Neuronen - langsam und doch Meister der Datenverarbeitung
Modellierung von Neuronengruppen gibt Aufschluss über die vergleichsweise kurzen Reaktionszeiten.
Neuronen – langsam und doch Meister der Datenverarbeitung
Modellierung von Neuronengruppen gibt Aufschluss über die vergleichsweise kurzen Reaktionszeiten.
Gruppen von Neuronen in der Großhirnrinde können deutlich schneller Signale verarbeiten und weiterleiten als lange vermutet. Für diesen erstaunlichen experimentellen Fund haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS), vom Bernstein Center for Computational Neuroscience Göttingen und von der Universität Göttingen jetzt erstmals eine Erklärung gefunden.
Jedes Neuron in der Großhirnrinde empfängt ständig elektrische Pulse (Spikes) von etwa 10.000 anderen Nervenzellen, leitet selbst aber nur etwa zehnmal pro Sekunde einen eigenen Puls weiter. Treffen in direkter Folge nach einem eigenen Spike weitere Pulse die Zelle, ist sie noch nicht wieder aufnahmebereit und kann die neue Information nicht verarbeiten. Bisher gingen Wissenschaftler deshalb davon aus, dass die Großhirnrinde nur Signale mit Frequenzen von bis maximal 20 Hertz bewältigen kann. Doch jüngste Experimente zeigen jedoch, dass Gruppen von Neuronen mit 200 Hertz deutlich schneller reagieren können als gedacht.
Den Göttinger Wissenschaftlern ist es gelungen, den komplizierten Ablauf von ankommenden Signalen hin zum Abfeuern neuer Pulse in ein Modell so einzubeziehen, dass zu einem eingehenden Signal die Antwort einer Neuronengruppe direkt berechnet werden konnte. Die Rechnungen der Forscher zeigen, dass keinesfalls die Dauer der Erholungsphase die Geschwindigkeit der neuronalen Kommunikation begrenzt. Denn während sich ein Neuron erholt, kann ein anderes einspringen. Eine obere Grenze hängt stattdessen nur von der deutlich kürzeren Zeit ab, die das Neuron zum Aufbau eines Pulses benötigt. Teams von Neuronen können somit problemlos hochfrequente Signale von einigen hundert Hertz empfangen und weiterleiten.
Diese Ergebnisse könnten von Bedeutung für die Entwicklungsneurobiologie sein. Erst ab einem bestimmten Alter lösen visuelle Erfahrungen neue Verknüpfungen der Nervenzellen in der Großhirnrinde aus. Das Knüpfen neuer Verbindungen funktioniert nur dann zuverlässig, wenn die Neuronen möglichst schnell und präzise auf eingehende Sinnesinformationen reagieren können. Sollte sich im Experiment herausstellen, dass die Neuronen von Jungtieren nicht so schnelle Signale verarbeiten können wie die ausgewachsener Tiere, würde dies diese Erklärung bestätigen.
MPG / KK