Per Teilchenschauer Bauteile durchleuchten
Verbesserte Myonen-Bildgebung für Brücken, Chemieparks und Castor-Behälter.
Energiereiche Myonen können mühelos mehrere Meter Stahl oder Beton durchdringen. Ein Team am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf will die Teilchenstrahlung nutzen, um in das Innere industrieller Apparate oder Bauwerke zu blicken. Das Problem: Myonen-Detektoren, die in der Hochenergie-Physik in Forschungszentren wie dem CERN eingesetzt werden, sind empfindlich und teuer. Deshalb entwickeln Tomographie-Experten des HZDR nun einen Demonstrator: einen kostengünstigen, großflächigen und hochauflösenden Myonen-Detektor für die zerstörungsfreie Zustandsüberwachung. Die Helmholtz-Gemeinschaft fördert das Vorhaben für einen Zeitraum von zwei Jahren mit einer halben Million Euro.
Jede zehnte Brücke in Deutschland weist laut dem Bundesamt für Straßenwesen gravierende Mängel auf. Korrosion greift die Armierung im Beton an. Deshalb werden Brücken regelmäßig überprüft. Für die Grundstoff-Industrie ist das ständige Monitoring von Produktionsanlagen ebenfalls unerlässlich – und zudem mit immensen Kosten verbunden. Bis zu fünfzig Meter hohe Destillationskolonnen, große Stahlguss-Anlagen oder Drehrohr-Öfen für die Verbrennung von Rückständen müssen stillstehen, denn nur so können Anzeichen von Verschleiß entdeckt werden. Und wie steht es um den Zustand der abgebrannten Brennelemente, die sich in den derzeit 17 Zwischenlagern in Deutschland in Lagerbehältern befinden?
„Theoretisch eignet sich die Myonen-Bildgebung für solche Anwendungsfälle ganz hervorragend“, erklärt Uwe Hampel vom HZDR. Myonen sind Teil der kosmischen Strahlung. Die geladenen Teilchen sind äußerst energiereich und dringen tief in Materialien ein. Mithilfe hochauflösender Detektoren lassen sich deshalb dreidimensionale Bilder vom Inneren großer Industrieanlagen und Bauwerke gewinnen. „Für das Monitoring sind die vorhandenen Detektortypen jedoch nicht robust genug und viel zu teuer“, erläutert Hampel. Die aufwendige Fertigung einerseits und die Anzahl der Elektronik-Kanäle, die für hochauflösende Bilder nötig sind, treiben die Kosten in die Höhe.
Nun sollen neue Ideen der Myonen-Bildgebung zum Durchbruch verhelfen: Dazu zählen Detektorkonzepte mit einer speziellen Matrixstruktur für die Elektronik, die Hampels Team ursprünglich für einen patentierten Gittersensor entworfen hatte. „Unsere Struktur zeichnet sich dadurch aus, dass wir in der Fläche hocheffizient Signale orten und weiterleiten können, um sie anschließend mit eigens entwickelten Algorithmen auszuwerten. Dieses Schema auf Myonen-Detektoren zu übertragen, ist uns bereits gelungen“, berichtet Hampel.
Die Matrixstruktur eignet sich prinzipiell sowohl für die Drahtelektroden eines Gasionisationsdetektors wie für die optischen Fasern eines Szintillationsdetektors. Ein weiterer Vorteil: Dank des durchdachten Adressierungsschemas lassen sich sowohl die Anzahl der Elektronik-Kanäle als auch die Kosten für die Detektoren drastisch reduzieren.
Im Rahmen des Projekts wollen die Forscher verschiedene Detektor-Prinzipien vergleichend analysieren. „Insbesondere interessiert uns dabei, ob sich die Testdetektoren im industriellen Umfeld – also bei Temperaturschwankungen oder Vibrationen – als robust erweisen“, erklärt Hampel. Mit dem gewonnenen Wissen will er mit seinem Team einen Prototyp bauen und gemeinsam mit potenziellen Anwendern experimentell erproben. Mit im Boot sind dabei das EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen, die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung sowie die BASF.
Noch ist die Idee darauf beschränkt, Anlagen und Bauwerke mit modular aufgebauten, mobilen Detektoren in Intervallen zu überprüfen, doch Hampel verfolgt eine klare Vision: „Wir wollen langfristig die Kosten für Sensoren und Messtechnik so weit senken, dass eine stationäre Langzeit-Überwachung möglich wird.“
HZDR / RK
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