02.09.2015

Permanentmagnete in einem Rutsch recyceln

Rascherstarrung ermöglicht effiziente Rückgewinnung seltener Erden.

Die Rotoren drehen sich surrend im Wind und versorgen die Netze mit Strom. Damit die Anlagen möglichst störungsfrei laufen und eine hohe Energie­ausbeute erzielen, stecken in der neusten Generation statt eines Getriebes immer öfter starke, tonnenschwere Permanentmagnete. Auch in Autos leisten solche Magnete gute Dienste: Mit ihnen lassen sich die zahlreichen elektrischen Stellmotoren, die beispielsweise Scheibenwischer antreiben, deutlich kleiner und leichter auslegen. Die leistungsstärksten Permanent­magnete basieren auf Neodym, Eisen und Bor. Auch Dysprosium ist oftmals enthalten. Das Problem: Während Eisen und Bor gut verfügbar sind, ist die Versorgung mit Neodym und Dysprosium kritisch. Denn diese seltenen Erden werden unter schwierigen Bedingungen und mit viel Energieaufwand gewonnen. Sie sind daher vergleichsweise teuer, und ihre Gewinnung hinterlässt einen ökologischen Fußabdruck. Zudem stammen diese Elemente zu über neunzig Prozent aus China, knapp die Hälfte der weltweit verfügbaren Reserven liegt dort.

Abb.: Beim Recyceln von Permanentmagneten setzen die Forscher auf den Melt-Spinning-Prozess. (Bild: IWKS, ISC)

Forscher versuchen daher, Magnete zu recyceln. Bislang heißt das: Sie ziehen die einzelnen seltenen Erden aus dem Magneten wieder heraus. Das ist jedoch sehr aufwändig und kostenintensiv. Einen anderen Ansatz verfolgen Wissenschaftler der Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS in Alzenau und Hanau des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC. „Statt jede seltene Erde einzeln wiederzugewinnen, recyceln wir den kompletten Werkstoff, also den gesamten Magneten – und das in wenigen Schritten“, erläutert Oliver Diehl von der Projektgruppe IWKS. „Der Prozess ist deutlich einfacher und effizienter, denn die Zusammen­setzung des Materials ist bereits wie gewünscht.“

Die Wissenschaftler setzen dabei auf das Melt-Spinning-Verfahren – eine Methode, die sich für andere Legierungen bereits bewährt hat. Bekannter ist das Verfahren als „Rascherstarrung“. Der Name ist dabei Programm: Die Forscher verflüssigen den Magneten in einem Schmelztiegel. Über eine Düse gelangt das flüssige, über tausend Grad Celsius heiße Material auf ein wassergekühltes Kupferrad, das sich mit einer Geschwindigkeit von 10 bis 35 Metern pro Sekunde dreht. Sobald der Schmelztropfen das Kupfer berührt, gibt er seine Hitze innerhalb von Sekundenbruchteilen an das Metall ab und erstarrt. Die entstehenden Gebilde nennen die Forscher „Flakes“. Das Besondere ist die Struktur, die sich in den Flakes bildet. Ließe man die Schmelze auf übliche Weise erstarren, würden die Atome sich in Reih und Glied in einem Kristallgitter anordnen. Das Melt-Spinning-Verfahren dagegen vermeidet die Kristallisation: Es entsteht wahlweise eine amorphe Struktur, bei der die Atome vollkommen unregelmäßig angeordnet sind, oder eine nanokristalline Struktur, bei der sich die Atome nur in nanometergroßen Bereichen in einer Kristallstruktur anordnen. Der Vorteil: Die Korngrößen – also die Bereiche gleicher Kristallstruktur – lassen sich gezielt variieren. Über sie kann man auch die Eigenschaften des Permanentmagneten verändern. In einem weiteren Schritt zermahlen die Forscher die Flakes zu einem Pulver, das sich weiterverarbeiten lässt. „Wir pressen es zu seiner endgültigen Form“, so Diehl.

Eine Demonstrationsanlage haben die Wissenschaftler bereits aufgebaut und konnten dort Magnete wiederverwerten. „Die Demoanlage kann bis zu einem halben Kilogramm Schmelze verarbeiten und liegt damit zwischen einer Labor- und einer Großanlage“, so Diehl. Nun optimieren die Forscher die Eigenschaften der recycelten Magnete, indem sie das Melt-Spinning-Verfahren variieren – wie zum Beispiel die Geschwindigkeit des Kupferrades oder die Temperatur der Schmelze während des Prozesses der Rasch­erstarrung. Beides hat Einfluss auf die Abkühlrate und damit letztlich auf die Kristallstruktur des erstarrten Materials.

Bis dato lassen sich die Magnete jedoch nur schwer aus den Motoren entfernen. Die Wissenschaftler entwickeln daher mögliche Wege für eine Rücklaufkette von Altmotoren, ebenso wie für eine demontagegerechte Konstruktion: Wie ließen sich die Motoren alternativ aufbauen, so dass die Magnete später leicht ausgebaut werden können? Welche Kosten entstehen, ist momentan noch schwer zu beantworten. „Der zu erwartende finanzielle Vorteil bei der Wiederverwertung der Magnete hängt nicht nur vom Recycling-Prozess ab, sondern auch von der Preisentwicklung der seltenen Erden", sagt Diehl. „Je höher die Rohstoffpreise für seltene Erden sind, desto mehr lohnt es sich, auf die bereits vorhandenen Materialien zurückzugreifen.“

FG / RK

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