17.01.2018

Nur ein Atom dick

Erstmals mechanische Eigenschaften zwei­dimen­sio­naler Materi­alien gemessen.

Die dünnsten heute herstellbaren Materialien haben eine Dicke von einem Atom. Sie zeigen völlig neue Eigen­schaften und sind zwei­dimen­sional – bisher bekannte Materi­alien sind drei­dimen­sional auf­ge­baut. Um sie her­stellen und hand­haben zu können, liegen sie bis­lang als Film auf drei­dimen­sio­nalen Materi­alien auf. Erst­mals ist es Forschern der Univer­sität des Saarl­andes um Uwe Hart­mann jetzt mit Kollegen vom Leibniz-Institut für neue Materi­alien gelungen, die mecha­nischen Eigen­schaften von frei­tra­genden Membranen atomar dünner Materi­alien zu charak­teri­sieren. Die Messungen erfolgten mit dem Raster­tunnel­mikro­skop an Graphen.

Abb.: Uwe Hartmann (Foto) und seinen Kollegen gelang es, die mecha­nischen Eigen­schaften von frei­tra­genden Membranen atomar dünner Materi­alien zu charak­teri­sieren. (Bild: dasbilderwerk)

„Das Besondere an diesen Materialien ist, dass sie nur eine Atom­lage dick sind, also prak­tisch nur aus Ober­fläche bestehen“, erklärt Hart­mann. Dadurch besitzen sie ganz und gar andere physi­ka­lische Eigen­schaften als ihre her­kömm­lichen drei­dimen­sio­nalen Ver­wandten. „Die elek­tro­nischen Eigen­schaften einiger Konfi­gura­tionen sind spekta­kulär: Die Elek­tronen folgen im Innern der Materi­alien den Gesetzen der Relati­vi­täts­theorie, was in konven­tio­nellen Materi­alien grund­sätz­lich nicht der Fall ist. Hier liegen inte­res­sante Vor­teile für elek­tro­nische Bau­ele­mente, die sich aus zwei­dimen­sio­nalen Materi­alien her­stellen lassen.“

Auch die mechanischen Eigenschaften sind einzig­artig. „Einige Material­konfi­gu­ra­tionen zeigen eine Stabi­lität, die – bezogen auf ihre Dicke – weitaus größer ist als die der stabil­sten drei­dimen­sio­nalen Materi­alien“, sagt Hart­mann. Bislang stammen jedoch viele der Infor­ma­tionen über die mecha­nischen Eigen­schaften der neu­artigen Materi­alien aus Simu­la­tions­rech­nungen. „Die zwei­dimen­sio­nalen Materi­alien lassen sich bis­lang nur als dünne Filme auf der Ober­fläche drei­dimen­sio­naler Materi­alien hand­haben. Damit werden aber die Eigen­schaften des Gesamt­systems zwangs­läufig durch das drei­dimen­sio­nale Material bestimmt.“

Jetzt konnten die Forscher erstmals die mechanischen Eigen­schaften atomar dünner Kohlen­stoff-Modi­fi­ka­tionen in Form frei­tra­gender Membranen direkt vermessen. „Hier­durch wird es möglich, Daten aus Simu­la­tions­rech­nungen direkt mit experi­men­tellen Befunden zu ver­gleichen. Außer­dem lässt sich der Ein­fluss unter­schied­lichster Defekte des Kristall­gitters der Membran auf ihre mecha­nischen Eigen­schaften ver­messen“, sagt Hart­mann. Die zwei­dimen­sio­nalen Materi­alien lassen in vielen Bereichen Inno­va­tionen erwarten - von Sensorik und Aktorik bis hin zu Filter­technik und Brenn­stoff­zellen.

Die Wissenschaftler benutzten Graphen-Monolagen auf einem Substrat, das eine regel­mäßige Anord­nung von Löchern aufwies. „Die Löcher hatten einen Durch­messer von etwa einem Mikro­meter. Mit­hilfe eines Raster­tunnel­mikro­skops konnten wir die frei­tra­genden Membranen über den Löchern mit atomarer Präzi­sion analy­sieren“, erklärt Hart­mann. „Bei Anlegen einer elek­trischen Spannung zwischen der spitzen­förmigen Sonde des Raster­tunnel­mikro­skops und dem atomar dünnen Graphen-Film fließt ein elek­trischer Strom.“ Dieser Tunnel­strom hängt empfind­lich vom Abstand zwischen Sonde und Probe und von der Elek­tronen­ver­teilung im Graphen-Film ab. „Das nutzen wir, um die ein­zelnen Atome sicht­bar zu machen: Der Tunnel­strom vari­iert, während die Sonde raster­förmig über das Material geführt wird.“

Die Wissenschaftler nutzen noch einen weiteren Effekt: Durch die zwischen Sonde und Probe ange­legte elek­trische Spannung wird eine Kraft auf die frei­tragende Graphen-Membran aus­ge­übt und sie beginnt sich durch­zu­wölben. „Zieht man die Sonde immer weiter zurück, wölbt sich die atomare Mono­lage immer weiter durch, weil sie wie mit einer atomar präzisen Pinzette immer weiter hoch­ge­zogen wird. Die Messung dieser Dehnung der Membran als Funktion der durch das Tunnel­mikro­skop erzeugten Zug­spannung liefert aber in Form eines Spannungs-Dehnungs-Diagramms direkt die wich­tig­sten mecha­nischen Eigen­schaften der Graphen-Membran“, erläutert Hart­mann.

„Wir konnten durch Aufnahme von Spannungs-Dehnungs-Diagrammen ins­beson­dere die ver­mu­teten außer­ordent­lichen mecha­nischen Eigen­schaften direkt nach­weisen, obwohl die dabei auf­ge­wen­deten Kräfte mit einem Milliard­stel Newton im Ver­gleich zu konven­tio­nellen Messungen unge­heuer klein waren“, erklärt der Forscher weiter. Die Wissen­schaftler zeigten auch, „dass frei­tra­gende Membranen sich nicht wie die Membran einer Pauke in Ruhe befinden, wenn man auf sie nicht ein­wirkt, sondern viel­mehr der Ober­fläche eines Sees ähneln: Sie weisen die ver­schie­den­sten Wellen­bewe­gungen auf und spiegeln jede äußere Störung in Form neuer ange­regter Wellen wider“.

UdS / RK

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