Neues Bauprinzip für ultrapräzise Nuklearuhr
Ausnützung von Kernanregungen könnte die Präzision heutiger Atomuhren hundertfach übertreffen.
Die besten heute verfügbaren Atomuhren arbeiten mit einer Präzision von 17 Nachkommastellen. Weitere Verbesserungen von Atomuhren stehen vor großen technologischen Herausforderungen, denn sowohl die Abschirmung von äußeren Feldern und von Bewegungen als auch die Einhaltung der Linienbreite der auslesenden Optik gestalten sich bei solchen Präzisionsanforderungen zunehmend schwierig. Forscher haben in einer neuen Studie deshalb eine Alternative vorgeschlagen, derzufolge der Übergang magnetischer Dipol-Übergänge von Thorium-Atomkernen eine Präzision von bis zu 19 Nachkommastellen erlauben würde. Auf das Alter des Universums von knapp 14 Milliarden gerechnet, entspräche dies gerade einmal einer Abweichung von rund einer Zehntelsekunde.
Abb.: In dieser Ionenfalle werden Thoriumionen bis nahe an den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt. (Bild: C. Campbell / Georgia Tech)
Um eine solch erstaunliche Ganggenauigkeit zu erreichen, müssen eine ganze Reihe möglicher Fehlerquellen ausgemacht und eingedämmt werden. Die Autoren haben in ihrer Studie eine Abschätzung der möglichen Fehler gegeben und festgestellt, dass sie in der Summe ungefähr 1,5 × 10-19 betragen. Diese Steigerung gegenüber Atomuhren soll unter anderem deshalb möglich werden, weil die Kernanregungszustände der benutzten Neutronen aufgrund der starken Bindung im Atomkern und der höheren Masse wesentlich unempfindlicher gegenüber äußeren Störungen sind, als die elektronischen Anregungszustände heutiger Atomuhren.
So macht sich bei solch genauen Messungen auch die Gravitation sehr deutlich bemerkbar; sie ist – neben Mikrobewegungen – eine der stärksten Fehlerquellen. Bereits ein Millimeter Höhenunterschied im Schwerefeld der Erde entspricht einer Abweichung von 10-19. Andere Fehlerquellen liegen in den elektromagnetischen Feldern sowie im Doppler- und Starkeffekt, die zum Einschluss und zur Kühlung der Thoriumionen dienen.
Eine besondere technologische Herausforderung beim Bau von Nuklearuhren ist die Kühlung auf höchstens wenige Dutzend Mikrokelvin über dem absoluten Nullpunkt. Zur Zeitmessung dienen Ionen des Isotops Thorium-229. Um die ungefähr zwei Dutzend in der Ionenfalle befindlichen Thoriumionen abzukühlen, verbietet es sich aber, das sonst übliche Verfahren der Laserkühlung mittels Dopplereffekt auf die Ionen anzuwenden.
Abb.: In einer solchen Hochvakuumkammer befindet sich die Ionenfalle. (Bild: A. Radnaev / Georgia Tech)
Bei der Laserkühlung strahlt ein Laser, dessen Energie knapp unterhalb eines Anregungszustandes des betreffenden Atoms liegt, von allen Seiten auf das Atom. Im Ruhezustand findet keine Anregung statt. Wenn das Atom mit seiner thermischen Bewegung aber eine gemäß dem Dopplereffekt ausreichende Energie besitzt, um vom Laserlicht angeregt zu werden, nimmt es diesen gegen seine Bewegung gerichteten Impuls auf. Die Abstrahlung durch spontane Emission erfolgt aber in willkürliche Richtung, so dass das Atom im Mittel gebremst und somit gekühlt wird.
Dieses praktische Verfahren kann man aber auf die benutzten Thoriumionen nicht anwenden, denn Laserlicht dient bei ihnen auch dazu, die Oszillationen zur Zeiterfassung zu erzeugen. Mit einem Trick lässt sich diese Schwierigkeit aber umgehen. Zusätzlich zu den Thorium-229-Ionen, die zur Zeiterfassung benötigt werden, sitzt ein Thorium-232-Ion in der Ionenfalle. Dieses etwas schwerere Ion lässt sich mit Strahlung einer etwas anderen Wellenlänge anregen, so dass die Zeitmessung nicht beeinflusst wird. Man kann dieses Thorium-232-Ion also per Laser kühlen, wodurch die benachbarten Ionen durch Stöße mitgekühlt werden. Alexander Radnaev vom Georgia Institute of Technology sagt: „Das Kühl-Ion dient sozusagen als Kühlaggregat und hält die Uhren-Ionen ruhig.“ Zwei weitere Institute sind an diesem Forschungsprojekt beteiligt: die University of New South Wales in Australien und das Physik-Department der University of Nevada.
Neben technischen Anwendungen wie beispielsweise in der Kryptographie könnte man mit solch präzisen Uhren auch die Fundamente der Physik überprüfen, denn Atomuhren und Nuklearuhren beruhen auf etwas unterschiedlichen Prinzipien. Den Vergleich zwischen diesen ultrapräzisen Uhren könnte man dazu heranziehen, um eventuell zeitliche Änderungen der physikalischen Naturkonstanten nachzuweisen.
Bis zum Bau einer Nuklearuhr müssen zwar noch einige technische Hürden überwunden werden. Doch erstmals seit im Jahr 2003 die Idee einer Nuklearuhr aufkam, rückt dieses Konzept in die Nähe der Verwirklichung. „Unsere Forschung zeigt, dass der Bau einer solchen Nuklearuhr sowohl lohnenswert als auch durchführbar ist,“ sagt Alex Kuzmich, Professor am Georgia Institute of Technology. Heutige Atomuhren sind schon ausreichend genau, um GPS-Navigation zu betreiben und Teilchenbeschleuniger zu synchronisieren. Auf die Frage, wozu man noch präzisere Uhren braucht, antwortet Kuzmich schlicht: „Wenn man den Leuten eine bessere Uhr gibt, werden sie sie auch benutzen.“ Man darf also gespannt sein, welche Anwendungen die neue Uhr erfahren wird.
Dirk Eidemüller
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PH