03.09.2018

Optimierter Einsatz seltener Erden

Bedarf lässt sich auf ein Fünftel des heutigen Werts senken.

Seltene Erden zählen als Bestandteil vieler Hightech-Produkte zu den strate­gisch wich­tig­sten Roh­stoffen für die deutsche Industrie. Für einen effi­zien­teren Ein­satz dieser wert­vollen Elemente haben acht Fraun­hofer-Institute in einem jetzt abge­schlos­senen Gemein­schafts­projekt neue Lösungen ent­wickelt. Dazu gehören opti­mierte Ferti­gungs­ver­fahren, Ansätze für Recyc­ling und neue Materi­alien, die seltene Erden ersetzen können. Am Beispiel von Elektro­motoren zeigten die Forscher, dass sich der Bedarf an seltenen Erden auf ein Fünftel des heutigen Werts senken lässt.

Abb.: Ein Traktions-Elektromotor (links), der millionen­fach im Getriebe von Autos ein­ge­setzt wird, war eine der Refe­renzen für das Team. Die darin ver­bauten Perma­nent­magnete (Mitte Viertel­ring­magnet, rechts Magnete in Fluss­sammler-Anord­nung) ent­halten seltene Erden – den Bedarf dafür konnten die Forscher durch eine Kombi­nation ver­schie­dener Ansätze signi­fi­kant senken. (Bild: Fh.-IFAM)

Auslöser für das 2013 gestarteten Fraunhofer-Leitprojekt „Kriti­ka­lität seltener Erden“ war ein Preis­schock: China, wo etwa neunzig Prozent der seltenen Erden für den Welt­markt gefördert werden, ver­hängte damals einen Export­stopp, die Preise schnellten in die Höhe und die Ver­wund­bar­keit der deutschen Industrie im Hin­blick auf die Ver­sor­gungs­sicher­heit mit diesen Roh­stoffen wurde offen­sicht­lich. Deshalb zielten die Forscher darauf ab, die ver­füg­baren seltenen Erden klüger zu nutzen und Ersatz­materi­alien zu suchen, vor allem für die Elemente Dyspro­sium und Neodym. Diese werden beispiels­weise für Magnete benötigt, wie sie etwa in Elektro­motoren zum Ein­satz kommen. Als Refe­renz wählte das Team des­halb zwei Elektro­motoren, einen Klein­antrieb sowie einen Trak­tions­antrieb. Kombi­niert man alle im Projekt ent­wickelten Möglich­keiten, seltene Erden ein­zu­sparen oder zu ersetzen, lässt sich der Bedarf an Dyspro­sium und Neodym in diesen Motoren auf bis zu zwanzig Prozent der ursprüng­lich benötigten Mengen senken.

„Unser Ziel war, den Bedarf an seltenen Erden an diesen Benchmark-Motoren zu halbieren. Das haben wir deut­lich über­troffen, indem wir ver­schie­dene tech­nische Ansätze kombi­niert haben“, sagt Ralf Wehr­spohn, Leiter des Fraun­hofer-Instituts für Mikro­struktur von Werk­stoffen und Systemen und Sprecher des Leit­projekts. Er betont die Rele­vanz der gewählten Beispiele: „In einem durch­schnitt­lichen Auto sind heute Dutzende solcher Motoren ent­halten, die Fenster­heber, Scheiben­wischer oder Öl­pumpe bewegen. Sehr viele dieser Motoren funk­tio­nieren mit Perma­nent­magneten, in denen seltene Erden stecken. Durch immer neue Assis­tenz­systeme und nicht zuletzt durch den Trend zur Elektro­mobi­lität wird ihre Zahl künftig deut­lich steigen. All das zeigt, wie wichtig ein effi­zienter Umgang mit diesen wert­vollen Roh­stoffen ist.“

Die Forscher haben die Rohstoffmärkte für seltene Erden analy­siert, zugleich wurden Konzepte ent­wickelt, wie bereits beim Design von Elektro­motoren die spätere Wieder­ver­wen­dung oder das Recyc­ling von seltenen Erden mit­ge­dacht werden kann. Sie setzten außer­dem bei den Herstel­lungs­prozessen von Magneten an und fanden Lösungen, wie dabei weniger Aus­schuss ent­steht. Möglich wird das beispiels­weise durch Spritz­guss­ver­fahren, bei dem das Magnet­material gemein­sam mit einem Kunst­stoff-Binder direkt in die gewünschte Form gebracht und anschlie­ßend gesin­tert wird. So ent­fallen zugleich auf­wän­dige Nach­bear­bei­tungen.

In einem weiteren Teilprojekt wurde ein Verfahren entwickelt, um Permanent­magnete etwa aus Elektro­schrott, Wind­rädern oder Autos wieder­ver­werten zu können. Sie zer­fallen dabei durch die Behand­lung mit reinem Wasser­stoff in kleinste Partikel und werden dann erneut gegossen oder gesin­tert. Die recycelten Magnete erreichen 96 Prozent der Leistungs­fähig­keit von neuen Magneten. Welt­weit einzig­artig ist das im Leit­projekt ent­wickelte Ver­fahren, Dyspro­sium durch eine Kombi­nation aus Spark-Plasma-Sinte­ring und Heiß­pressen in Korn­grenzen­phasen ein­zu­bringen und somit aniso­trope Magnete für viel­fältige Anwen­dungen bei Elektro­motoren her­zu­stellen.

Auch das Design der Referenz-Elektromotoren wurde optimiert: Wenn die Motoren im Betrieb nicht so heiß werden, können Magnete mit gerin­gerer Tempe­ratur­stabi­lität und damit mit gerin­gerem Dyspro­sium-Anteil ein­ge­setzt werden. Nicht zuletzt wurden Materi­alien gesucht und gefunden, die eben­falls als Magnete dienen können, aber keine seltenen Erden ent­halten. In Hoch­durch­satz­ver­fahren haben die Forscher dabei zahl­reiche Material­kombi­na­tionen getestet und neue Legie­rungen nach­ge­wiesen, die statt seltener Erden unter anderem Cer ent­halten, das bei der Förde­rung von Neodym anfällt. Als Flakes weisen die neuen Ver­bin­dungen bereits sehr gute magne­tische Leistungen auf. Alle identi­fi­zierten Substi­tu­tions­materi­alien wurden zudem hin­sicht­lich ihrer gegen­wärtigen und erwarteten Ver­sor­gungs­sicher­heit analy­siert.

„Wir haben das Thema von der quantenphysikalischen Computersimulation von Magnet­materi­alien über die end­form­nahe Ferti­gung von Magneten bis hin zur Rück­ge­win­nung der ein­ge­setzten Selten­erd­metalle nach der Nutzungs­phase in den Blick genommen“, sagt Wehr­spohn. „Durch die auch im inter­natio­nalen Maßstab einzig­artige Breite und Tiefe der Kompe­tenzen haben wir sehr konkrete Fort­schritte erzielt und weitere Ansatz­punkte für einen effi­zien­teren Ein­satz von seltenen Erden und die Substi­tu­tion identi­fi­ziert. Diese Ergeb­nisse wollen wir nun mit Unter­nehmen in den Markt bringen.“

Fh.-IMWS / RK

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