11.05.2017

Perfekte Molekülkontrolle mit Quantenlogik

Ein Molekül wurde mit Hilfe eines Atoms in den gewünschten Quantenzustand gebracht.

Am National Institute of Standards and Tech­nology (NIST) in Boulder, Colorado, hat man einzelne Molekül­ionen in bestimmte Rotations­zustände sowie in eine kohärente Über­lagerung solcher Zustände gebracht. Dadurch werden Präzisions­messungen an Molekülen möglich.

Abb.: Quantenlogik mit Molekül und Atom: Das Ca-Ion und das rotierende CaH-Ion führen in der Ionenfalle gemeinsame Schwingungen aus. Laserlicht kühlt das Ca-Ion und indirekt auch das CaH-Ion, sodass alle Schwingungen aufhören (re. o.). Bringt ein zweiter Laserstrahl das CaH-Ion in den gewünschten Rotationszustand (li. u), so setzen die Schwingungen wieder ein. Nur dann kann das Ca-Ion zum Leuchten (re. u.) angeregt werden. (Bild: N. Hanacek / NIST)

Während man einzelne Atome mit Licht auf extrem tiefe Tempera­turen gekühlt hat und in nahezu belie­biger Weise mani­pulieren kann, ist die Kühlung und Kontrolle von Molekülen noch nicht so weit fort­geschritten. Das liegt vor allem an der Vielzahl von mole­kularen Schwingungs- und Rotations­zuständen, die den Forschern das Leben schwer machen. Durch Energie­aufnahme wechselt das Molekül ständig seinen Zustand, noch bevor man ihn unter­suchen oder zur Laser­kühlung nutzen kann.

Doch jetzt haben Forscher um Dietrich Leibfried vom NIST in Boulder ein Verfahren ent­wickelt, mit dem sie einzelne Molekül­ionen kontrol­liert in einen bestimmten Rotations­zustand bringen können, wobei sich das Molekül bezüglich der Schwingungen und elek­tronischen Anregungen im Grund­zustand befindet. Dabei haben sie ein Verfahren benutzt, das vor acht Jahren am NIST für eine quanten­logischen Atomuhr verwendet wurde.

Bei dieser Atomuhr gab ein optischer Übergang in einem Aluminium­ion, das in einer Ionen­falle saß, den Takt vor. Hatte ein abstimm­barer Laser die richtige „Uhren­frequenz“, so regte er das Aluminium­ion an. Ob es zu einer Anregung gekommen war, wurde störungs­frei mit einem Beryllium­ion beo­bachtet, das ebenfalls in der Falle war, sodass beide Ionen gemeinsam schwingen konnten. War das Alu­miniumion im Ausgangs­zustand, so blieb das von einem anderen Laser bestrahlte Beryllium­ion dunkel; war das Alu­miniumion angeregt, so leuchtete das Beryllium­ion auf. So ließ sich fest­stellen, ob der erste Laser exakt auf die „Uhren­frequenz“ abgestimmt war.

Diese Quanten­logik, bei der der Zustand eines Quanten­systems eines Alu­miniumions oder eines Moleküls mit Hilfe eines Atoms störungs­frei beo­bachtet werden kann, liegt auch dem neuen NIST-Expe­riment zu Grunde. Zunächst haben die Forscher zwei Calcium-40-Ionen in eine Ionen­falle gebracht, bei Zimmer­temperatur und im Ultra­hochvakuum. Dann ließen sie so lange Wasser­stoffgas ins Vakuum strömen, bis eines der beiden Ca-Ionen ein H-Atom einfing und ein CaH-Ion entstand.

Die beiden Ionen in der Falle stießen einander ab. Sie waren somit gekoppelt und konnten gemeinsam schwingen. Indem die Forscher das Ca-Ion mit Laser­strahlung kühlten, brachten sie die gemein­samen Schwingungen der beiden Ionen in den Grund­zustand und kühlten dabei auch das CaH-Molekül in den Grund­zustand bezüglich der elek­tronischen Anre­gungen und der Molekül­schwingung. Die Rota­tionen ließen sich auf diese Weise jedoch nicht beein­flussen, sodass das Molekül in einem unbe­kannten Rotations­zustand war.

Dann beleuch­teten die Forscher das Molekül mit Laser­strahlung, die so bemessen war, dass es von einem bestimmten anfäng­lichen Rotations­zustand in einen anderen angeregt wurde – voraus­gesetzt, es befand zufällig sich in diesem Anfangs­zustand. War dies der Fall, so führte die Anregung dazu, dass die beiden Ionen ihre gemein­samen Schwingungen wieder aufnahmen, dass also Schwingungs­quanten oder Phononen vorhanden waren.

Dadurch konnte ein zweiter Laser, unter Ver­nichtung eines solchen Phonons, das Ca-Ion zu einem Spinflip anregen, sodass es aufleuch­tete. Hatte das Molekül hingegen den Rotations­übergang nicht gemacht, so gab es keine Phononen und das Ca-Ion blieb dunkel. Am Ca-Ion ließ sich also störungs­frei ablesen, ob das Molekül tat­sächlich in den ge­wünschten Rotations­zustand gelangt war oder nicht. Von diesem Rotations­zustand ausgehend konnten die Forscher das Molekül auch in eine kohärente Über­lagerung von ver­schiedenen Rotations­zuständen bringen, deren relative Phasen kontrol­liert werden konnten. An solchen Überlagerungs­zuständen lassen sich extrem genaue spektro­skopische Messungen vor­nehmen.

Ein großer Vorteil des neuen Verfahrens besteht darin, dass es bei Benutzung derselben Laser auf eine Vielzahl von Molekül­arten angewandt werden kann. Bisher konnten die Moleküle nur in Zustände mit einem bestimmten Gesamt­drehimpuls anregt werden. Mit einem Frequenz­kamm wollen die Forscher auch Über­gänge zwischen Zuständen mit unter­schiedlichen Drehimpuls­quanten­zahlen realisieren. Es sieht ganz danach aus, als könnte die Mani­pulation von mole­kularen Quanten­zuständen den Grand von Perfektion erreichen, der für Präzisions­messungen und für die Quanten­informations­verarbeitung benötigt wird.

Rainer Scharf

JOL

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