23.03.2016

Öko-Treibstoff für Raketen

Bremer Studentenprojekt entwickelt umweltfreundlichen Raketenantrieb auf Basis von Paraffin und flüssigem Sauerstoff.

Einer gewöhnlichen Kerze sieht man es gar nicht an. Doch Paraffin als Treib­stoff kann ungeahnte Kräfte entwickeln, wenn die Mischung stimmt. Zusammen mit flüssigem Sauer­stoff entsteht eine Treib­stoff­kombination, die in einer Brennkammer genügend Schubkraft und Energie freisetzt, um eine 80 Kilogramm schwere und 3,8 Meter lange Forschungsrakete mit Schall­geschwindigkeit auf mindestens 4000 Meter Höhe zu bringen. Dass dies gelingen kann, wollen Studierende am Zentrum für angewandte Raum­fahrt­technologie und Mikro­gravitation (ZARM) der Universität Bremen nun beweisen. Rund vier Jahre haben sie an ihrem Vorhaben getüftelt.

Abb.: Das ZEpHyR-Team vom ZARM mit Projektleiter Peter Rickmers (Bild: ZARM)

Ihre selbstgebaute und nahezu umwelt­freundliche Rakete mit Hybrid­antrieb wird in zwei Tagen, am 24. März 2016, ihre Reise nach Nord­schweden antreten, um dort voraus­sichtlich am 12. April 2016 vom europäischen Weltraum­bahnhof Esrange in Kiruna zu starten. Passend zum Forschungs­thema und zur Jahres­zeit trägt die Rakete den Namen „ZEpHyR“, was in der griechischen Mythologie so viel wie Frühlings­bote und Wind­gottheit bedeutet, im Rahmen des Projektes allerdings für „ZARM Experimental Hybrid Rocket“ steht. Die Flug­premiere von ZEpHyR ist für die Bremer Studierenden im Fachbereich Produktions­technik das große Finale des STERN-Programms, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raum­fahrt (DLR) gefördert wird und deutschen Universitäts­teams die Chance bietet, abseits des Hörsaals mit selbstgebauten Raketen Raum­fahrt­forschung praxisnah zu erleben.

Das Bremer Team hat sich die konkrete Aufgaben­stellung selbst gesucht. Ziel ist es, eine neuartige Rakete zu entwickeln, die den Ansprüchen einer Raumfahrt 4.0 gerecht wird: Dazu zählen Faktoren wie Kosten­reduzierung, einfache Hand­habung und Risiko­minimierung für Mensch und Umwelt durch einen Verzicht auf die üblicherweise in der Raumfahrt eingesetzten hoch­giftigen und explosiven Treib­stoffe wie Hydrazin. Was sich so simpel anhört, erforderte eine kreative Heran­gehens­weise, einen Wissens­transfer aus den Bereichen der Verbrennungs­forschung, Maschinen­bau, Elektro­technik und Chemie sowie hand­werkliches Geschick. „Wir sind innerhalb des STERN-Programms die einzigen, die eine Kombination aus Paraffin und Sauer­stoff als Antriebs­mittel verwenden. Andere europäische Forschungs­teams gehen bereits ähnliche Wege, was deutlich zeigt, dass in diesem Antriebs­konzept großes Potential für zukünftige Raum­fahrt­projekte steckt. Mit unserer Expertise sind wir am Puls der Zeit“, erklärt Peter Rickmers, der das ZEpHyR-Projekt am ZARM leitet und betreut.

Im Fokus der Forschungs- und Tüftelarbeit in Bremen stand der Hybrid­antrieb, der von Grund auf neu konzipiert und an die Treib­stoff­komponenten angepasst werden musste. Dreißig Triebwerks­tests waren nötig, um das richtige Mischungs­verhältnis von Wachs und Sauerstoff für eine gute Leistungs­kraft bei gleichzeitig geringer System­komplexität zu erreichen. Um die Kosten für Bauteile so gering wie möglich zu halten, griff das Team pragmatisch zum 3D-Drucker, fertigte die Schub­düsen aus einer Mischung aus Baum­wolle und Harz und stellte teure Ventile zur Regulierung der Zufuhr des Sauerstoffs selbst her. Die Elektronik zur Steuerung der Rakete wurde im Elektro­handel eingekauft und der Fallschirm, der die Rakete nach ihrem Flug wieder sicher zur Erde bringen soll, stammt aus dem Outdoor-Freizeit­bereich. Kurzum, die Bezugs­quellen aller Raketen­komponenten stehen im Prinzip jedem offen und so soll auch ZEpHyR einen Beitrag dazu leisten, die Raumfahrt privat­wirtschaftlich leichter zugänglich zu machen und so innovative, kreative Ideen für die Erkundung des Weltalls von morgen voranzubringen.

Unabhängig vom Ausgang des Raketen-Programms haben die Studenten des Bremer Teams schon jetzt gewonnen. Über 35 Bachelor- und Master­arbeiten sind im Rahmen des ZEpHyR-Projektes entstanden, was aus Sicht der universitären Lehre ein Erfolgs­modell darstellt.

ZARM / DE

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