Perfekte Molekülkontrolle mit Quantenlogik
Ein Molekül wurde mit Hilfe eines Atoms in den gewünschten Quantenzustand gebracht.
Am National Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder, Colorado, hat man einzelne Molekülionen in bestimmte Rotationszustände sowie in eine kohärente Überlagerung solcher Zustände gebracht. Dadurch werden Präzisionsmessungen an Molekülen möglich.
Abb.: Quantenlogik mit Molekül und Atom: Das Ca-Ion und das rotierende CaH-Ion führen in der Ionenfalle gemeinsame Schwingungen aus. Laserlicht kühlt das Ca-Ion und indirekt auch das CaH-Ion, sodass alle Schwingungen aufhören (re. o.). Bringt ein zweiter Laserstrahl das CaH-Ion in den gewünschten Rotationszustand (li. u), so setzen die Schwingungen wieder ein. Nur dann kann das Ca-Ion zum Leuchten (re. u.) angeregt werden. (Bild: N. Hanacek / NIST)
Während man einzelne Atome mit Licht auf extrem tiefe Temperaturen gekühlt hat und in nahezu beliebiger Weise manipulieren kann, ist die Kühlung und Kontrolle von Molekülen noch nicht so weit fortgeschritten. Das liegt vor allem an der Vielzahl von molekularen Schwingungs- und Rotationszuständen, die den Forschern das Leben schwer machen. Durch Energieaufnahme wechselt das Molekül ständig seinen Zustand, noch bevor man ihn untersuchen oder zur Laserkühlung nutzen kann.
Doch jetzt haben Forscher um Dietrich Leibfried vom NIST in Boulder ein Verfahren entwickelt, mit dem sie einzelne Molekülionen kontrolliert in einen bestimmten Rotationszustand bringen können, wobei sich das Molekül bezüglich der Schwingungen und elektronischen Anregungen im Grundzustand befindet. Dabei haben sie ein Verfahren benutzt, das vor acht Jahren am NIST für eine quantenlogischen Atomuhr verwendet wurde.
Bei dieser Atomuhr gab ein optischer Übergang in einem Aluminiumion, das in einer Ionenfalle saß, den Takt vor. Hatte ein abstimmbarer Laser die richtige „Uhrenfrequenz“, so regte er das Aluminiumion an. Ob es zu einer Anregung gekommen war, wurde störungsfrei mit einem Berylliumion beobachtet, das ebenfalls in der Falle war, sodass beide Ionen gemeinsam schwingen konnten. War das Aluminiumion im Ausgangszustand, so blieb das von einem anderen Laser bestrahlte Berylliumion dunkel; war das Aluminiumion angeregt, so leuchtete das Berylliumion auf. So ließ sich feststellen, ob der erste Laser exakt auf die „Uhrenfrequenz“ abgestimmt war.
Diese Quantenlogik, bei der der Zustand eines Quantensystems eines Aluminiumions oder eines Moleküls mit Hilfe eines Atoms störungsfrei beobachtet werden kann, liegt auch dem neuen NIST-Experiment zu Grunde. Zunächst haben die Forscher zwei Calcium-40-Ionen in eine Ionenfalle gebracht, bei Zimmertemperatur und im Ultrahochvakuum. Dann ließen sie so lange Wasserstoffgas ins Vakuum strömen, bis eines der beiden Ca-Ionen ein H-Atom einfing und ein CaH-Ion entstand.
Die beiden Ionen in der Falle stießen einander ab. Sie waren somit gekoppelt und konnten gemeinsam schwingen. Indem die Forscher das Ca-Ion mit Laserstrahlung kühlten, brachten sie die gemeinsamen Schwingungen der beiden Ionen in den Grundzustand und kühlten dabei auch das CaH-Molekül in den Grundzustand bezüglich der elektronischen Anregungen und der Molekülschwingung. Die Rotationen ließen sich auf diese Weise jedoch nicht beeinflussen, sodass das Molekül in einem unbekannten Rotationszustand war.
Dann beleuchteten die Forscher das Molekül mit Laserstrahlung, die so bemessen war, dass es von einem bestimmten anfänglichen Rotationszustand in einen anderen angeregt wurde – vorausgesetzt, es befand zufällig sich in diesem Anfangszustand. War dies der Fall, so führte die Anregung dazu, dass die beiden Ionen ihre gemeinsamen Schwingungen wieder aufnahmen, dass also Schwingungsquanten oder Phononen vorhanden waren.
Dadurch konnte ein zweiter Laser, unter Vernichtung eines solchen Phonons, das Ca-Ion zu einem Spinflip anregen, sodass es aufleuchtete. Hatte das Molekül hingegen den Rotationsübergang nicht gemacht, so gab es keine Phononen und das Ca-Ion blieb dunkel. Am Ca-Ion ließ sich also störungsfrei ablesen, ob das Molekül tatsächlich in den gewünschten Rotationszustand gelangt war oder nicht. Von diesem Rotationszustand ausgehend konnten die Forscher das Molekül auch in eine kohärente Überlagerung von verschiedenen Rotationszuständen bringen, deren relative Phasen kontrolliert werden konnten. An solchen Überlagerungszuständen lassen sich extrem genaue spektroskopische Messungen vornehmen.
Ein großer Vorteil des neuen Verfahrens besteht darin, dass es bei Benutzung derselben Laser auf eine Vielzahl von Molekülarten angewandt werden kann. Bisher konnten die Moleküle nur in Zustände mit einem bestimmten Gesamtdrehimpuls anregt werden. Mit einem Frequenzkamm wollen die Forscher auch Übergänge zwischen Zuständen mit unterschiedlichen Drehimpulsquantenzahlen realisieren. Es sieht ganz danach aus, als könnte die Manipulation von molekularen Quantenzuständen den Grand von Perfektion erreichen, der für Präzisionsmessungen und für die Quanteninformationsverarbeitung benötigt wird.
Rainer Scharf
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