Neuer Entfernungsrekord für Schwarze Löcher
Astronomen der ESO haben in einer anderen Galaxie das fernste bislang bekannte Schwarze Loch entdeckt. Es entstand als Überrest eines explodierenden Sterns.
Astronomen der ESO haben mit Hilfe des Very Large Telescope in einer anderen Galaxie das fernste bislang bekannte Schwarze Loch entdeckt. Es entstand als Überrest eines explodierenden Sterns.
Diejenigen stellaren Schwarzen Löcher (Überreste von Sternexplosionen), die Astronomen in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, gefunden haben, sind mit Massen bis zum Zehnfachen der Masse unserer Sonne sicherlich keine Leichtgewichte. Allerdings sind in anderen Galaxien einige deutlich größere stellare Schwarze Löcher nachgewiesen worden. Nun wurde ein neues Exemplar mit einer Masse von mehr als fünfzehn Sonnenmassen entdeckt - erst das dritte Schwarze Loch mit einer so hohen Masse.
Abb.: Künstlerische Darstellung des Schwarzen Lochs in NGC 300 und seines Sternpartners (Bild: ESO / L. Calçada)
Das neuentdeckte Schwarze Loch befindet sich in einer Spiralgalaxie mit der Katalognummer NGC 300, rund sechs Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. "Dies ist das bislang entfernteste stellare Schwarze Loch, dessen Masse bestimmt werden konnte, und das erste Mal, das wir ein solches Objekt außerhalb unserer kosmischen Nachbarschaft, der lokalen Gruppe [von Galaxien], nachweisen konnten", so Paul Crowther, Professor für Astrophysik an der Universität Sheffield. Partner des Schwarzen Loches ist ein so genannter Wolf-Rayet-Stern, der ebenfalls rund 20 Mal soviel Masse besitzt wie die Sonne. Ein Wolf-Rayet-Stern ist ein Stern, der gegen Ende seines Sternenlebens einen Großteil der Materie aus seinen äußeren Schichten abstößt, bevor er als Supernova explodiert - und seine Zentralregion zu einem Schwarzen Loch kollabiert.
Die Entdeckung vollzog sich in mehreren Schritten. Zunächst hatte das Röntgenobservatorium XMM-Newton der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) das damals noch nicht identifizierte Schwarze Loch als stärkste Röntgenquelle der Galaxie NGC 300 nachgewiesen. Im Jahre 2007 unterzog dann ein Röntgenteleskop an Bord des NASA-Satelliten Swift diese Röntgenquelle einer genaueren Untersuchung: "Wir stellten periodisch äußerst starke Röntgenabstrahlungen fest - ein Hinweis darauf, dass dort ein Schwarzes Loch lauert", so Stefania Carpano von der ESA, ein Mitglied des Forscherteams. Dank neuer Beobachtungen mit dem Instrument FORS2, das am Very Large Telescope der ESO installiert ist, konnten die Astronomen diesen Verdacht jetzt bestätigen. Die neuen Daten zeigen, dass dort ein Schwarzes Loch und ein Wolf-Rayet-Stern mit einer Umlaufzeit von 32 Stunden umeinander kreisen. Dabei entzieht das Schwarze Loch seinem Tanzpartner bei jedem Umlauf Materie.
"Die Partner dieses Paares stehen einander sehr nahe", sagt Robin Barnard, ein weiteres Mitglied des Teams. "Es ist uns ein Rätsel, wie diese enge Bindung die stürmischen Entwicklungsphasen, die der Entstehung des Schwarzen Lochs vorangegangen sein müssen, überlebt hat."
Obwohl Astronomen eine Reihe von Systemen kennen, in denen sich ein Schwarzes Loch und ein Stern umkreisen, ist dies erst das zweite Mal, dass ein System aus einem Wolf-Rayet-Stern und einem Schwarzen Loch gefunden wurde. Ausgehend von den bislang bekannten Systemen vermuten die Forscher einen Zusammenhang zwischen der Masse des Schwarzen Lochs und der Zusammensetzung seiner Heimatgalaxie: "Wir haben festgestellt, dass sich die massereichsten stellaren Schwarzen Löcher vorwiegend in kleineren Galaxien finden, die weniger 'schwere' chemische Elemente enthalten", so Crowther. "Größere Galaxien wie unsere Milchstraße, die größere Mengen an schweren Elementen enthalten, bringen offenbar nur stellare Schwarze Löcher mit geringerer Masse hervor." Die Astronomen gehen von einem systematischen Zusammenhang aus, bei dem der Gehalt an schwereren Elementen die Entwicklung massereicher Sterne beeinflusst, so dass sie größere Mengen an Hüllenmaterial in den Raum blasen. Das Schwarze Loch, das beim anschließenden Kollaps entsteht, kann dann nur noch weniger Materie in sich vereinigen, und besitzt eine entsprechend geringere Masse.
In weniger als einer Million Jahren wird der Wolf-Rayet-Stern an der Reihe sein, als Supernova zu explodieren und zu einem Schwarzen Loch zu werden. Crowther weiter: "Wenn das System diese zweite Explosion überlebt, werden die Schwarzen Löcher nach einiger Zeit verschmelzen und dabei gewaltige Mengen an Energie in Form von Gravitationswellen aussenden." Bis zur eigentlichen Verschmelzung werden nach der Explosion noch Milliarden von Jahren vergehen. Allerdings gilt, wie Crowther weiter ausführt: "Unsere Studie zeigt, dass Systeme dieser Art sehr häufig sein könnten. Einige davon, die bereits zu einem doppelten Schwarzen Loch geworden sind, könnten sich mit Gravitationswellendetektoren wie LIGO oder Virgo nachweisen lassen."
Max-Planck-Institut für Astronomie
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