Neutrinos verabschieden Makrorealismus
Test der Leggett-Garg-Ungleichung mit bislang größter Reichweite.
Im Gegensatz zur Quantenwelt verhält sich die makroskopische Realität gutmütig: Katzen sind gemeinhin tot oder lebendig – und nicht beides zugleich. Der Mond ist da, auch wenn wir nicht hinschauen. Zur Charakterisierung der Eigenschaften der makroskopischen Realität dienen verschiedene Ungleichungen, die durch Quantenphänomene verletzt werden. Die bekannteste dieser Ungleichungen ist die Bellsche Ungleichung, die die Grenzen für den lokalen Realismus vorgibt.
Abb.: Die Neutrinos oszillieren bei ihrem 735 Kilometer langen Weg durch die Erdkruste vom Fermilab bis zum Detektor in der Soudan-
Weniger bekannt ist die Leggett-Garg-Ungleichung, die Anthony James Leggett und Anupam Garg im Jahr 1985 aufgestellt haben. Während die Bellsche Ungleichung die Korrelationen zwischen zwei räumlich getrennten Systemen beschreibt, behandelt die Leggett-
Die Leggett-Garg-Ungleichung hingegen beschreibt die Grenzen, innerhalb derer ein System sich über eine bestimmte Zeit in einem bestimmten Zustand befindet, der sich ohne Beeinflussung über eine Messung bestimmen lassen sollte. Es ist offenkundig, dass etwa der Kollaps der Wellenfunktion in der Mikrowelt bei einer Messsituation diesen Annahmen widerspricht.
Es ist jedoch schwierig, Experimente zu entwerfen, die nicht nur alle möglichen Schlupflöcher schließen, sondern zugleich auch den typischerweise eng korrelierten Quantencharakter über größere Distanzen offenbaren. Die normalerweise für solche Experimente genutzten Photonen lassen sich in irdischen Experimenten schwer über größere Distanzen als etliche Kilometer einsetzen. Ein Wissenschaftlerteam um Joseph Formaggio am Massachusetts Institute of Technology hat sich deshalb jetzt Neutrino-
„Der Leggett-Garg-Test mit den Daten der Neutrino-Oszillationen ermöglicht eine Bestätigung der Grundlagen der Quantenphysik mit der bislang größten Distanz”, so Formaggio. Das schränkt auch alternative Theorien zur Quantenphysik stark ein, die mit Hilfe klassischer Annahmen arbeiten.
Bei MINOS entstehen bei Kollisionen eines hochenergetischen Protonenstrahls mit einem Graphittarget über einen mehrstufigen Zerfall von Kaonen, Pionen und Myonen schließlich Myon-
Die Wissenschaftler untersuchten insgesamt 715 verschiedene Sätze von Neutrinodaten, um mögliche wechselseitige Beeinflussungen auszuschließen. Das ist aus logischen Gründen notwendig, denn es lässt sich zumindest prinzipiell nicht ausschließen, dass die Messungen die Ergebnisse beeinflussen. Die Leggett-
Damit ist – in Einklang mit der Quantenphysik – mindestens eine der beiden Annahmen des makroskopischen Realismus in der Formulierung von Leggett und Garg hinfällig. Die Entfernung zwischen den Neutrinodetektoren ließe sich natürlich auch noch weiter nach oben schrauben – prinzipiell bis hin zur Größenordnung des Erdradius, etwa vom Fermilab Richtung Südpol, was aber die Messung deutlich erschweren würde. Vergleichbare Tests mit Photonen könnten auch zwischen Satelliten stattfinden. Man darf also gespannt sein, wie lange der Distanzrekord für Bell-
Aber auch wenn die Leggett-Garg-Ungleichung einen wichtigen Test für den makroskopischen Realismus darstellt, schränkt sie den Parameterraum wohl doch nicht bestmöglich ein. Wie eine andere Studie in diesem Jahr zeigen konnte, könnten sich schärfere Testverfahren angeben lassen, die auf die „no-
Dirk Eidemüller
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