03.11.2006

Optische Tricks mit chiralem Dreh

Asymmetrische Moleküle - d. h. Moleküle mit Händigkeit - verursachen „Doppelreflexion“ und „Doppelfluoreszenz“.



Asymmetrische Moleküle - d. h. Moleküle mit Händigkeit - verursachen „Doppelreflexion“ und „Doppelfluoreszenz“.

Optisch aktive Flüssigkeiten drehen die Schwingungsebene von linear polarisiertem Licht. Das nutzt man aus, um den Zuckergehalt wässriger Zuckerlösung optisch zu bestimmen. Doch diese Flüssigkeiten, die asymmetrische „chirale“ Moleküle enthalten, können noch viel mehr: Sie doppelbrechen zirkular polarisiertes Licht und „doppelreflektieren“ es sogar, wie jetzt von der Harvard University berichtet wird. An der University of Massachusetts hat man zudem die polarisationsabhängige Fluoreszenz einzelner chiraler Moleküle aufgenommen.

Chirale Moleküle besitzen „Händigkeit“: Sie unterscheiden sich von den zu ihnen spiegelbildlichen Molekülen wie die rechte von der linken Hand. Dies führt dazu, dass sie auf rechts- und linksdrehend zirkular polarisiertes Licht unterschiedlich reagieren. Enthält eine Lösung einer chiralen Substanz deutlich mehr Moleküle als Spiegelbildmoleküle, so kommen in ihr die Photonen mit dem einen Drehsinn ein wenig schneller voran als die mit dem entgegengesetzten Drehsinn.

Der „rechte“ Brechungsindex n R einer chiralen Flüssigkeit ist somit vom „linken“ Brechungsindex n L verschieden. Deshalb wird die Schwingungsebene von linear polarisiertem Licht beim Durchgang durch die Flüssigkeit gedreht. Außerdem wird zirkulares polarisiertes Licht beim Übergang von einem normalen, nichtchiralen Medium in eine chirale Flüssigkeit je nach Polarisationsrichtung unterschiedlich stark gebrochen. Diese Doppelbrechung haben Ambarish Ghosh und Peer Fischer von der Harvard University jetzt untersucht.

Da es nur an der Grenzfläche eines chiralen Mediums zur Doppelbrechung kommt, haben Gosh und Fischer den Strahl eines Diodenlasers durch bis zu 20 Grenzflächen hintereinander laufen lassen. Dazu haben sie mehrere hintereinander gestellte Glasküvetten, die abwechselnd mit rechts- und linksdrehenden Limolen-Lösungen gefüllt waren, in den Strahlengang gestellt. Der linear polarisierte Strahl wurde beim Hindernislauf durch die Küvetten in die beiden zirkular polarisierten Komponenten zerlegt, die in unterschiedliche Richtungen gebrochen wurden. Das Bild einer CCD-Kamera zeigte deutlich, wie der Laserstrahl in zwei Lichtflecke aufgeteilt wurde.

Der Unterschied der Brechungsindizes führte neben der Doppelbrechung auch zu einer „Doppelreflexion“. Wenn der Laserstrahl die Limolen-Lösung durchquerte und auf die Grenzfläche zwischen Lösung und Glasküvette traf, so wurde er nicht nur in zwei verschiedene Richtungen gebrochen, sondern auch in zwei geringfügig verschiedene Richtungen in die Lösung zurück reflektiert. Während bei der Lichtreflexion in einer normalen, nichtchiralen Flüssigkeit der Einfalls- und der Ausfallswinkel gleich sind und nicht von der Polarisation abhängen, ist das bei einer chiralen Flüssigkeit nicht so. Hier laufen der rechts- und der linksdrehend zirkular polarisierte Strahl auseinander und bilden einen Winkel, der proportional zur Differenz der beiden Brechungsindizes n R und n L ist. Diese Doppelreflexion konnten Ghosh und Fischer ebenfalls beobachten.

Doppelbrechung und Doppelreflexion eröffnen neue Wege, die optische Aktivität einer Lösung zu messen. Bei bisherigen Messverfahren, die die Drehung der Polarisationsebene des Lichtes durch die Lösung ausnutzten, musste das Licht einen möglichst langen Weg in der Lösung zurücklegen. Entsprechend große Lösungsmengen wurden benötigt. Nutzt man hingegen die Doppelbrechung oder die Doppelreflexion, so reichen deutlich geringere Lösungsmengen aus, wenn man nur hinreichend viele brechende bzw. reflektierende Grenzflächen ins Spiel bringt.

Dass chirale Substanzen unterschiedlich auf rechts- und linksdrehend zirkular polarisiertes Licht reagieren, konnten Ruthanne Hassey und ihre Kollegen von der University of Massachusetts in Amherst an einzelnen Molekülen beobachten. Dazu haben sie eine extrem verdünnte Lösung von chiralen Helicen-Molekülen auf eine Polymerschicht aufgetragen und mit dem Licht eines Argonionenlasers bestrahlt, das sie im Sekundentakt abwechselnd recht- und linksdrehend polarisierten. Mit einem Mikroskop wurde das Fluoreszenzleuchten einzelner Moleküle aufgefangen und von einer CCD-Kamera registriert. Dabei zeigte es sich, dass die Moleküle je nach der gewählten Polarisation unterschiedlich stark leuchteten.

Aus den Fluoreszenzintensitäten I R und I L, die die Forscher für die beiden Polarisationen gemessen hatten, berechneten sie einen „Dissymmetriefaktor“ g = 2(I L–I R)/(I L+I R). Die Ergebnisse zahlreicher Messungen fassten sie zu einem Histogramm für die g-Werte zusammen. Das Histogramm war asymmetrisch um g = 0 und enthielt drei voneinander unabhängige Beiträge, die darauf zurückgehen, dass die Moleküle in drei verschiedenen Ausrichtungen auf der Polymerunterlage sitzen können. Je nach Ausrichtung der Moleküle zeigte ihr Fluoreszenzleuchten eine unterschiedlich starke Polarisationsabhängigkeit. Misst man die gesamte Fluoreszenz einer großen Zahl von Molekülen in einer Lösung, so erhält man ein Signal, das über alle möglichen Molekülausrichtungen gemittelt ist. Zahlreiche Informationen gehen dabei verloren. Das polarisationsabhängige Leuchten der Einzelmoleküle, wie es Ruthanne Hassey und ihre Kollegen jetzt gemessen haben, gibt hingegen einen sehr detaillierten Einblick in die optischen Eigenschaften chiraler Moleküle. Das ließe sich vielleicht nutzen, um effiziente Leuchtdioden für polarisiertes Licht (POLEDs) herzustellen, die man in Displays einsetzen könnte.

Rainer Scharf

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