21.11.2023

Neutronen offenbaren Mikroplastik im Boden

Tomographie mit Neutronen und Röntgen zeigt, wo sich Partikel einlagern.

Ein Team von Forschenden der Universität Potsdam und des Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) hat ein Mess­verfahren entwickelt, um Bodenproben mit Neutronen und Röntgenlicht zu analysieren und daraus 3D-Tomographien zu erstellen: Dies ermöglicht es erstmals, Mikroplastik im Boden genau zu lokalisieren. Die 3D-Tomo­graphien zeigen, wo sich die Partikel im Boden einlagern und wie sich dadurch Strukturen im Boden verändern – was sich wiederum auf Wasserflüsse und Boden­eigenschaften auswirken kann.

Abb.:  Untersucht wurde hier eine Probe aus Beelitzer Sandboden. Sie enthält...
Abb.: Untersucht wurde hier eine Probe aus Beelitzer Sandboden. Sie enthält Fragmente von dünner Polyethylenfolie (PET).
Quelle: C. Tötzke, HZB & U. Potsdam

Mikroplastik zählt zu den großen Umwelt­belastungen unserer Zeit. Einen besonders großen Anteil liefert der Straßenverkehr: Allein der Abrieb von Reifen soll in Deutschland jährlich rund 100.000 Tonnen Mikroplastik erzeugen, dazu kommen Partikel aus Kunstrasen, Kosmetika, Kleidung und Waschpulvern, Einwegmasken, Plastiktüten und anderer Abfall, die in der Natur landen. Doch was passiert mit diesen Partikeln dann in unter­schiedlichen Böden? Zerbrechen sie in immer kleinere Teile, werden umgelagert und weiter­transportiert? Natürlich wird dies bereits untersucht. Bisher wird dafür eine Bodenprobe in einer schweren Salzlösung aufgeschwemmt, woraufhin sich die einzelnen Bestandteile nach Dichte trennen: Plastik sowie organische Partikel schwimmen oben, während mineralische Partikel absinken. Das Gemisch aus organischem Material und Plastik­partikeln wird anschließend zum Beispiel mit Wasserstoffperoxid behandelt, wobei sich die organischen Bestandteile zersetzen und die Mikroplastikpartikel übrigbleiben sollen. Bei diesem Verfahren lassen sich zwar Menge und Art des Mikroplastik in einer Bodenprobe ermitteln, allerdings gehen Informationen darüber verloren, wo genau sich diese Partikel im Boden ansammeln und einlagern und ob sie Strukturen im Boden verändern.

Sascha Oswald und Christian Tötzke haben eine Methode entwickelt, mit der sich diese Fragen beantworten lassen. Dafür arbeiteten sie eng mit dem Team um Nikolay Kardjilov (HZB) zusammen, dessen Expertise in den Aufbau eines einzigartigen Messplatzes am Institut Laue-Langevin, Grenoble, geflossen ist: Dort lassen sich Proben zeitgleich mit Neutronen und Röntgen­strahlung analysieren und 3D-Tomographien mit beiden Methoden erstellen, ohne die Probe dabei zu verändern. Während die Neutronen insbesondere organische und synthetische Partikel sichtbar machen, zeigt die Röntgen­tomographie die minera­lischen Partikel und die Struktur, die sie miteinander bilden.

Um die Methode zu testen, stellte Tötzke eine Reihe von Bodenproben aus Sand, organischen Bestandteilen wie Torf oder Holzkohle sowie künstlichen Mikroplastik­partikeln her. In einer weiteren Messreihe untersuchte er, wie schnellwachsende Lupinen mit ihren Wurzeln die Bodenproben durchdringen und ob Wurzeln dabei auf das Mikroplastik sichtbar reagieren.In den Neutronen­tomographien sind die Mikroplastik-Partikel, aber zum Teil auch die organischen Bestandteile zu erkennen. Die Röntgen­tomographie hingegen offenbart die Anordnung der Sandkörner, während die organischen und Plastik-Partikel nur als diffuse Leerstellen sichtbar sind. Übereinander gelegt ergibt sich so ein vollständiges Bild der Bodenprobe. Daraus lassen sich Größe und Form der Mikroplastikpartikel, aber auch die Veränderung der Bodenstruktur durch das eingelagerte Mikroplastik abschätzen.

„Diese Methode ist natürlich aufwendig, aber sie ermöglicht es erstmals zu untersuchen, wo sich Mikroplastik einlagert und wie sich dadurch der Boden verändert“, erläutert Tötzke. So analysierte er auch den sandigen Boden aus einem Acker bei Beelitz, einem typischen Spargel­anbaugebiet in Brandenburg, in die er Stücke von Mulchfolie mischte. Auch in der Praxis gelingt es meist nicht, die Mulchfolien nach der Ernte rückstandslos vom Acker zu entfernen. Verbleibende Folienreste werden dann beim Umpflügen in tiefere Bodenschichten eingetragen „Es ist uns gelungen zu zeigen, dass Fragmente solcher Plastikfolien den Wasserfluss im Boden verändern können. Mikroplastik­fasern erzeugten hingegen kleine Risse in der Boden­matrix“, sagt Tötzke. 

Bislang lässt sich nicht vorhersagen, wie sich dies auf die hydraulischen Eigen­schaften des Bodens auswirkt, zum Beispiel auf die Fähigkeit, Wasser zu speichern. „Da mit dem fortschreitenden Klimawandel Dürren und Starkregen wahr­scheinlicher werden, ist es dringend notwendig, diese Fragen zu beantworten. Das müssen wir nun systematisch untersuchen“, sagt Tötzke.

HZB / JOL

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