Optische Fingerabdrücke auf einem Elektronenstrahl
Nichtlineare optische Prozesse im Elektronenmikroskop beobachtet.
Die präzise Kontrolle von Elektronenstrahlen in Transmissions-Elektronenmikroskopen ermöglicht es, Materialien oder Moleküle auf atomarer Ebene zu untersuchen. Kombiniert mit kurzen Lichtpulsen können diese Geräte auch eingesetzt werden, um dynamische Vorgänge zu untersuchen. Ein Forschungsteam aus Deutschland und der Schweiz hat jetzt erstmals gezeigt, wie Elektronen komplexe Licht-Zustände in einem mikroskopischen Lichtspeicher in einem TEM unterscheiden können.
Die moderne integrierte Photonik ermöglicht es, Licht in Kanälen auf einem Mikrochip zu führen oder zu manipulieren. Dabei können auch nichtlineare optische Prozesse genutzt werden, bei denen für sehr hohe Lichtintensitäten neue Farben oder auch extrem kurze Lichtpulse entstehen. Diese Technologien werden heute bereits in der Telekommunikation, für optische Abstands- und Geschwindigkeitsmessungen oder auch im Quantencomputing eingesetzt.
In jüngster Zeit entstehen zunehmend neue Schnittstellen zwischen der Photonik und anderen Forschungsgebieten, wie beispielsweise der Elektronenmikroskopie. So können optische Mikrochips seit Kurzem Elektronenstrahlen beeinflussen. Im Gegenzug können Elektronen zum Vermessen von Lichtfeldern genutzt werden. Passiert nämlich ein Elektron ein intensives Lichtfeld, so wird dieses dabei abhängig von seiner Ankunftszeit und der Stärke des Feldes beschleunigt oder abgebremst. Wissenschaftler können dann aus der veränderten Geschwindigkeit des Elektrons direkte Rückschlüsse auf die Eigenschaften des Lichts ziehen.
In der neuen Studie hat das Team um Claus Ropers vom MPI für multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen und Tobias Kippenberg von der ETH Lausanne jetzt verschiedene nichtlineare optische Prozesse mit einem Elektronenstrahl untersucht. Dafür platzierten sie einen ringförmigen Lichtspeicher, also einen Mikroresonator, in einem TEM und erzeugten darin Licht mit unterschiedlichen Wellenformen. Anhand der charakteristischen Wechselwirkung mit dem Strahl der Elektronen konnten sie dann die unterschiedlichen Lichtzustände im Detail untersuchen.
„Wenn wir den Elektronenstrahl so positionieren, dass die Elektronen an den Resonatoren vorbeifliegen, können wir den genauen Einfluss des Lichtfelds auf die Elektronenenergie messen“, erklärt Jan-Wilke Henke vom MPI für multidisziplinäre Naturwissenschaften. Seine Kollegin Jasmin Kappert ergänzt: „Jede der möglichen Wellenformen des Lichts hinterlässt dabei einen charakteristischen Fingerabdruck im Elektronenspektrum, der uns ermöglicht, die Entstehung der verschiedenen Zustände nachzuverfolgen.“
Den Forschern ist es aber nicht nur gelungen, Lichtfelder anhand ihrer Auswirkung auf Elektronen zu charakterisieren. „Wir haben bei unseren Experimenten auch Solitonen erzeugt – stabile, ultrakurze Lichtpulse mit weniger als ein Zehntel einer Billionstelsekunde Dauer,“ sagt der Yujia Yang von der ETH Lausanne. Die Möglichkeit, Solitonen in einem TEM zu erzeugen, erweitere den Einsatz von nichtlinearer Optik und Mikroresonatoren in unerforschte Bereiche, so Tobias Kippenberg von der ETH Lausanne: „Die Wechselwirkung zwischen Elektronen und Solitonen könnte unter anderem ultraschnelle Elektronenmikroskopie mit bisher unerreicht hoher Wiederholrate ermöglichen.“
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Elektronenmikroskopie sich ideal dafür eignet, nichtlineare optische Dynamiken auf der Nanoskala zu untersuchen“, betont Ropers. „Zudem gehen wir davon aus, dass es zukünftig noch vielfältige Anwendungen dieser Technologie sowohl für die räumliche als auch zeitliche Manipulation von Elektronenstrahlen geben wird.“
MPI-MN / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
Y. Yang et al.: Free-electron interaction with nonlinear optical states in microresonators, Science 383, 168 (2024); DOI: 10.1126/science.adk2489 - Ultraschnelle Dynamik (C. Ropers), Max-Planck-Institut für multidisziplinäre Naturwissenschaften, Göttingen
- Laboratory of Photonic Integrated Circuits and Quantum Measurements (T. Kippenberg), École Polytechnique Fédérale de Lausanne – Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne, Schweiz