Neue Trends für leises Fliegen
In den vergangenen 30 Jahren wurde der Fluglärm vor allem durch leisere Antriebe minimiert. Heute müssen Ingenieure und Wissenschaftler Detailarbeit leisten.
Neue Trends für leises Fliegen
Hamburg (dpa) - Demonstrationen, Gutachterschlachten, Prozesslawinen - kaum ein Thema in der Luftfahrt sorgt für so viel Zündstoff wie der Fluglärm. In den vergangenen 30 Jahren brachten vor allem leisere Antriebe große Fortschritte beim Lärmschutz. Heute müssen Ingenieure und Wissenschaftler Detailarbeit leisten. Neue Flugrouten, noch bessere Triebwerke und kleine Umbauten am Flugzeugrumpf sollen Starts und Landungen möglichst leise machen.
«Lärmschutz ist kein Thema, das wir nur mit immer leiseren Triebwerken lösen können», beschreibt Karlheinz Haag, Leiter des Bereiches Umweltkonzepte bei der Lufthansa. Gemeinsam mit Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sucht die Fluggesellschaft nach neuen Wegen im Kampf gegen Düsen- und Propellerlärm.
Beim Landeanflug moderner Flugzeuge entfällt die Hälfte des Lärms auf Windgeräusche. (Quelle: Boeing)
Der Teufel steckt dabei oft im Detail. Zwar sind Flugzeugantriebe in den vergangenen 40 Jahren extrem leise geworden. 1970 dröhnte etwa eine Boeing 727 mit alten Triebwerken beim Abflug noch in zehn Kilometern Entfernung vom Startplatz so laut wie ein vorbeifahrender Lastzug; heute ist dieser Geräuschpegel - die so genannte 85-Dezibel- Linie - nur noch auf dem Flughafengelände hörbar. Dafür treten jetzt Windgeräusche von Fahrwerk und Landeklappen in den Vordergrund. «Beim Landeanflug entfällt inzwischen die Hälfte des Lärms auf die Aerodynamik», erklärt Odilo Mühling vom Triebwerkshersteller MTU.
«Manchmal hilft schon das simple Verschließen von Spalten oder kleine Veränderungen an Löchern in der Tragfläche, um lästige Heultöne loszuwerden», schildert Lufthansa-Spezialist Haag. «Wir tauschen unsere Erfahrungen regelmäßig mit Herstellern wie Airbus oder Boeing aus.» In der Entwicklung sind auch Systeme für so genannten Antischall. Mikrofone empfangen dabei den Triebwerkslärm, ein Computer schickt über Lautsprecher entsprechend modulierte Töne zurück. «Das ist ein interessantes Versuchprojekt - aber noch keinesfalls serienreif», sagt Mühling.
Flugzeugflotten zu modernisieren dauert Jahrzehnte - schnellere Hilfe beim Kampf gegen den Krach versprechen neue Flugrouten. Bisher verlaufen An- und Abflüge meist nach festgelegten Prozeduren. Das merkt der Passagier, wenn es beim Landeanflug in Etappen - wie auf einer imaginären Treppe - tiefer geht. Sinkt die Maschine dagegen kontinuierlich, verkürzt sich auch der Überflug in geringer Höhe.
Ein Hindernis für solche Verfahren sind hohe Sicherheitsanforderungen. Mit streng standardisierten Anflugverfahren können mehr Maschinen gleichzeitig sicher zum Flugplatz geführt werden. Deshalb wird der kontinuierliche Sinkflug bisher nur in Zeiten mit wenig Verkehr praktiziert - zum Beispiel in der Nacht.
Auch technische Faktoren setzen schnellen An- und Abflügen Grenzen. Ein vollbetankter Jumbo-Jet etwa steigt langsamer, als ein kleineres Flugzeug mit vergleichsweise höherer Motorleistung und nur halb gefüllten Tanks.
Beim Kampf gegen den Krach ist daher auch Kreativität gefragt. So reduzierten beispielsweise Lufthansa-Piloten bei Testflügen mit einer dreistrahligen MD-11 den Lärm im Landeanflug, in dem sie den Schub unterschiedlich dosierten. Die Besatzung erhöhte die Leistung des Hecktriebwerks und drosselte zugleich die Motoren an den Tragflächen. Resultat: Der Rumpf schluckte einen Teil des Krachs, die Maschine klang am Boden leiser.
Nach Einschätzung vieler Spezialisten bleibt ein Problem, selbst wenn es gelänge, den Geräuschpegel unter definitiv gesundheitsschädliche oder lästige Grenzen zu drücken: Lärm ist auch ein subjektives Problem - jeder empfindet ihn anders.
Heiko Stolzke, dpa