12.03.2018

Neues Material für flexible Elektronik

Elektrisch leitfähige Beschichtung ist dehnbar und für unterschiedliche Substrate geeignet.

Elektronik soll weich und flexibel werden. Im Fokus stehen dabei vor allem Geräte, die in unsere Kleidung integriert oder direkt auf der Haut getragen werden können, um von dort aus etwa Vital­funktionen zu überwachen. Die Visionen der Forscher reichen aber bis hin zu elektronischer Haut, die Prothesen ein Gespür für Temperatur und Druck geben sollen, oder Displays in Form dünner Folien, die auf beliebig geformte Oberflächen gespannt werden können. Um dergleichen realisieren zu können, suchen Forscher mit Hochdruck nach neuen Materialien, die neben den gewünschten elektronischen auch die nötigen mechanischen Eigenschaften aufweisen. Wissenschaftler der Texas A&M University haben nun eine elektrisch leit­fähige Beschichtung entwickelt, die auf unterschiedliche flexible und auch dehnbare Substrate aufgebracht werden kann.

Abb.: Ein Dehnungssensor in Form eines mit MXene beschichteten Kunststoffstreifens misst die Krümmung eines Fingers. (Bild: H. An et al.)

Neben den vielseitigen mechanischen Belastungen von Dehnen und Biegen bis zu Verdrehen und Falten gelten auch die unkonventionellen Substrate wie Gewebe oder einzelne Fasern als besondere Heraus­forderung für derartige Beschichtungen. In ihrer aktuellen Studie demonstrieren die amerikanischen Wissenschaftler nun das Potenzial zwei­dimensionaler Metall­carbide (MXene), die aufgrund ihrer metall­ähnlichen, elektrischen Leit­fähigkeit schon länger als vielversprechende Kandidaten gelten.

Diese erstmals 2011 beschriebenen Materialklasse besteht aus nur wenige Atome dicken Schichten. Im aktuellen Fall verwendeten die Forscher mehrere Mikro­meter große Flocken eines Materials auf Basis von Titan, das bereits bei einer Reihe von Anwendungen (von der Katalyse bis zur Wasser­entsalzung) Einsatz gefunden hat. Das hydro­phile Material kann in Wasser gelöst und durch Sprühen oder Eintauchen auf das gewünschte Substrat aufgebracht werden. Da allerdings eine einzelne Schicht nicht ausreicht, um die gewünschte Leit­fähigkeit zu erzielen, wird die Beschichtung Schicht für Schicht abwechselnd aus dem MXene und einem organischen Polymer aufgebaut. Dabei führt Eintauchen zu einer Dicke von etwa zehn Nano­metern und Sprühen zu einer Dicke von etwa drei Nano­metern pro Schicht­paar.

Während der Flächenwiderstand der Beschichtung für fünf solcher Schicht­paare noch 17 Kiloohm beträgt, fällt er ab zehn Paaren auf fünf bis acht Kiloohm. Das liegt den Forschern zufolge daran, dass sich durch die zusätzlichen Schichten zwischen den einzelnen Flocken mehr durchgängig leitende Wege für den Ladungs­transport ausbilden. Dennoch ist der Widerstand aufgrund der isolierenden Polymer­schichten höher als der einer reinen MXene-Schicht. Um die Leitfähigkeit der neuartigen Beschichtung zu demonstrieren, zeigen die Forscher eine LED, die von einer beschichteten PET-Folie selbst unter extremer Verbiegung beziehungs­weise Faltung noch mit Strom versorgt wird.

Abb.: Ein Sensor aus fünf nebeneinander angeordneten Streifen ertastet die Struktur eines Reliefs. (Bild: H. An et al.)

Auch wenn die elektrische Leitfähigkeit der Beschichtung sowohl unter Biegung als auch unter Dehnung grundsätzlich erhalten bleibt, hat die Deformation dennoch einen starken Einfluss auf ihren Wert. So verdoppelt sich der Widerstand bei einer Biegung mit einem Radius von 2,5 Milli­metern und verneun­facht sich, wenn das Material um vierzig Prozent gedehnt wird. Während ein Teil der Veränderung beim ersten Biegen irreversibel ist, bleibt die Leitfähigkeit über 2000 weitere Biege­zyklen weitgehend konstant. Ein ähnliches Verhalten zeigt sich auch unter wiederholter Dehnung.

Um die diesem Verhalten zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen, haben die Forscher die Struktur der MXene-Schichten vor und nach dem Biegen oder Dehnen mit dem Raster­elektronen­mikroskop untersucht. Dabei zeigte sich zunächst, dass die frisch erzeugte Beschichtung vor der ersten Deformation keine Spalte oder Defekte aufwies. Beim ersten Biegen beziehungsweise Dehnen entstehen jedoch irreversible Risse und Spalten, die für die anfängliche Erhöhung des Widerstandes verantwortlich sind. Sie sind zwar nicht groß genug, um die Leit­fähigkeit des Netzwerks völlig zu zerstören, dennoch haben sie zur Folge, dass die Wege für den Ladungs­transport länger werden und der Widerstand zunimmt. Bringt man das Material wieder zurück in seine ursprüngliche Form, schließen sich die Spalten wieder und der Widerstand nimmt wieder ab – wenn auch nicht bis zum Anfangswert der völlig intakten Beschichtung. Jede weitere Deformation führt dann lediglich zu einem Öffnen oder Schließen der bereits bestehenden Risse und damit zu einer Abhängigkeit des Widerstands vom Ausmaß der Deformation.

Aufgrund dieser Eigenschaft lässt sich ein beschichtetes, dehnbares Material über eine Widerstandsmessung auch als Dehnungs­sensor verwenden. Zur Demonstration zeigen die Forscher einen Sensor in Form eines mit MXene beschichteten Kunststoff­streifens (PDMS), der die Biegung eines menschlichen Fingers misst und einen Scanner, der mit mehreren solcher Streifen nebeneinander ein Relief abtastet und dessen Oberflächen­struktur elektronisch erfasst.

Thomas Brandstetter

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