Neuer Weg zur Feinstrukturkonstante
Kombination der magnetischen Momente zweier Ionen lässt unvollständig bekannte Kernstruktur verschwinden.
Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Auflösung der optischen Spektrometer immer besser wurde, zeigte sich, dass scheinbar einzelne Linien in den Spektren von Atomen in Wirklichkeit aus Gruppen von Linien bestehen. Zur Erklärung dieser Aufspaltung der Spektrallinien hat Arnold Sommerfeld 1916 die Feinstrukturkonstante eingeführt. Ursachen der Feinstrukturaufspaltung sind relativistische Effekte und der Spin der Elektronen. Im Prinzip eignen sich alle atomaren Systeme zur Bestimmung der Feinstrukturkonstante, weil diese die genaue Stärke der elektromagnetischen Anziehung zwischen den negativ geladenen Elektronen und dem positiv geladenen Atomkern angibt. Alle Eigenschaften eines Atoms sind von dieser Kraft und damit vom Wert der Feinstrukturkonstante abhängig. Atome mit vielen Elektronen sind aber theoretisch schwer zu behandeln, weil die vielen Elektronen sich gegenseitig beeinflussen. Deswegen wählt man Ionen mit wenigen Elektronen, am liebsten mit nur einem einzigen Elektron.
Abb.: Die Feinstrukturkonstante bestimmt die genaue Stärke der Anziehungskraft zwischen Elektronen und Kern, und damit auch die Wechselwirkungsstärke der Elektronen mit einem Magnetfeld. (Bild: MPIK)
Theoretiker des MPI für Kernphysik um Zoltán Harman schlagen zusammen mit Kollegen aus St. Petersburg jetzt eine neuartige Methode vor, die Feinstrukturkonstante über magnetische Messungen an Ionen zu bestimmen. Solche Messungen lassen sich in Ionenfallen sehr präzise durchführen. Resultat ist das magnetische Moment des im Ion gebundenen Elektrons, das sich wiederum zur Präzisionsbestimmung der Stärke der Anziehungskraft zwischen Elektron und Kern eignet.
Mit den Methoden der Quantenphysik kann man genau berechnen, wie das magnetische Moment von der Feinstrukturkonstante abhängt. Ein großes Hindernis stellt aber der Atomkern dar: Er ist ein kompliziertes System aus Protonen und Neutronen, und seine Struktur ist nicht so gut verstanden wie es sich die Forscher wünschen. Das ist am schwierigsten bei den eigentlich idealen schweren Elementen. Deswegen wenden Harmann und seine Kollegen einen Trick an: Sie betrachten nicht nur ein einziges Ion, sondern zwei Ionen mit demselben Kern, aber mit einem oder drei Elektronen. Durch eine ausgeklügelte Kombination der magnetischen Momente der beiden Ionen bringen sie die störende, quantitativ unvollständig bekannte Kernstruktur dazu, aus der Gleichung zu verschwinden. Das funktioniert am besten bei Ionen leichter Elemente, die experimentell auch leichter zu erzeugen sind.
„Mit Präzisionsmessungen an unterschiedlich geladenen Ionen mehrerer leichter Elemente sollte es zukünftig möglich sein, die Genauigkeit der derzeit auf zehn Nachkommastellen genau bekannten Feinstrukturkonstante zu verbessern“, sagt Harman. Eine früher vorgeschlagene Methode mit Messungen von zwei Ionen eines schweren Elements erlaubt dagegen keine wesentliche Steigerung der Genauigkeit. Da die Feinstrukturkonstante eng mit anderen physikalischen Konstanten des Elektromagnetismus verbunden ist, kann eine Präzisionssteigerung auch zur Verfeinerung der SI-Basiseinheiten beitragen.
MPIK / RK