22.01.2018

Photoeffekt beschleunigt Protonentransport

Unter Sonnenlicht können Protonen eine Graphenschicht zehnmal schneller durchdringen.

Seine dichte Elektronen­wolke macht selbst eine einzige Lage Graphen undurch­lässig für Atome und Moleküle. Sogar Wasser­stoff braucht statistisch betrachtet mehrere Milliarden Jahre, um von einer Seite auf die andere zu wechseln. Dennoch stellte eine Forscher­gruppe um Nobelpreisträger Andre Geim von der Univer­sität Manchester bereits 2014 fest, dass einzelne Protonen Graphen sehr wohl durchdringen können – ein Umstand, der für unzählige techno­logische Anwendungen von der Wasserstoff­gewinnung bis zur Brennstoff­zelle von größter Bedeutung sein könnte. In einer neuen Studie haben Geim und seine Kollegen ihr System nun auf Licht­empfindlich­keit untersucht und dabei eine weitere Überraschung erlebt: Bereits moderate Bestrahlung mit weißem Licht kann die Rate des Protonen­transports verzehnfachen.

Abb.: Illustration eines Protonenflusses durch Graphenschichten. (Bild: M. Lozada-Hidalgo et al., NPG)

Nur sehr schnelle Atome verfügen über genügend kinetische Energie, um eine Monolage Graphen zu durchdringen. Dennoch ist das Material selbst als perfektes Kristall­gitter mit einer Energie­barriere von nur etwa einem Elektro­nenvolt durchlässig für thermische Protonen. Um den Effekt zu messen, verwendete Geims Team bereits 2014 ein mehr­schichtiges System bestehend aus einer Elektrode, die die Protonen injizierte und einem speziellen Polymer, dass die Protonen zur Kathode aus Graphen weiter­leitete. Auf der Rückseite der Kathode waren Platin-Nano­partikel aufgebracht, die als Katalysatoren dienten, wo sich die transportierten Protonen mit Elektronen zu Wasser­stoffmole­külen verbanden.

In ihrer aktuellen Studie verwen­deten die Forscher ein ähnliches System: Zunächst spannten sie das Graphen mittels mecha­nischem Abblättern über zehn Mikro­meter durch­messende, in einen Silizium­nitrat-Film geätzte Löcher. Auf das frei hängende Graphen­netz brachten sie anschließend auf der einen Seite mittels Elektronen­strahlver­dampfung die Nanopartikel aus Platin auf. Auf die andere Seite setzten sie einen Tropfen des leitenden Polymers und kontak­tierten das Material mit der Elektrode. Das Graphen diente dabei gleichzeitig als Kathode und als für Protonen durch­lässige Membran. Lag eine Spannung an, konnte nicht nur ein Strom zwischen Elektrode und Kathode gemessen werden. Da sie der gesamte Aufbau in einer Vakuumkammer befand, war es auch möglich, die Wasserstoff­atome, die das Graphen verließen, mittels eines Massen­spektrometers direkt zu detek­tieren.

Wurde das Graphen dabei mit simu­lierter Sonnen­strahlung mit einer Intensität von 100 Milliwatt pro Quadrat­zentimeter bestrahlt, verzehnfachte sich das Verhältnis des gemessenen Stroms zur angelegten Spannung. Für schwache Strahlungs­leistungen von weniger als fünf Milliwatt pro Quadrat­zentimeter zeigte sich ein linearer Zusammenhang zwischen Strom und Spannung von etwa 10.000 Ampere pro Watt, was einer Ausbeute von 10.000 Protonen pro auftreffendem Photon entspricht. Höhere Strahlungs­leistungen dagegen führten zu einer Sättigung des Stroms.

Abb.: Schmematischer Aufbau des Experiments zur Messung des Protonenflusses durch Graphen. (Bild: M. Lozada-Hidalgo et al., NPG)

Wie die Forscher betonen, fanden sie keinerlei Anzeichen für eine Abnahme der Leistung unter lang anhal­tender, durch­gehender Bestrahlung und auch nach mehreren Monaten Pause konnten wieder dieselben Werte erreicht werden. Aus Experi­menten mit gepulster Bestrahlung ließ sich eine Antwort­zeit von weniger als fünfzig Mikro­sekunden zwischen Lichtpuls und Stromsignal ermitteln und es zeigte sich, dass das System über mindestens eine Million Ein-Aus-Zyklen stabil bleibt. Im unter­suchten Wellenlängen­bereich zwischen 450 und 1480 Nanometer fand sich keinerlei spektrale Abhängig­keit der Effizienz. Diese Eckdaten empfehlen das neue System auch als möglichen Photo­detektor. Zum Vergleich: Herkömmliche, kommer­zielle Detektoren auf Silizium­basis haben Ansprech­zeiten von bis zu einer Millisekunde bei einer Empfind­lichkeit von nur etwa 100 Milliampere pro Watt.

Neben einfachen Strom­messungen führten Geim und sein Team auch direkte Messungen des Protonen­flusses durch. Dazu verwendeten sie die Anordnung als eine Art elektro­chemische Pumpe zwischen zwei Vakuumkammern. Eine Kammer war mit einem Gemisch aus gas­förmigem Wasser und mole­kularem Wasserstoff gefüllt. Ihr war die für die Injektion der Protonen verant­wortliche Anode zugewandt. Die andere war evakuiert und nahm die aus der Graphen­kathode aus­strömenden Wasserstoff­moleküle auf, um sie an ein Massenspektrometer weiterzu­leiten. Ohne angelegte Spannung konnte auch kein Wasser­stoff detektiert werden. Lag dagegen eine Spannung an, entfaltete die Pumpe ihre volle Leistung und zeigte eine Fara­daysche Effizienz von hundert Prozent: für jeweils zwei Elektronen, die den Schaltkreis durchliefen, tauchte ein Wasserstoff­molekül in der eva­kuierten Kammer auf.

Was mögliche Anwen­dungen des neuen Systems betrifft, hebt Geim neben einer möglichen Verwendung als Photo­detektor vor allem das Potenzial für den Einsatz als Trenn­membran in Brennstoff­zellen aber auch für die Spaltung von Wasser oder die Trennung von Wasser­stoffiso­topen hervor. „Es handelt sich im Wesent­lichen um ein neues experimen­telles System, im dem Protonen, Elektronen und Photonen gemeinsam in ein atomar dünnes Volumen gepackt sind“, sagt Geim. „Ich bin sicher, dass das eine Menge an neuer Physik und neuen Anwen­dungen zutage fördern wird.“

Thomas Brandstetter

JOL

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