Oszillationen in Supra-Flüssigkeiten
Wie Suprafluide reibungsfrei um Hindernisse fließen können.
Es gibt Dinge, die eigentlich nicht passieren sollten. So kann etwa Wasser nicht durch die Glaswand von einem Glas in ein anderes fließen. Erstaunlicherweise erlaubt die Quantenmechanik dies jedoch, vorausgesetzt, die Barriere zwischen den zwei Flüssigkeiten ist dünn genug. Durch den quantenmechanischen Tunneleffekt können Teilchen die Barriere durchdringen, selbst wenn die Barriere höher als der Pegel der Flüssigkeiten ist. Noch bemerkenswerter ist, dass dieser Teilchenstrom sogar fließen kann, wenn der Pegel auf beiden Seiten gleich hoch ist oder der Strom geringfügig bergauf fließen muss. Dazu müssen die Flüssigkeiten auf beiden Seiten allerdings Suprafluide sein: Sie müssen reibungsfrei um Hindernisse herum fließen können.
Vorausgesagt wurde dieses frappierende Phänomen von dem britischen Physiker Brian Josephson noch während seiner Doktorarbeit 1962. Es ist von so fundamentaler Bedeutung, dass er dafür 1973 den Nobelpreis erhielt. Getrieben wird der Strom nur durch die Wellennatur der Suprafluide. Er kann unter anderem dafür sorgen, dass das Suprafluid anfängt, zwischen beiden Seiten hin und her zu oszillieren – die Josephson-Oszillationen. Der Josephson-Effekt wurde 1962 auch erstmals zwischen zwei Supraleitern beobachtet. In dem Experiment konnte – in direkter Analogie zum Wasserfluss ohne Pegelunterschied – ein elektrischer Strom ohne Spannungsdifferenz durch einen Tunnelkontakt fließen. Mit dieser Entdeckung wurde der eindrucksvolle Nachweis erbracht, dass die Wellennatur der Materie in Supraleitern selbst in größeren, mit dem Auge sichtbaren Objekten, zu beobachten ist.
Nun ist es den Wissenschaftlern in der Gruppe von Henning Moritz an der Universität Hamburg erstmals gelungen, Josephson-Oszillationen in einem zweidimensionalen Fermigas zu beobachten. Diese Fermigase bestehen aus einer Gaswolke von nur wenigen tausend Atomen. Wenn sie bis auf einige Millionstel Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt gekühlt werden, werden sie suprafluide. Mit ihnen kann man nun Suprafluide untersuchen, in denen die Teilchen stark miteinander wechselwirken und sich nur in zwei Dimensionen bewegen können – eine Kombination, die zentral für die bislang nur unvollständig verstandene Hochtemperatursupraleitung zu sein scheint.
„Wir waren erstaunt, wie klar die Josephson-Oszillationen in unserem Experiment zu sehen waren. Das ist ein eindeutiger Nachweis für die Phasenkohärenz in unserem ultrakalten 2D-Fermigas, also der Tatsache, dass die Wellen auf beiden Seiten der Barriere synchron schwingen", sagt Niclas Luick vom Institut für Laserphysik. „Der hohe Grad an Kontrolle über unser System hat es uns außerdem ermöglicht, die kritische Stromstärke zu vermessen, oberhalb derer die Suprafluidität zusammenbricht.“ „Dieser Durchbruch eröffnet uns viele neue Möglichkeiten, Einblicke in die Natur stark korrelierter 2D-Suprafluide zu gewinnen", sagt Henning Moritz. „Diese Systeme sind von herausragender Bedeutung in der modernen Physik, aber nur sehr schwer theoretisch zu simulieren. Wir freuen uns, mit unserem Experiment dazu beizutragen, diese Quantensysteme besser zu verstehen."
U. Hamburg / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
N. Luick et al.: An ideal Josephson junction in an ultracold two-dimensional Fermi gas, Science 369, 89 (2020), DOI: 10.1126/science.aaz2342 - Institut für Laserphysik (H. Moritz), Universität Hamburg