10.03.2016

Neuer Weg zur Feinstrukturkonstante

Kombination der magnetischen Momente zweier Ionen lässt un­voll­ständig be­kannte Kern­struktur ver­schwinden.

Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Auflösung der optischen Spektro­meter immer besser wurde, zeigte sich, dass schein­bar einzelne Linien in den Spektren von Atomen in Wirklich­keit aus Gruppen von Linien bestehen. Zur Erklärung dieser Aufspaltung der Spektral­linien hat Arnold Sommer­feld 1916 die Fein­struktur­konstante einge­führt. Ursachen der Fein­struktur­auf­spaltung sind rela­ti­vistische Effekte und der Spin der Elektronen. Im Prinzip eignen sich alle atomaren Systeme zur Bestimmung der Fein­struktur­konstante, weil diese die genaue Stärke der elektro­magnetischen Anziehung zwischen den negativ geladenen Elektronen und dem positiv geladenen Atomkern angibt. Alle Eigen­schaften eines Atoms sind von dieser Kraft und damit vom Wert der Fein­struktur­konstante abhängig. Atome mit vielen Elektronen sind aber theoretisch schwer zu behandeln, weil die vielen Elektronen sich gegenseitig beeinflussen. Deswegen wählt man Ionen mit wenigen Elektronen, am liebsten mit nur einem einzigen Elektron.

Abb.: Die Feinstrukturkonstante bestimmt die genaue Stärke der An­ziehungs­kraft zwischen Elek­tronen und Kern, und damit auch die Wechsel­wirkungs­stärke der Elek­tronen mit einem Magne­tfeld. (Bild: MPIK)

Theoretiker des MPI für Kernphysik um Zoltán Harman schlagen zusammen mit Kollegen aus St. Petersburg jetzt eine neuartige Methode vor, die Fein­struktur­konstante über magnetische Messungen an Ionen zu bestimmen. Solche Messungen lassen sich in Ionen­fallen sehr präzise durch­führen. Resultat ist das magnetische Moment des im Ion gebundenen Elektrons, das sich wiederum zur Präzisions­bestimmung der Stärke der Anziehungs­kraft zwischen Elektron und Kern eignet.

Mit den Methoden der Quantenphysik kann man genau berechnen, wie das magnetische Moment von der Fein­struktur­konstante abhängt. Ein großes Hindernis stellt aber der Atomkern dar: Er ist ein kompliziertes System aus Protonen und Neutronen, und seine Struktur ist nicht so gut verstanden wie es sich die Forscher wünschen. Das ist am schwierigsten bei den eigentlich idealen schweren Elementen. Deswegen wenden Harmann und seine Kollegen einen Trick an: Sie betrachten nicht nur ein einziges Ion, sondern zwei Ionen mit demselben Kern, aber mit einem oder drei Elektronen. Durch eine ausgeklügelte Kombination der magnetischen Momente der beiden Ionen bringen sie die störende, quantitativ unvollständig bekannte Kern­struktur dazu, aus der Gleichung zu verschwinden. Das funktioniert am besten bei Ionen leichter Elemente, die experi­mentell auch leichter zu erzeugen sind.

„Mit Präzisionsmessungen an unterschiedlich geladenen Ionen mehrerer leichter Elemente sollte es zukünftig möglich sein, die Genauig­keit der derzeit auf zehn Nach­komma­stellen genau bekannten Fein­struktur­konstante zu verbessern“, sagt Harman. Eine früher vorge­schlagene Methode mit Messungen von zwei Ionen eines schweren Elements erlaubt dagegen keine wesentliche Steigerung der Genauigkeit. Da die Fein­struktur­konstante eng mit anderen physika­lischen Konstanten des Elektro­magnetismus verbunden ist, kann eine Präzisions­steigerung auch zur Verfeinerung der SI-Basis­einheiten beitragen.

MPIK / RK

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