­maschinen­industrie und der VDW Neuland. Sie liegt jedoch auf der Hand, denn ein Einzel­kämpfer, auch wenn er Branchen­primus ist, stößt schnell an seine Grenzen. Ohne einen allgemein gültigen Standard werden es die Lösungen zu Industrie 4.0 auch schwer haben, Markt­akzeptanz und damit auch schnell eine größere Verbreitung zu finden. „Nach unserer Überzeugung ist es gut und richtig, etwaige Bedenken gegen Koopera­tionen über Bord zu werfen, das Prinzip des Teilens von Wissen zu übernehmen, davon zu profi­tieren und an einer gemein­samen Lösung zu arbeiten“, resümiert Prokop. Mit den Ergeb­nissen werden auch die Mittel­ständler sehr schnell handlungs­fähig.

VDW / JOL

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