11.04.2018

Neuer Verschränkungsrekord

Bislang größtes verschränkte Quanten­register indi­vi­duell kon­trol­lier­barer Systeme.

Quantenverschränkung ist eine zentrale Grund­lage für neue Quanten­techno­logien. Ein deutsch-öster­reichisches Forschungs­team präsen­tiert jetzt das bisher größte ver­schränkte Quanten­register indi­vi­duell kontrol­lier­barer Systeme aus insge­samt zwanzig Quanten­bits. Die Wissen­schaftler in Inns­bruck, Wien und Ulm treiben dabei die experi­men­tellen und theore­tischen Methoden an die Grenzen des derzeit Möglichen.

Abb.: Illustration der neuen exotischen Quanten­zu­stände, die in Inns­bruck erzeugt wurden. Zu sehen ist die Erzeu­gung der Quanten­ver­schrän­kung in einer Kette von zwanzig ein­zelnen Atomen. Beob­achtet wurde die Ver­schrän­kung zwischen benach­barten Atom­paaren (blau), Atom­dril­lingen (rosa), Vier­lingen (rot) und Fünf­lingen (gelb), bevor das System zu komplex wurde, um es mit beste­henden Tech­niken zu charak­teri­sieren. (Bild: H. Ritsch, IQOQI)

Quanteninformationsverarbeitung benötigt eine große Anzahl von Quanten­bits, um die Vor­teile der Quanten­physik gegen­über klassi­schen Computern aus­spielen zu können. Forscher in aller Welt arbeiten daher daran, ver­schränkte Systeme mit immer mehr Qubits zu reali­sieren. Den Rekord hält die For­schungs­­gruppe um Rainer Blatt an der Uni Inns­bruck. Die Physiker ver­schränkten 2011 erst­mals 14 indivi­duell mani­pulier­bare Qubits mit­ein­ander und reali­sierten so das größte voll­ständig ver­schränkte Quanten­register. Nun hat das Team um Ben Lanyon und Rainer Blatt am Institut für Quanten­optik und Quanten­infor­mation der Öster­reichi­schen Akademie der Wissen­schaften gemein­sam mit Theore­tikern der Uni Ulm kontrol­lierte Viel­teil­chen­ver­schrän­kung in einem System aus zwanzig Qubits reali­siert. Dabei konnten die Forscher echte Viel­teil­chen­ver­schrän­kung zwischen allen benach­barten Gruppen von drei, vier und fünf Qubits nach­weisen.

Verschränkte Teilchen können physikalisch nicht als ein­zelne Teil­chen mit defi­nierten Zuständen beschrieben werden, sondern nur als Gesamt­system. Besonders schwierig wird es, Ver­schrän­kung zu ver­stehen, wenn zahl­reiche Teil­chen im Spiel sind. Hier muss zwischen der Ver­schrän­kung ein­zelner Teil­chen und echter, genuiner Viel­teil­chen­ver­schrän­kung unter­schieden werden. Genuine Viel­teil­chen­ver­schrän­kung kann nur als Eigen­schaft des Gesamt­systems aller betref­fenden Teil­chen ver­standen werden und nicht als Summe von Ver­schrän­kungen ein­zelner Qubits. Das Team hat in einem Ionen­fallen-Experi­ment zwanzig Kalzium­atome mit­hilfe von Laser­licht ver­schränkt und dabei beob­achtet, wie sich die Viel­teil­chen­ver­schrän­kung in diesem System dyna­misch aus­breitet. „Die Teil­chen werden zunächst paar­weise ver­schränkt“, schildert Lanyon. „Mit den von unseren Kollegen in Wien und Ulm ent­wickelten Methoden können wir dann die weitere Aus­brei­tung der Ver­schrän­kung auf alle benach­barten Teil­chen­dril­linge, die meisten Vier­linge und einige Fünf­linge nach­weisen.“

Diese Nachweismethoden wurden von der Arbeits­gruppe um Martin Plenio an der Uni Ulm und dem Team um Marcus Huber am IQOQI in Wien ent­wickelt. „Wir haben dazu einen MacGyver-Ansatz gewählt“, sagt Team-Mitglied Nicolai Friis. „Wir mussten einen Weg finden, mit einer kleinen Anzahl von durch­führ­baren Mess­ein­stel­lungen Viel­teil­chen­ver­schrän­kung nach­zu­weisen.“ Die Forscher in Wien und Ulm beschritten sich ergän­zende Wege: Die Gruppe um Huber und Friis nutzte eine Methode, die nur wenige Messungen erfor­dert und deren Ergeb­nisse sich leicht aus­werten lassen. Damit konnte im Experi­ment die Ver­schrän­kung von jeweils drei Teil­chen nach­ge­wiesen werden. Die Ulmer Theore­tiker ver­wen­deten eine komple­xere Technik, die auf nume­rischen Methoden beruht. „Diese Technik ist zwar effi­zient, stößt aber auf­grund des mit der Zahl der Qubits stark steigen­den Rechen­auf­wands auch an ihre Grenzen“, sagt Team-Mit­glied Oliver Marty. „Des­halb war auch mit dieser Methode beim Nach­weis von echter Fünf­teil­chen­ver­schrän­kung Schluss.“

„Es gibt Quantensysteme wie ultrakalte Gase, in denen Ver­schrän­kung zwischen einer großen Zahl von Teil­chen nach­ge­wiesen wurde“, betont Friis. „Das Inns­brucker Experi­ment ist aber in der Lage, jedes ein­zelne Qubit indi­vi­duell anzu­sprechen und aus­zu­lesen.“ Es eignet sich für konkrete Anwen­dungen wie Quanten­simu­la­tionen oder Quanten­infor­ma­tions­ver­arbei­tung. Dafür will das Team um Blatt die Zahl der Qubits im Experi­ment weiter steigern. „Unser mittel­fristiges Ziel liegt bei fünfzig Teilchen“, sagt er. „Damit könnten wir Auf­gaben lösen, an denen die besten Super­computer heute noch scheitern.“ Die für das Ionen­fallen­experi­ment in Inns­bruck ent­wickelten Methoden zum Nach­weis der Quanten­ver­schrän­kung werden breitere Anwen­dung finden, sind die Forscher über­zeugt. „Wir wollen die Grenzen unserer Methoden noch weiter aus­loten“, sagen Friis und Marty. „Durch das Aus­nutzen von Symme­trien und den Fokus auf bestimmte Obser­vablen können wir diese Methoden weiter opti­mieren, um noch umfang­reichere Viel­teil­chen­ver­schrän­kung nach­weisen zu können.“

U. Innsbruck / RK

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