Neutronensterne: Nukleare Pasta verhindert Abbremsung
Exotische Strukturen aus Atomkernen senken die elektrische Leitfähigkeit der Kruste.
Bislang haben die Astronomen keinen einzigen alleinstehenden Röntgenpulsar gefunden, dessen Rotationsperiode länger als 12 Sekunden ist. Das ist seltsam, zumal schon relativ junge Pulsare wie 1E 1841–045, SGR 0526–66 und SGR 1806–20 Perioden im Bereich von 7 bis 12 Sekunden aufweisen. Bei der Stärke ihrer Magnetfelder müsste sich ihre Rotation nach den gängigen Modellen innerhalb weniger tausend Jahre auf Perioden von 20 bis 30 Sekunden verlangsamen.
Abb.: Röntgenpulsare besitzen starke Magnetfelder. An ihren magnetischen Polen senden sie periodisch elektromagnetische Strahlung aus. Hierbei verlieren sie Rotationsenergie. (Bild: ESA)
Röntgenpulsare in Doppelsternsystemen weisen dagegen durchaus Perioden von mehreren hundert oder gar tausend Sekunden auf. Die Abwesenheit von isolierten Röntgenpulsaren mit Perioden oberhalb von 12 Sekunden lässt sich daher nicht als Auswahleffekt erklären. Vielmehr muss es sich um ein echtes physikalisches Limit handeln. Eine mögliche Erklärung wäre, dass das Magnetfeld der kompakten Sternenleichen mit wachsendem Alter abnimmt und damit die Abbremsung so gering wird, dass sie im Verlauf der Zeitspanne, in der ein Pulsar als Röntgenstrahler sichtbar ist, nicht messbar ist.
Bislang gab es jedoch keine Untersuchung, die für dieses Szenario quantitativ mit den Beobachtungen übereinstimmende Vorhersagen gemacht hat. Das hat sich nun geändert. José Pons von der Universität Alicante und seine Kollegen haben umfangreiche Computersimulationen der Abbremsung von Neutronensternen mit unterschiedlichen Konfigurationen ihrer Kruste durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die Rotationsperioden von Pulsaren mit einer homogenen Kruste problemlos auf bis zu hundert Sekunden abfallen können.
Ist die Kruste dagegen inhomogen, so verlangsamt sich die Rotation innerhalb von nur 100.000 Jahren auf 10 bis 20 Sekunden, um dann für rund eine Million Jahre unverändert in diesem Zustand zu bleiben. Ursache dafür ist, so Pons und seine Kollegen, die Bildung einer elektrisch schlecht leitfähigen Schicht im innersten Teil der Kruste. Hoher elektrischer Widerstand ist, so die Forscher weiter, eine Eigenschaft, die von einem neuen Materiezustand zu erwarten sei, von einer nuklearen „Pasta“-Phase. So bezeichnen Pons und Kollegen die Bildung spaghetti-, makkaroni- oder lasagneförmiger Strukturen aus dicht aneinander gedrängten Atomkernen.
Ein komplexes Gemisch solcher Strukturen setzt elektrischen Strömen erheblich mehr Widerstand entgegen als ordentlich in einem kristallinen Gitter arrangierte Atomkerne. Pons und seine Kollegen sehen deshalb die bislang rätselhafte Obergrenze der Rotationsperiode von isolierten Röntgenpulsaren „als ersten beobachteten Beweis für die Existenz einer solchen Phase“ der nuklearen Materie. Die Eigenschaften der nuklearen Pasta könnten mit künftigen Röntgenbeobachtungen, kombiniert mit noch detaillierteren Modellen, untersucht werden.
Rainer Kayser
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