Neue UV-LEDs als Vielzweck-Strahler
„Multi-tasking“: von Lichtdoping für Gemüse bis zur Wasseraufbereitung.
Multiresistente Krankenhauskeime beunruhigen die Medizinwelt: Sie scheinen sich nahezu überall zu verbreiten. Gerade in Krankenhäusern wird die Kontrolle der Desinfektion immer wichtiger. Dazu werden regelmäßig Abstriche von desinfizierten Gegenständen genommen. Potentiell anhaftende Keime werden anschließend abgelöst und auf einem Nährmedium kultiviert. Wächst etwas auf dem Medium, waren trotz Reinigung Keime vorhanden, wächst nichts, ist die Desinfektion gelungen. Problem: Diese Methode nimmt mehrere Stunden oder gar Tage in Anspruch. „Vier Fünftel dieser Proben sind keimfrei – aber welche, das ist die Frage“, sagt Michael Kneissl, Professor und Leiter des Fachgebiets experimentelle Nanophysik und Photonik an der TU Berlin.
„Wird die Oberfläche solcher Proben mit UV-LEDs unterschiedlicher Wellenlängen bestrahlt, werden bestimmte Biomoleküle in den Keimen zum Leuchten angeregt. So kann eine potentielle Keimbelastung nachgewiesen werden. Und nicht nur das: Viele multiresistente Keime haben charakteristische Fluoreszenzspektren, sodass man in Zukunft diese auch unmittelbar als solche erkennen könnte“, erklärt Michael Kneissl, der auch stellvertretender Sprecher des Konsortiums „Advanced UV for Life“ ist. Das vom BMBF mit rund 45 Millionen Euro ausgestattete Konsortium aus mittlerweile 49 Partnern erprobt in 26 laufenden Projekten innovative Einsatzgebiete für UV-LEDs. Und davon gibt es viele. Die dabei verwendeten UV-LEDs stammen weitestgehend aus den Laboren der TU Berlin und des Ferdinand-Braun-Institutes, die in ihrem JointLab „GaN Optoelectronics“ schon über ein Jahrzehnt lang zusammenarbeiten. Abhängig von der jeweiligen Wellenlänge sind die Einsatzmöglichkeiten der UV-LEDs enorm vielfältig und wirtschaftlich hochinteressant: Neben der Desinfektion zählen die Medizin, die Wasseraufbereitung, Gassensorik, Lithographie oder die Lichtapplikation bei der Pflanzenkultivierung zu den möglichen Einsatzgebieten.
Abhängig von dem verwendeten Halbleitermaterial können LEDs Licht im nichtsichtbaren Bereich, also zum Beispiel UV-Licht emittieren. Dazu wird als Halbleitermaterial eine Legierung aus Aluminium, Gallium und Stickstoff verwendet. Diese Halbleiter können je nach Art der Herstellung fast das komplette ultraviolette Spektrum (210 nm – 400 nm) abdecken.
„Eine besonders interessante Anwendung von UV-LEDs ist die Wasseraufbereitung“, berichtet Kneissl. UV-Licht der Wellenlängen 250 bis 280 nm hat die Eigenschaft, benachbarte Nukleinbasen in der DNA zu vernetzen. Wird Wasser mit diesem UV-Licht in einer hohen Intensität bestrahlt, können die darin vorhandenen Keime sich nicht mehr fortpflanzen und sterben ab. Grundsätzlich ist diese Methode ideal für Gegenden, in denen es keine funktionierende Wasserversorgung gibt oder zum Beispiel in Katastrophengebieten. Herkömmlich wird das dafür benötigte UV-Licht von Quecksilberdampflampen erzeugt – mit den bekannten Nachteilen dieser Lampen: Herstellung und Entsorgung sind aufwändig, Quecksilber ist giftig, sie sind empfindlich und haben nur eine geringe Lebensdauer. Für den Einsatz am „point of use“ – also die Anwendung unmittelbar vor dem Verbrauch wie in Dritte-Welt-Ländern oder Katastrophengebieten – sind diese Lampen kaum geeignet. UV-LEDs dagegen sind sehr robust, ungiftig, schaltbar und als Halbleiter auch mit Solarstrom oder per Batterie zu betreiben – daher ideal für die mobile Anwendung
Bei der Forschung und Entwicklung von kurzwelligen UV-LEDs mit ausreichender Effizienz und Leistung gelten Kneissl und sein Team als europaweit führend. Um diese Forschung weiter voranzutreiben, finanziert das BMBF jetzt ein zusätzliches, rund 1,8 Millionen Euro teures Gerät zur metallorganischen Gasphasenepitaxie (MOVPE) an der TU Berlin. „Epitaxie-Verfahren dienen zur Herstellung der extrem dünnen, kristallinen Schichten, wie sie in der Halbleiterproduktion gebraucht werden. Um die speziellen LEDs herzustellen, müssen wir tausende definierte, atomar dünne Schichten auf dem Trägermaterial abgescheiden. Diese Schichtstruktur bestimmt am Ende, wie effektiv der eingespeiste Strom von dem Halbleiter in UV-Licht umgewandelt wird. Je nach gewünschter Wellenlänge bauen wir unterschiedliche Schichten auf. Die neue Anlage bietet die Möglichkeit, deutlich schneller und effizienter Bauelemente für UV-LEDs herzustellen und zu erproben“, beschreibt Kneissl. „Wie wir in unserer jüngsten Arbeit zeigen, ist die Gesamt-Effizienz der UV-LEDs ein Produkt der unterschiedlichen Teil-Effizienzen. Wir kennen die einzelnen Parameter und arbeiten daran, diese zu optimieren. Im Labor erreichen wir bereits eine ähnliche Effizienz wie herkömmliche UV-Lampen“, so der Physiker.
Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der UV-LEDs haben unter anderem auch dazu geführt, dass sich das Team des Leibniz-Instituts für Gemüse- und Zierpflanzenbau intensiv mit gesunder Ernährung in Form von Functional Food beschäftigt – Lebensmittel mit besonderen gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen. Mit einem Verfahren, das mit dem Begriff Lichtdoping umschrieben werden kann, wird Blattgemüse mit schwach-dosiertem UV-Licht zwischen 290 nm und 350 nm bestrahlt. Diese regulatorische UVB-Bestrahlung regt gezielt den Sekundärmetabolismus der Pflanzen an. Als Reaktion synthetisieren sie vermehrt bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe, die auch für Menschen als sehr gesund gelten. „Das Leibniz-IGZ und das Ferdinand-Braun-Institut arbeiten zusammen daran, UV-LED-Module zu entwickeln, die das optimale UV-Spektrum hierfür liefern. Ziel ist ein Flächenstrahler, der in einem Gewächshaus eingesetzt werden kann, um Pflanzen exakt dosiert mit einer definierten Wellenlänge zu bestrahlen“, so Kneissl.
TU Berlin / od
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Kneissl et al.: The emergence and prospects of deep-ultraviolet light-emitting diode Technologies, Nat. Photon. 13, 233–244 (2019); DOI: 10.1038/s41566-019-0359-9 - Experimentelle Nanophysik und Photonik (AG Kneissl), Institut für Festkörperphysik, Technische Universität Berlin
- Konsortium Advanced UV for Life, Forschungsverbund Berlin e.V. für das Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH)
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