Neutronen durchleuchten Turbinenschaufeln
Testverfahren im Test: Die Teilchen spüren die meisten Defekte in additiv gefertigten Bauteilen auf.
Bei der Herstellung von Turbinen stoßen herkömmliche Verfahren oft an ihre Grenzen. Komplexe Bauteile mit filigranen Strukturen und geschwungene Formen werden daher immer häufiger durch additive Fertigung hergestellt. Um Defekte im Bauteilinneren zu finden, sind verschiedene Testverfahren im Einsatz. Ein Forschungsteam der TU München hat jetzt mehrere Verfahren geprüft. Die beste Fehlererkennung erzielten dabei Neutronen der Forschungs-Neutronenquelle Heinz-Maier-Leibnitz.
Das Laser-Strahlschmelzen ist ein gängiges additives Fertigungsverfahren für Turbinenschaufeln mit Kühlkanälen im Inneren. Dabei schmilzt ein Laser eine dünne Lage Metallpulver an bestimmten Stellen auf. Schicht für Schicht entsteht so das Bauteil in einem Bett aus Pulver. Wie bei einer archäologischen Ausgrabung wird das Bauteil anschließend freigelegt, und das übrige Pulver kann für das nächste Bauteil wiederverwendet werden.
Doch Prozess-Instabilitäten können zu Defekten im Bauteil führen und so die Festigkeit des Bauteils mindern. Typische Defekte sind Poren und Risse. Einzelne Schichten können sich sogar teilweise oder ganz voneinander lösen. Bei sicherheitsrelevanten Bauteilen können solche Defekte schwerwiegende Folgen haben. „Kritische Bauteile müssen wir daher nach dem Herstellungsprozess untersuchen – und das natürlich zerstörungsfrei“, erklärt Cara Kolb von der TU München.
Für ihre Versuche stellten die Forscher Prüfkörper mit Defekten verschiedener Größe und Tiefenlage her und versuchten, diese mit zerstörungsfreien Prüfverfahren zu detektieren. Zum Einsatz kamen dabei die aktive Infrarot-Thermografie, Ultraschall, Röntgen-Computertomographie und die Neutronen-Gitterinterferometrie.
An der Forschungs-Neutronenquelle führte der Tobias Neuwirth die Untersuchungen am Instrument ANTARES durch. „Wir testen Bauteile mit Neutronen-Gitterinterferometrie. Dabei beobachten wir ortsaufgelöst die Streuung und Absorption von Neutronen. Ändert sich diese, gibt das Aufschluss über die Art und die Größe der Defekte“, erklärt er.
Jedes der getesteten Verfahren hat seine Potenziale und Herausforderungen. Neutronen-Gitterinterferometrie ist zwar aufwändig und teurer als die anderen untersuchten Testverfahren, allerdings entdeckt es von allen Verfahren die meisten und die kleinsten Defekte.
„Neutronen können tief in den Werkstoff eindringen und ermöglichen eine hohe Auflösung der inneren Bauteilstruktur. Besonders gut eignen sie sich für Nickelbasislegierungen, die enorm wichtig sind für die Additive Fertigung von Luft- und Raumfahrtstrukturkomponenten“, lautet das Fazit von Kolb.
TUM / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
C. G. Kolb et al.: An investigation on the suitability of modern nondestructive testing methods for the inspection of specimens manufactured by laser powder bed fusion, SN Appl. Sci. 3, 713 (2021); DOI: 10.1007/s42452-021-04685-3 - Abt. Additive Fertigung, Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften, Technische Universität München