01.08.2017

Phasenwechsel am absoluten Nullpunkt

Neue Methode soll das Verhalten quantenkritischer Materalien besser beschreiben.

Normaler­weise muss sich die Temperatur ändern, damit man einen Phasen­übergang beobachten kann: Es wird kalt, und eine Flüssig­keit gefriert; ein Metall wird heiß und verliert seine magne­tischen Eigen­schaften. Doch es gibt auch Phasen­übergänge, bei denen sich die Temperatur nicht ändern kann, weil sie direkt am absoluten Temperatur-Nullpunkt statt­finden. Man spricht dann von quanten­kritischen Punkten. Sie werden seit Jahren intensiv erforscht, halten aber noch immer große Rätsel der Quanten­physik bereit.

Abb.: Quantenkritische Effekte zeigen sich bei Phasenübergängen am absoluten Nullpunkt. (Bild: TU Wien)

So gibt es etwa bis heute kein umfas­sendes theo­retisches Modell für die Hoch­temperatur-Supra­leitung, die vermutlich mit den quanten­kritischen Punkten eng zusammen­hängt. Dabei könnte ein solches Modell viele nützliche technische Anwen­dungen hervorbringen. Thomas Schäfer, Karsten Held und Alessandro Toschi vom Institut für Festkörper­physik der TU Wien arbeiten an einem besseren Verständnis dieser Phänomene. „Normaler­weise sind thermische Fluk­tuationen für Phasen­übergänge verant­wortlich“, erklärt Schäfer. „Auf ganz zufällige Weise beginnen zum Beispiel einzelne Teilchen zu wackeln oder sich zu drehen. Je höher die Temperatur, umso ausge­prägter werden diese Fluk­tuationen, und das kann zu einem Phasen­übergang führen – zum Beispiel zum Schmelzen eines Fest­körpers.“

Verringert man die Temperatur, dann gehen die Bewegungen der Teilchen immer mehr zurück, bis sie sich am absoluten Nullpunkt eigent­lich gar nicht mehr bewegen sollten. Somit, so könnte man annehmen, müsste am absoluten Tempe­ratur-Nullpunkt voll­kommene Ruhe eingekehrt sein, bei der sich nichts mehr verändern kann. Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. „Die Quanten­physik verbietet, dass sich ein Teilchen völlig ruhig an einem ganz bestimmten Ort aufhält“, sagt Toschi. „Die Unschärfe­relation von Heisen­berg sagt uns, dass Ort und Impuls nicht völlig exakt bestimmt sein können. Daher können sich Ort und Impuls des Teilchens auch am abso­luten Nullpunkt ändern, auch wenn die klas­sischen ther­mischen Fluk­tuationen verschwunden sind. Man spricht dann von Quanten­fluktua­tionen.“ Wenn es also zu kalt ist, um klas­sische Wackel­bewegungen zu erlauben, sorgt immer noch die Quanten­physik dafür, dass physi­kalisch interessante Dinge geschehen können. Und genau deshalb sind Phasen­übergänge beim Temperatur-Null­punkt so interessant.

„Ent­scheidend für das Verhalten der Teilchen ist, wie ihr Impuls mit der Energie zusammen­hängt“, sagt Schäfer. Bei einer Kugel, die durch die Luft geworfen wird, ist der Zusammen­hang einfach: Je höher der Impuls, umso höher die Bewegungs­energie. Die Energie steigt mit dem Quadrat des Impulses. Bei Teilchen in einem Festkörper ist dieser Zusammen­hang aber viel komplizierter. Je nach Richtung, in die sich das Teilchen bewegt, kann er ganz unter­schiedlich aussehen. Man stellt diesen Zusammen­hang daher mit Fermi-Flächen dar, die kompli­zierte drei­dimensionale Formen annehmen können.

„Bisher dachte man, dass die Form dieser Fermi-Flächen bei Quanten­phasenüber­gängen keine wichtige Rolle spielt“, sagt Held. „Wir konnten nun zeigen, dass das nicht so ist. Erst wenn man die Form berück­sichtigt, kann man bestimmte physi­kalische Effekte korrekt berechnen – zum Beispiel die Art, wie sich magne­tische Eigen­schaften eines Materials verändern, wenn man sich dem abso­luten Nullpunkt nähert.“ Mit diesem neuen Werkzeug hoffen die Forscher nun, quanten­kritische Materialien besser beschreiben zu können. Und vielleicht lassen sich so einige der großen Geheim­nisse lüften, an denen in der Material­wissenschaft seit Jahren so intensiv geforscht wird.

TU Wien / JOL

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