Neutrinos treiben Supernova an
Isotopenverteilung bei Cassiopeia-A weist auf Heizung der Supernova durch Neutrinos hin.
Supernovae sind eine wichtige Quelle chemischer Elemente im Kosmos. Bei diesen Sternexplosionen entstehen in ihrem heißen Innern radioaktive Atomkerne, die über die unsichtbaren Vorgänge Aufschluss liefern können, welche zur Explosion führen. Mithilfe aufwändiger Computerberechnungen gelang es nun einem Team von Forschern am Max-Planck-
Abb.: Beobachtete Verteilung von radioaktivem Titan-44 (blau) und Eisen (weiß, rot) in Cassiopeia-A. Das sichtbare Eisen ist vorwiegend Zerfallsprodukt von radioaktivem Nickel-56. Ein gelbes Kreuz kennzeichnet das geometrische Zentrum der Explosion, das weiße Kreuz und der Pfeil geben die momentane Position und Bewegungsrichtung des Neutronensterns an. (Bild: Macmillan Publishers Ltd. / Grefenstette et al., Nature 506, 339 (2014); Eisenverteilung: U. Hwang)
Massereiche Sterne beenden ihr Leben mit einer gigantischen Explosion, einer Supernova. Während ihres Lebens bauen solche Sterne in Millionen Jahren stabiler Entwicklung einen zentralen Bereich aus Eisen auf. Sobald dieser auf die zirka eineinhalbfache Masse der Sonne angewachsen ist, kollabiert er unter dem Einfluss der eigenen Schwerkraft zu einem Neutronenstern und setzt dabei gewaltige Energiemengen durch Neutrinos frei. Diese nahezu masselosen Elementarteilchen entstehen bei den extremen Bedingungen im Innern des neugeborenen Neutronensterns, wo die Dichten höher als in Atomkernen sind und die Temperaturen mehr als 500 Milliarden Grad Kelvin erreichen können.
Seit über fünfzig Jahren tüfteln Theoretiker daran, die physikalischen Prozesse zu verstehen, welche die Sternexplosion auslösen und antreiben. Eine populäre Idee benutzt dazu die Neutrinos, weil diese über hundertmal mehr Energie wegtragen als die Sternhülle, die bei der Explosion einer typischen Supernova ausgeschleudert wird. Ein kleiner Bruchteil der Neutrinos, die dem Innern des Neutronensterns entkommen, wird dabei aber von der umgebenden Materie wieder absorbiert, wodurch das Gas aufgeheizt wird. Dadurch kommt es zu heftigen Bewegungen, ähnlich denen in einem Topf mit kochendem Wasser. Wird das Brodeln zu heftig, kommt es zur Supernova-
Weil das von Neutrinos geheizte Gas heftig brodelt, beginnt die Explosion asphärisch und Computermodelle lassen erwarten, dass Supernovae die Sternmaterie stark richtungsabhängig herausschleudern. Genau das wird auch beobachtet: Supernovae und ihre gasförmigen Überreste sind deformiert, die chemische Zusammensetzung und Dichte des expandierendes Gases weist eine räumliche Variation auf. Die anfängliche Asymmetrie der Explosion hat insbesondere zwei wichtige Folgen. Zum einen erhält der Neutronenstern einen Rückstoß entgegengesetzt zur der Richtung, in der die Explosion am stärksten ist. Er verhält sich dabei analog zu einem Ruderboot, aus dem eine Person abspringt. Zum anderen entstehen auf der Seite der stärkeren Explosion, auf der mehr heißes Gas herausgeschleudert wird, auch mehr schwere Elemente von Silizium bis Eisen, insbesondere auch Titan und Nickel.
„Beide Effekte haben wir schon vor einigen Jahren durch unsere dreidimensionalen Simulationen Neutrino-
Neue Beobachtungen von Cassiopeia-A (Cas A), dem gasförmigen Überrest einer Supernova, deren Licht die Erde um das Jahr 1680 erreichte, haben mittlerweile die theoretischen Vorhersagen bestätigt. Aufgrund ihres jungen Alters und ihrer relativen Nähe (mit einer Entfernung von nur 11.000 Lichtjahren) bietet Cas A zwei große Vorteile für derartige Messungen. Erstens setzt der radioaktive Zerfall von Titan-44 immer noch erhebliche Mengen Energie und damit hochenergetische (Röntgen-) Strahlung frei, so dass die räumliche Verteilung dieses radioaktiven Elements mit hoher Genauigkeit abgebildet werden kann. Zweitens sind sowohl die scheinbare Richtung als auch die Größe der Rückstoßgeschwindigkeit des Neutronensterns in Cassiopeia-A bekannt: Der Neutronenstern jagt mit einer geschätzten Geschwindigkeit von mindestens 350 Kilometern pro Sekunde durchs All. Daher erwartet man eine beträchtliche Asymmetrie in der räumlichen Verteilung der radioaktiven Elemente. Genau dies wird auch beobachtet.
Während der kompakte Sternüberrest in die südliche Hemisphäre rast, befinden sich die größten und hellsten Titan-44-
Aber nicht nur die räumliche Verteilung von Titan und Eisen ähnelt derjenigen in Cas A. Auch die im Rechnermodell erzeugten Mengen dieser chemischen Elemente, die zugehörigen Ausbreitungsgeschwindigkeiten und die berechnete Geschwindigkeit des Neutronensterns stimmen erstaunlich gut mit denen von Cas A überein. „Diese Fähigkeit, grundsätzliche Eigenschaften der Beobachtungen durch ausgefeilte theoretische Modelle zu reproduzieren, belegt auf beeindruckende Weise, dass Cas A tatsächlich der gasförmige Überrest einer Neutrino-
Ein überzeugender Nachweis, dass massereiche Sterne durch die Energie von Neutrinos explodieren, erfordert aber weitere Untersuchungen. „Cassiopeia-A ist ein derart interessantes und wichtiges Objekt, dass wir hier auch die geometrische Verteilung aller anderen chemischen Elemente, wie z.B. Silizium, Argon, Neon und Sauerstoff, verstehen müssen", bemerkt Ewald Müller (MPA) und verweist auf die fantastische Detailfülle, die der Cas-A-Überrest in der dreidimensionalen Darstellung aufweist. Außerdem reicht ein Beispiel allein nicht für einen Beweis aus, dass die theoretischen Vorhersagen die Beobachtungen erklären können. Die Forschergruppe hat sich daher einer größeren Kollaboration angeschlossen mit dem Ziel, die theoretischen Vorhersagen für Neutrino-
MPE / DE