NMR am Nanodraht
Siliziumnanodrähte verbessern die Auflösung von Magnetresonanzkraftmikroskopen.
Magnetischen Momente von Atomkernen lassen sich durch Kernspinresonanz oder NMR (Nuclear Magnetic Resonance) abfragen. Das macht sich die Magnetresonanztomographie zunutze, um für die Medizin und Neurologie dreidimensionale Bilder von den Strukturen und Vorgängen im Körperinnern zu gewinnen, wobei die Auflösung bestenfalls jedoch nur einige Mikrometer beträgt. Eine Auflösung von einigen Nanometern erreichen dagegen Magnetresonanzkraftmikroskope. Sie messen die winzige Kraft, die in einem inhomogenen Magnetfeld auf die am Ende eines Mikrobalkens sitzenden Kernspins wirkt. Forscher in den USA haben jetzt den Mikrobalken durch einen Nanodraht ersetzt und damit die Nachweisempfindlichkeit für Kernspins erheblich verbessert.
Raffi Budakian an der University of Illinois in Urbana-Champaign und seine Kollegen haben Nanodrähte von etwa 15 Mikrometer Länge auf einer Siliziumunterlage epitaktisch wachsen lassen. Anschließend haben sie das 35 Nanometer dicke Ende eines solchen Nanodrahtes mit einer Schicht aus wasserstoffreichem Polystyrol überzogen. Die Kernspins der Wasserstoffatome sollten dann durch die mechanische Wirkung nachgewiesen werden, die sie in einem inhomogenen Magnetfeld auf den Draht ausüben.
Abb.: Ein Nanodraht (rot) hängt mit einem Ende, an dem zahlreiche Kernspins sitzen, über einem von Strom (violett) durchflossenen Golddraht, der ein Magnetfeld (grün) erzeugt. (Bild: J. M. Nichol et al., PRB)
Dazu positionierten die Forscher die Spitze des nach unten hängenden Drahtes mit Hilfe von Piezostellgliedern in geringem Abstand über einen stromdurchflossenen Golddraht, der das benötigte inhomogene Magnetfeld erzeugte. Das Magnetfeld richtete die magnetischen Momente der Wasserstoffkerne aus, während der Gradient des Feldes eine Kraft auf die magnetischen Momente ausübte. Diese Kraft betrug jedoch nur wenige Attonewton (1 aN = 10-18 N). Um solch eine extrem kleine Kraft nachzuweisen und Fehlerquellen auszuschalten, mussten sich die Forscher einiges einfallen lassen.
Bei ihren Kraftmessungen kam ihnen zugute, dass der schwingende Nanodraht eine hohe Resonanzfrequenz von 786 kHz und zugleich eine geringe Dämpfung hatte. Darüber hinaus zeigte er auch ein viel geringere „Nichtkontaktreibung“ als die Mikrobalken, die man bisher für die Magnetresonanzkraftmikroskopie benutzt hatte. Darunter versteht man den Effekt, dass bei Annäherung des Balkenendes an die Unterlage – in der die Quelle des Magnetfeldes sitzt – auf weniger als 100 Nanometer die Dämpfung der Balkenschwingungen erheblich zunimmt.
Hingegen ließ sich die Spitze des Siliziumnanodrahtes auf 7 Nanometer an den stromführenden Golddraht heranbringen, ohne dass die Dämpfung des Nanodrahtes merklich anwuchs. Zum einen, weil die Spitze des Nanodrahtes viel dünner ist als das Ende eines Mikrobalkens, sodass die „Nichtkontaktreibung“ weniger Angriffsfläche bietet. Zum anderen könnten die der Reibung zugrunde liegenden Fluktuationen für Frequenzen auftreten, die viel kleiner sind als die Resonanzfrequenz des Nanodrahtes und deshalb dessen Schwingungen kaum beeinflussen. Insgesamt verzeichneten die Forscher eine 250-mal geringere Dämpfung als bei einem Mikrobalken.
Bei der Messung der Kräfte, die auf Kernspins am Ende eines Mikrobalkens sitzen, drehten sie die Ausrichtung der Kernspins mit der Resonanzfrequenz des Balkens periodisch um und versetzten dadurch den Balken in Schwingung. Bei Frequenzen von etwa zehn Kilohertz ist eine einheitliche Umkehr der Kernspins gewährleistet. Doch bei der viel höheren Resonanzfrequenz des Nanodrahtes ist es schwierig, die Kernspins synchron umzukehren. Budakian und seine Kollegen wählten deshalb einen anderen Weg: Sie haben das Vorzeichnen des Magnetfeldgradienten mit einer Frequenz verändert, die einige hundert Hertz unter der Resonanzfrequenz liegt. Zugleich haben sie die Kernspins mit der Differenzfrequenz von einigen hundert Hertz periodisch umgedreht. Die auf die Kernspins wirkende Kraft änderte ihre Richtung nicht, brachte aber dennoch den Draht mit der Resonanzfrequenz zum Schwingen.
Die Auslenkungen des schwingenden Nanodrahtes maßen die Forscher, indem sie ihn in einen Arm eines Laserinterferometers brachten. Anhand des Powerspektrums der Oszillationen konnten sie die auf den Draht wirkende Kraft bestimmen. Mit ihrem Verfahren konnten sie so noch eine Kraft von 2,4 Attonewton messen. Das ist etwa ein Millionstel der Kraft, die Rasterkraftmikroskope noch schaffen. Damit sind die Forscher einen großen Schritt dem Ziel nähergekommen, mit einem Magnetresonanzkraftmikroskop die auf einen einzelnen Kernspin wirkende Kraft direkt zu detektieren.
Rainer Scharf