20.08.2019

Pfiffiger Ventiltrieb senkt Verbrauch

Optimierter Gaswechsel und weniger Reibung sparen bis zu zwanzig Prozent Treibstoff.

Bislang werden die Gaswechsel­ventile von Viertak­tmotoren über Nockenwellen angesteuert. Trotz teilweise aufwändiger Zusatz­mechanik bleibt die Flexibilität solcher Motoren begrenzt. Am Forschungs­zentrum Empa in der Schweiz wurde nun ein neuartiger, elektro­hydraulisch betätigter Ventiltrieb entwickelt, der völlig freie Verstell­barkeit von Hub und Steuerzeiten ermöglicht, dabei gleichzeitig robust und preisgünstig zu realisieren ist. Dieser Ventiltrieb wurde auf einen Serienmotor aufgebaut und läuft seit mehreren Monaten erfolgreich im Prüfstandbetrieb. In für Personenwagen typischen Betriebs­zutänden spart die neue Technik bis zu zwanzig Prozent Treibstoff.

Abb.: Projekt­leiter Patrik Soltic (m.) mit seinen Kollegen Andyn Omanovic und...
Abb.: Projekt­leiter Patrik Soltic (m.) mit seinen Kollegen Andyn Omanovic und Norbert Zsiga vor einem Modell der Ventil­steuerung FlexWork. (Bild: Empa)

Der Ventiltrieb ist quasi das Atmungsorgan von Verbrennungs­motoren: Er steuert die Zufuhr von Frischluft und die Ableitung der Abgase, was als Gaswechsel bezeichnet wird. Dazu werden heute in Serie ausschließlich mechanisch angetriebene Nocken­wellen eingesetzt, häufig ausgerüstet mit einer teilweise recht aufwändigen Zusatzmechanik. Damit kann ein von der Nockenwelle vorgegebenes Ventil­bewegungsmuster modifiziert werden, was nicht ohne erhöhte Reibung möglich ist. Ebenso ist die Flexi­bilität nicht im gewünschten Mass gegeben. Gesucht – unter anderem auch für die Anpassung an wechselnde Treibstoff­eigenschaften – sind schnelle Ventil­bewegungen auch bei niedrigen Drehzahlen, Hubanpassungen und zylinder­selektive breit variable Ventil­steuerzeiten.

Patrik Soltic und sein Team an der Abteilung Fahrzeugsantriebs­systeme erfanden und entwickelten, gemeinsam mit dem Hydraulik­spezialisten Wolfgang Schneider, einen elektro­hydraulischen Ventiltrieb, der gegenüber heutiger Serientechnik deutlich flexibler ist. Die Ventile werden hydraulisch betätigt und einzeln über eine Magnetspule elektrisch angesteuert. Sobald ein Steuerstrom fließt, öffnet sich ein speziell ausgelegtes Hydraulikventil, welches erlaubt, dass Hydraulik­flüssigkeit das Gaswechselventil in Milli­sekunden gegen eine Feder auf den gewünschten Hub öffnet. Wird der Strom abgeschaltet, schließt sich das Gaswechselventil durch die Federkraft wieder und speist dabei den Großteil der zum Öffnen benötigten hydrau­lischen Energie zurück in das Hydraulik­system. Das System erreicht über weite Betriebs­bereiche einen deutlich geringeren Energiebedarf als nockenwellen­getriebene Systeme. Zusammen mit einem optimierten Gaswechsel ist der Treibstoff­verbrauch des Versuchs-Ottomotors in für Personenwagen typischen Tieflast­bereich rund zwanzig Prozent geringer als bei klassischer Laststeuerung mittels Drosselklappe in Kombination mit einer Ventil­steuerung über Nockenwellen.

Durch die Wahl der Betriebs­parameter können Öffnungs- und Schließzeit sowie der Ventilhub für jeden Zylinder völlig frei eingestellt werden. Damit kann jeder Motorbetriebs­zustand von Arbeitszyklus zu Arbeitszyklus verändert werden, zum Beispiel durch eine intelligente Lastregelung, durch die Wahl der im Zylinder verbleibenden Restgasmenge (Abgas­rückführung), oder durch eine für den Fahrer nicht bemerkbaren Deak­tivierung nicht benötigter Zylinder. Dies macht den Motor höchst anpassungsfähig für neue erneuerbare Treibstoffe: Sauerstoff­haltige Treibstoffe wie Methanol oder Ethanol erlauben zum Beispiel mehr Restgas im Zylinder zu belassen. Erdgas Biogas und aus Wind- und Solarstrom erzeugtes Syngas, besitzen erhöhte Klopf­festigkeit: auch darauf kann der Ventiltrieb flexibel reagieren. Zudem lassen sich auch alternative Verbrennungs­konzepte vergleichsweise einfach realisieren, zum Beispiel eine homogene Selbstzündung: ein Treibstoff-Luft Gemisch wird durch die Einstellung der korrekten Bedingungen gegen Verdichtungs­ende im richtigen Moment ohne Zündfunken selbst entflammt und praktisch schadstoff­frei verbrannt.

Eine weitere Spezialität des an der Empa aufgebauten Systems ist die Wahl der Hydraulik­flüssigkeit: Anstatt wie üblich ein Öl zu verwenden, wird ein Wasser-Glykolgemisch, also Motor­kühlwasser, eingesetzt. Dieses Medium eignet sich aufgrund der physi­kalischen Eigenschaften sehr gut für schnell schaltende hydraulische Systeme, da es sehr steif ist und folglich weniger Verluste verursacht. Dadurch wird der Zylinder­kopf komplett ölfrei, was dazu führen kann, dass für den restlichen Motor ein einfacheres Motorenöl mit längeren Wechsel­intervallen eingesetzt werden kann.

Im Rahmen des Projekts „FlexWork“ wurde der neue Ventiltrieb in einem mit Erdgas betriebenen – von einem VW-1.4l TSI-Motor abgeleiteten - Personen­wagenmotor in Betrieb genommen. Das Steuerungssystem für den Versuchsmotor entwickelten die Forscher selbst. Der Ventiltrieb läuft seit Oktober 2018 auf einem Motor­prüfstand der Empa und hat bereits viele Millionen Betätigungen im befeuerten Motor­betrieb problemlos überstanden. Die FlexWork-Ventilsteuerung kommt dabei mit preisg­ünstigen Komponenten aus. Es werden keine teuren, sehr schnell schaltenden Ventile und keine aufwändige Sensorik benötigt. Die Empa ist in Gesprächen mit Motoren­herstellern für den Transfer dieser Technologie, die sich nicht nur für Verbrennungs­motoren, sondern auch für Kompressoren eignet.

Empa / JOL

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