22.05.2019 • Photonik

Neue UV-LEDs als Vielzweck-Strahler

„Multi-tasking“: von Lichtdoping für Gemüse bis zur Wasseraufbereitung.

Multiresistente Krankenhauskeime beunruhigen die Medizinwelt: Sie scheinen sich nahezu überall zu verbreiten. Gerade in Krankenhäusern wird die Kontrolle der Desinfektion immer wichtiger. Dazu werden regelmäßig Abstriche von desinfizierten Gegenständen genommen. Potentiell anhaftende Keime werden anschließend abgelöst und auf einem Nährmedium kultiviert. Wächst etwas auf dem Medium, waren trotz Reinigung Keime vorhanden, wächst nichts, ist die Desinfektion gelungen. Problem: Diese Methode nimmt mehrere Stunden oder gar Tage in Anspruch. „Vier Fünftel dieser Proben sind keimfrei – aber welche, das ist die Frage“, sagt Michael Kneissl, Professor und Leiter des Fachgebiets experimentelle Nanophysik und Photonik an der TU Berlin.

„Wird die Oberfläche solcher Proben mit UV-LEDs unterschied­licher Wellen­längen bestrahlt, werden bestimmte Biomoleküle in den Keimen zum Leuchten angeregt. So kann eine potentielle Keim­belastung nachge­wiesen werden. Und nicht nur das: Viele multi­resistente Keime haben charakte­ristische Fluoreszenz­spektren, sodass man in Zukunft diese auch unmittelbar als solche erkennen könnte“, erklärt Michael Kneissl, der auch stell­vertretender Sprecher des Konsortiums „Advanced UV for Life“ ist. Das vom BMBF mit rund 45 Millionen Euro ausgestattete Konsortium aus mittlerweile 49 Partnern erprobt in 26 laufenden Projekten innovative Einsatz­gebiete für UV-LEDs. Und davon gibt es viele. Die dabei verwendeten UV-LEDs stammen weitestgehend aus den Laboren der TU Berlin und des Ferdinand-Braun-Institutes, die in ihrem JointLab „GaN Opto­electronics“ schon über ein Jahrzehnt lang zusammen­arbeiten. Abhängig von der jeweiligen Wellenlänge sind die Einsatz­möglichkeiten der UV-LEDs enorm vielfältig und wirt­schaftlich hoch­interessant: Neben der Desinfektion zählen die Medizin, die Wasser­aufbereitung, Gas­sensorik, Lithographie oder die Licht­applikation bei der Pflanzen­kultivierung zu den möglichen Einsatz­gebieten.

Abhängig von dem verwendeten Halbleiter­material können LEDs  Licht im nicht­sichtbaren Bereich, also zum Beispiel UV-Licht emittieren. Dazu wird als Halbleiter­material eine Legierung aus Aluminium, Gallium und Stick­stoff verwendet. Diese Halbleiter können je nach Art der Herstel­lung fast das komplette ultra­violette Spektrum (210 nm – 400 nm) abdecken.

„Eine besonders interessante Anwendung von UV-LEDs ist die Wasser­aufbereitung“, berichtet Kneissl. UV-Licht der Wellen­längen 250 bis 280 nm hat die Eigen­schaft, benachbarte Nuklein­basen in der DNA zu vernetzen. Wird Wasser mit diesem UV-Licht in einer hohen Intensität bestrahlt, können die darin vorhandenen Keime sich nicht mehr fort­pflanzen und sterben ab. Grund­sätzlich ist diese Methode ideal für Gegenden, in denen es keine funktio­nierende Wasser­versorgung gibt oder zum Beispiel in Katastrophen­gebieten. Herkömmlich wird das dafür benötigte UV-Licht von Quecksilber­dampflampen erzeugt – mit den bekannten Nachteilen dieser Lampen: Herstellung und Entsorgung sind aufwändig, Quecksilber ist giftig, sie sind empfindlich und haben nur eine geringe Lebensdauer. Für den Einsatz am „point of use“ – also die Anwendung unmittelbar vor dem Verbrauch wie in Dritte-Welt-Ländern oder Katastrophen­gebieten – sind diese Lampen kaum geeignet. UV-LEDs dagegen sind sehr robust, ungiftig, schaltbar und als Halbleiter auch mit Solarstrom oder per Batterie zu betreiben – daher ideal für die mobile Anwendung

Bei der Forschung und Entwicklung von kurzwelligen UV-LEDs mit ausreichender Effizienz und Leistung gelten Kneissl und sein Team als europaweit führend. Um diese Forschung weiter voranzutreiben, finanziert das BMBF jetzt ein zusätzliches, rund 1,8 Millionen Euro teures Gerät zur metall­organischen Gasphasenepitaxie (MOVPE) an der TU Berlin. „Epitaxie-Verfahren dienen zur Herstellung der extrem dünnen, kristal­linen Schichten, wie sie in der Halbleiter­produktion gebraucht werden. Um die speziellen LEDs herzustellen, müssen wir tausende definierte, atomar dünne Schichten auf dem Trägermaterial abgescheiden. Diese Schicht­struktur bestimmt am Ende, wie effektiv der eingespeiste Strom von dem Halbleiter in UV-Licht umgewandelt wird. Je nach gewünschter Wellenlänge bauen wir unter­schiedliche Schichten auf. Die neue Anlage bietet die Möglichkeit, deutlich schneller und effizienter Bau­elemente für UV-LEDs herzu­stellen und zu erproben“, beschreibt Kneissl. „Wie wir in unserer jüngsten Arbeit zeigen, ist die Gesamt-Effizienz der UV-LEDs ein Produkt der unterschied­lichen Teil-Effizienzen. Wir kennen die einzelnen Parameter und arbeiten daran, diese zu optimieren. Im Labor erreichen wir bereits eine ähnliche Effizienz wie herkömmliche UV-Lampen“, so der Physiker.

Die vielfältigen Einsatz­möglichkeiten der UV-LEDs haben unter anderem auch dazu geführt, dass sich das Team des Leibniz-Instituts für Gemüse- und Zier­pflanzenbau intensiv mit gesunder Ernährung in Form von Functional Food beschäftigt – Lebensmittel mit besonderen gesundheitsfördernden Inhalts­stoffen. Mit einem Verfahren, das mit dem Begriff Lichtdoping umschrieben werden kann, wird Blattgemüse mit schwach-dosiertem UV-Licht zwischen 290 nm und 350 nm bestrahlt. Diese regulato­rische UVB-Bestrahlung regt gezielt den Sekundär­metabolismus der Pflanzen an. Als Reaktion synthetisieren sie vermehrt bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe, die auch für Menschen als sehr gesund gelten. „Das Leibniz-IGZ und das Ferdinand-Braun-Institut arbeiten zusammen daran, UV-LED-Module zu entwickeln, die das optimale UV-Spektrum hierfür liefern. Ziel ist ein Flächen­strahler, der in einem Gewächs­haus eingesetzt werden kann, um Pflanzen exakt dosiert mit einer definierten Wellen­länge zu bestrahlen“, so Kneissl.

TU Berlin / od

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