29.06.2015

Neues Batterie-Modell für künftige Weltraum-Missionen

Saarbrücker Informatiker beziehen erstmals „Recovery Effect“ in Batterie-Modell mit ein.

Wie wichtig das Zusammenspiel aller Komponenten der Energieversorgung eines Raumfahrzeugs ist, hat der Balance-Akt des Kometen­landers Philae vor Augen geführt. Um den Missions­leitern mehr Informationen für das Verhalten der Systeme ihrer Sonden oder Satelliten an die Hand zu geben, haben Informatiker der Universität des Saarlands den Energie­bedarf von Batterien im All analysiert. Das von ihnen entwickelte Modell ermöglicht eine genaue Simulation und damit eine bessere Vorhersage, wieviel Leistung für die jeweilige Mission tatsächlich notwendig ist. Ein Hersteller von Miniatur-Satelliten arbeitet bereits mit den Forschern der Saar-Uni zusammen.

Abb.: Das verbesserte Batterie-Modell von Holger Hermanns, Jan Král und Gilles Nies kommt auf dem Mini-Satelliten GOMX-3 zum Einsatz. (Bild: UdS)

„Wenn Ihr Handy aufgrund eines leeren Akkus ausgeht, brauchen Sie oft nur wenige Minuten zu warten. Dann können Sie es wieder einschalten und zumindest kurz verwenden“, erklärt Holger Hermanns, Professor für Informatik an der Universität des Saarlands. Experten nennen dies den „Recovery Effect“. Während Phasen von gar keiner oder geringer Entladung erholt sich die Batterie vom Kapazitäts­verlust, den eine vorherige, starke Entladung verursacht hat. Laut Hermanns werde dieser Effekt jedoch nicht von dem Batterie-Modell beachtet, das bisher in der Wissen­schaft als Standard gilt. Daher hat er gemeinsam mit seinen Kollegen Jan Krcal und Gilles Nies ein neues Modell entwickelt, mit dem er den Ladungs­zustand der Batterie besser vorhersagen kann. Das bisherige „lineare Modell“ betrachtet lediglich eine idealisierte Energie­quelle. Damit lässt es außer Acht, dass in einer Batterie die Energie in abrufbare und gebundene Ladung aufgeteilt ist und somit oft noch Reserven vorhanden sind.

„Durch das neue Batteriemodell kann man präzise verfolgen, wie Energie vom Lager der gebundenen Ladung in das der verfüg­baren wandert oder umgekehrt“, sagt Hermanns. Gerade im All ist dieses Verhalten an den Kapazitäts­grenzen und im Fall von Störungen entscheidend. Beachtet man es nicht, kann das Ergebnis eine zu schwere und zu große Batterie sein, die kostbaren Platz für Ausrüstung und weitere Experimente verschwendet. Das geschah bei früheren Missionen. „Bei der Planung der Satelliten Envisat und Cryosat wurde das alte Modell tatsächlich herangezogen“, bestätigt Hermanns.

Mit ihrem neuen Modell können die Computer­wissenschaftler nun nicht nur die geeignetere Batterie auswählen, sondern auch für jede Zeitspanne die Wahrschein­lichkeit berechnen, dass die Batterie nicht entladen sein wird. Erprobt haben sie es am dänischen Satelliten GOMX-1. Das ist ein Miniatur-Satellit, der momentan als Quader mit den Maßen 10 × 10 × 20 cm und mit einem Ladegewicht von 1,2 kg um die Erde kreist. Elf Solarmodule speisen dabei eine Batterie von fünf Ampere­stunden. Hersteller ist das dänische Unternehmen GomSpace. Peter Bak ist dort Leiter des operativen Geschäfts und arbeitet bereits an dem Nachfolger GOMX-3: „Das Design und die Missions­planung von GOMX-3 können aufgrund der Ergebnisse aus Saarbrücken deutlich effi­zienter werden. Wir rechnen nun damit, etwa fünfzig Prozent mehr Aufgaben erledigen zu können“, erklärt Bak.

Die von den Saarbrücker Informatikern gewonnenen Erkenntnisse helfen jedoch nicht nur im Weltraum, sie lassen sich auch für den Energie­bedarf von Elektro­autos verwenden. „Bisher war nur die Antwort auf folgende Frage möglich: Schaffen Sie es unter ideali­sierten Bedingungen mit der vorhandenen Ladung bis zum Frankfurter Flughafen? Jetzt können wir auch beantworten, ob die Wahr­schein­lichkeit größer als 99,99 Prozent ist, dass Sie es trotz Störungen schaffen“, so Hermanns.

UdS / OD

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