Photoeffekt beschleunigt Protonentransport
Unter Sonnenlicht können Protonen eine Graphenschicht zehnmal schneller durchdringen.
Seine dichte Elektronenwolke macht selbst eine einzige Lage Graphen undurchlässig für Atome und Moleküle. Sogar Wasserstoff braucht statistisch betrachtet mehrere Milliarden Jahre, um von einer Seite auf die andere zu wechseln. Dennoch stellte eine Forschergruppe um Nobelpreisträger Andre Geim von der Universität Manchester bereits 2014 fest, dass einzelne Protonen Graphen sehr wohl durchdringen können – ein Umstand, der für unzählige technologische Anwendungen von der Wasserstoffgewinnung bis zur Brennstoffzelle von größter Bedeutung sein könnte. In einer neuen Studie haben Geim und seine Kollegen ihr System nun auf Lichtempfindlichkeit untersucht und dabei eine weitere Überraschung erlebt: Bereits moderate Bestrahlung mit weißem Licht kann die Rate des Protonentransports verzehnfachen.
Abb.: Illustration eines Protonenflusses durch Graphenschichten. (Bild: M. Lozada-Hidalgo et al., NPG)
Nur sehr schnelle Atome verfügen über genügend kinetische Energie, um eine Monolage Graphen zu durchdringen. Dennoch ist das Material selbst als perfektes Kristallgitter mit einer Energiebarriere von nur etwa einem Elektronenvolt durchlässig für thermische Protonen. Um den Effekt zu messen, verwendete Geims Team bereits 2014 ein mehrschichtiges System bestehend aus einer Elektrode, die die Protonen injizierte und einem speziellen Polymer, dass die Protonen zur Kathode aus Graphen weiterleitete. Auf der Rückseite der Kathode waren Platin-Nanopartikel aufgebracht, die als Katalysatoren dienten, wo sich die transportierten Protonen mit Elektronen zu Wasserstoffmolekülen verbanden.
In ihrer aktuellen Studie verwendeten die Forscher ein ähnliches System: Zunächst spannten sie das Graphen mittels mechanischem Abblättern über zehn Mikrometer durchmessende, in einen Siliziumnitrat-Film geätzte Löcher. Auf das frei hängende Graphennetz brachten sie anschließend auf der einen Seite mittels Elektronenstrahlverdampfung die Nanopartikel aus Platin auf. Auf die andere Seite setzten sie einen Tropfen des leitenden Polymers und kontaktierten das Material mit der Elektrode. Das Graphen diente dabei gleichzeitig als Kathode und als für Protonen durchlässige Membran. Lag eine Spannung an, konnte nicht nur ein Strom zwischen Elektrode und Kathode gemessen werden. Da sie der gesamte Aufbau in einer Vakuumkammer befand, war es auch möglich, die Wasserstoffatome, die das Graphen verließen, mittels eines Massenspektrometers direkt zu detektieren.
Wurde das Graphen dabei mit simulierter Sonnenstrahlung mit einer Intensität von 100 Milliwatt pro Quadratzentimeter bestrahlt, verzehnfachte sich das Verhältnis des gemessenen Stroms zur angelegten Spannung. Für schwache Strahlungsleistungen von weniger als fünf Milliwatt pro Quadratzentimeter zeigte sich ein linearer Zusammenhang zwischen Strom und Spannung von etwa 10.000 Ampere pro Watt, was einer Ausbeute von 10.000 Protonen pro auftreffendem Photon entspricht. Höhere Strahlungsleistungen dagegen führten zu einer Sättigung des Stroms.
Abb.: Schmematischer Aufbau des Experiments zur Messung des Protonenflusses durch Graphen. (Bild: M. Lozada-Hidalgo et al., NPG)
Wie die Forscher betonen, fanden sie keinerlei Anzeichen für eine Abnahme der Leistung unter lang anhaltender, durchgehender Bestrahlung und auch nach mehreren Monaten Pause konnten wieder dieselben Werte erreicht werden. Aus Experimenten mit gepulster Bestrahlung ließ sich eine Antwortzeit von weniger als fünfzig Mikrosekunden zwischen Lichtpuls und Stromsignal ermitteln und es zeigte sich, dass das System über mindestens eine Million Ein-Aus-Zyklen stabil bleibt. Im untersuchten Wellenlängenbereich zwischen 450 und 1480 Nanometer fand sich keinerlei spektrale Abhängigkeit der Effizienz. Diese Eckdaten empfehlen das neue System auch als möglichen Photodetektor. Zum Vergleich: Herkömmliche, kommerzielle Detektoren auf Siliziumbasis haben Ansprechzeiten von bis zu einer Millisekunde bei einer Empfindlichkeit von nur etwa 100 Milliampere pro Watt.
Neben einfachen Strommessungen führten Geim und sein Team auch direkte Messungen des Protonenflusses durch. Dazu verwendeten sie die Anordnung als eine Art elektrochemische Pumpe zwischen zwei Vakuumkammern. Eine Kammer war mit einem Gemisch aus gasförmigem Wasser und molekularem Wasserstoff gefüllt. Ihr war die für die Injektion der Protonen verantwortliche Anode zugewandt. Die andere war evakuiert und nahm die aus der Graphenkathode ausströmenden Wasserstoffmoleküle auf, um sie an ein Massenspektrometer weiterzuleiten. Ohne angelegte Spannung konnte auch kein Wasserstoff detektiert werden. Lag dagegen eine Spannung an, entfaltete die Pumpe ihre volle Leistung und zeigte eine Faradaysche Effizienz von hundert Prozent: für jeweils zwei Elektronen, die den Schaltkreis durchliefen, tauchte ein Wasserstoffmolekül in der evakuierten Kammer auf.
Was mögliche Anwendungen des neuen Systems betrifft, hebt Geim neben einer möglichen Verwendung als Photodetektor vor allem das Potenzial für den Einsatz als Trennmembran in Brennstoffzellen aber auch für die Spaltung von Wasser oder die Trennung von Wasserstoffisotopen hervor. „Es handelt sich im Wesentlichen um ein neues experimentelles System, im dem Protonen, Elektronen und Photonen gemeinsam in ein atomar dünnes Volumen gepackt sind“, sagt Geim. „Ich bin sicher, dass das eine Menge an neuer Physik und neuen Anwendungen zutage fördern wird.“
Thomas Brandstetter
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