15.07.2024

Neuronale Netze aus Licht

Neue Methode prägt dem Netz die eingegebenen Daten durch Veränderung der Lichttransmission auf.

Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz werden immer häufiger eingesetzt. Die Anwendungen reichen von Bilderkennung bis hin zur Texterstellung. Diese herausfordernden Aufgaben erfordern immer komplexere neuronale Netze, einige mit vielen Milliarden Parametern. Dieses rasche Wachstum neuronaler Netze hat dazu geführt, dass sich die Technologien aufgrund ihres exponentiell steigenden Energieverbrauchs und ihrer Trainingszeiten auf einem Weg befinden, der nicht mehr nachhaltig ist. So wird beispielsweise geschätzt, dass das Training von GPT-3 mehr als tausend MWh Energie verbraucht hat, was dem täglichen Stromverbrauch einer Kleinstadt entspricht.

Abb.: Künstlerische Darstellung eines neuromorphen Systems aus Lichtleitern.
Abb.: Künstlerische Darstellung eines neuromorphen Systems aus Lichtleitern.
Quelle: C. C. Wanjura, MPL

Dieser Trend hat zu einem Bedarf an schnelleren, energie- und kosteneffizienteren Alternativen geführt und das sich rasch entwickelnde Feld des neuromorphen Computing ausgelöst. Ziel dieses Forschungsfelds ist es, die neuronalen Netze in unseren digitalen Computern durch physikalische neuronale Netze zu ersetzen. Diese werden so konstruiert, dass sie die erforderlichen mathematischen Operationen potenziell schneller und energieeffizienter durchführen.

Optik und Photonik sind besonders vielversprechende Plattformen für neuromorphes Computing, da der Energieverbrauch auf ein Minimum reduziert werden kann. Berechnungen können parallel mit sehr hohen Geschwindigkeiten durchgeführt werden, die nur durch die Lichtgeschwindigkeit begrenzt sind. Bislang gab es jedoch zwei große Herausforderungen: Zum einen erfordert die Realisierung der erforderlichen komplexen mathematischen Berechnungen hohe Laserleistungen. Zum anderen gab es bisher keine effiziente allgemeine Trainingsmethode für solche physikalischen neuronalen Netze. Beide Herausforderungen können mit einer neuen Methode überwunden werden, die Clara Wanjura und Florian Marquardt vom MPI für die Physik des Lichts entwickelt haben.

„Normalerweise werden die eingegebenen Daten dem Lichtfeld aufgeprägt. In unserer neuen Methode schlagen wir jedoch vor, diese Daten durch Veränderung der Lichttransmission aufzuprägen", erklärt Marquardt. Auf diese Weise kann das Eingangssignal auf beliebige Weise verarbeitet werden. Das gelingt, obwohl sich das Lichtfeld selbst auf die einfachste Art und Weise verhält, in der Wellen interferieren, ohne sich sonst gegenseitig zu beeinflussen. Daher erlaubt der neue Ansatz, komplizierte physikalische Wechselwirkungen zu vermeiden, die normalerweise nötig wären, um die erforderlichen mathematischen Funktionen zu realisieren und die sonst leistungsstarke Lichtfelder erfordern würden.

Das Auswerten und Trainieren dieses physikalischen neuronalen Netzes würde dann sehr einfach werden. „Die Methode würde nur erfordern, Licht durch das System zu schicken und das übertragene Licht zu beobachten. So können wir den Output des Netzes ablesen. Gleichzeitig lassen sich so alle für das Training relevanten Informationen messen", sagt Wanjura. Die Forscher haben in Simulationen gezeigt, dass ihr Ansatz bei Bildklassifizierungsaufgaben dieselbe Genauigkeit erzielt wie digitale neuronale Netze.

Für die Zukunft planen die Wissenschaftler eine Zusammenarbeit mit experimentellen Gruppen, um die Umsetzung ihrer Methode zu untersuchen. Da ihr Vorschlag die experimentellen Anforderungen erheblich lockert, kann er in vielen physikalisch sehr unterschiedlichen Systemen angewendet werden. Das eröffnet neue Möglichkeiten für neuromorphe Hardware, die ein physikalisches Training auf einer breiten Palette von Plattformen ermöglichen.

MPL / RK

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