Per Seismologie in lebende Zellen blicken
Ultrakurze Infrarot-Pulse sollen Mini- und Nao-Beben auslösen.
Wäre es möglich, die seismologischen Verfahren zur Erforschung des Erdinneren zerstörungsfrei auf winzige Strukturen anzuwenden? Ließen sich also mit Methoden der Erdbebenforscher Blicke in lebende Zellen werfen? Wie könnten in den Zellen Schwingungen erzeugt und wie könnten diese nutzbar gemacht werden? Und letztlich, welchen Nutzen hätte das Ganze? Diese auf den ersten Blick kuriose Idee haben die Brüder Volker und Hagen Deckert gemeinsam mit Boris Mizaikoff ausgebrütet. Volker Deckert ist Professor für Nanospektroskopie am Institut für physikalische Chemie, sein Bruder Hagen ist Geologe und leitet innerhalb der gemeinnützigen ITB gGmbH das Institut für geothermisches Ressourcenmanagement in Mainz, Boris Mizaikoff leitet das Institut für analytische und bioanalytische Chemie an der Uni Ulm und ist Institutsleiter bei Hahn-Schickard. Im Prinzip sei es machbar, so Volker Deckert. Ob es tatsächlich eine tragfähige Idee ist, das können die drei Forscher nun in den kommenden zwei Jahren ergründen. Das Forschertrio erhält im Rahmen des „CZS Wildcard“-Programms der Carl-Zeiss-Stiftung eine Fördersumme von 750.000 Euro für sein Projekt „Geowissenschaftlich inspirierte, molekülspezifische 3D-Tiefenanalyse mit Nanometer-Auflösung“.
Die drei Forscher wollen Infrarot-Pulse in die Zelle feuern und dadurch molekülspezifisch Mini- oder genauer Nano-Beben auslösen, ohne dabei die Zelle zu beschädigen. Von den Nano-Beben breiten sich, wie bei Erdbeben, Wellen bis an die Oberfläche aus und dort können sie an mehreren Messpunkten empfindlich aufgezeichnet werden. Mit Hilfe mathematischer Verfahren müsste es dann möglich sein, eine 3D-Analyse des Zellinneren zu erstellen. „So könnten wir, wenn alles klappt, in einer Zellprobe erforschen, an welcher Stelle innerhalb der Zelle ein Virus andockt“, sagt Volker Deckert. Oder es wäre möglich zu bestimmen, wo genau ein Medikament seine Wirkung entfaltet. Nötig seien in jedem Fall ultrafeine Messgeräte und eine störungsfreie Umgebung, aber im Prinzip müsste es gehen, sagt Deckert optimistisch. Zunächst gelte es, die entsprechenden Referenzmethoden zu entwickeln und die Idee zu testen.
Nun gilt es, die Idee praktisch zu erproben. Wie Deckert erläutert, werden sowohl in Jena als auch an den anderen beiden Projektorten Mitarbeiter eingestellt. Der Versuch der praktischen Umsetzung beginnt im nächsten Jahr. Die zwei Jahre Projektlaufzeit seien eine gute Zeit, um die Frage zu lösen, ob die Nano-Beben in der Zelle tatsächlich in Zukunft nutzbringend ausgewertet werden können.
U. Jena / RK
Weitere Infos
- Nanospektroskopie (V. Deckert), Institut für physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena
- Institut für geothermisches Ressourcenmanagement (H. Deckert), ITB – Institut für Innovation, Transfer und Beratung, Bingen
- Institut für analytische und bioanalytische Chemie (B. Mizaikoff), Universität Ulm