13.05.2022

Photonen auf der Überholspur

Photonischer topologischer Isolator als extrem effizienter Lichtleiter.

Forscher der Universität Rostock haben ein neuartiges mikro­strukturiertes Material entwickelt, das Lichtsignale mit höherer Geschwindigkeit transportiert und sie dabei vor Streuung und äußeren Störquellen abschirmt. Solche photo­nischen topo­logischen Iso­latoren (PTIs) sind künstliche Materialien, in denen Lichtteilchen in oberflächen­nahen Kanälen geführt werden, ohne dabei ins Innere gestreut werden zu können. 

Abb.: Illustration eines fraktalen topo­logischen Isolators: Seine...
Abb.: Illustration eines fraktalen topo­logischen Isolators: Seine selbstähnliche Mikro­strukturierung erlaubt es Lichtsignalen, sich störungsfrei mit hoher Geschwindigkeit auszubreiten. (Bild: T. Biesenthal, U. Rostock)

„Seit es uns das erste Mal gelungen ist, ein solches System zu realisieren, arbeiten wir an neuen Wegen, diese einzig­artigen Materialien techno­logisch nutzbar zu machen“, sagt Alexander Szameit von der Universität Rostock. Wenngleich topo­logische Isolatoren Licht zwar schützen können, während es sich entlang definierter Pfade ausbreitet, ohne durch Störstellen oder äußere Einflüsse gestreut zu werden, kann dies auch zu einem Problem werden. „Regelmäßige Strukturen, wie sie normalerweise beim Design von PTIs zum Einsatz kommen, verlangsamen die Licht­ausbreitung deutlich“, sagt Tobias Biesenthal. „Beim Versuch, Licht­signale zu schützen, laden wir ihnen also unnötigen Ballast auf.“

Zur Lösung dieses Problems machte das Forscherteam einen Exkurs in die seltsame und ästhetische Welt der Fraktale. Fraktale Strukturen sind in der Natur allgegen­wärtig. Fraktale zeichnen sich durch Selbstähnlichkeit aus, die unabhängig von der Vergrößerungs­stufe Merkmale des Gesamtsystems in seinen Teil­abschnitten wiederholt. Wird eine Struktur nicht nur ähnlich, sondern identisch wiederholt, spricht man von exakten Fraktalen. Das wohl bekanntestes Beispiel hierfür ist das Sierpinski-Dreieck – ein gleich­seitiges Dreieck, welches in seinem Inneren durch ineinander verschachtelte Kopien seiner selbst unterteilt wird. Obwohl dieses Objekt leicht auf einem Blatt Papier zu skizzieren ist, beinhaltet es paradoxer­weise keinerlei Fläche, denn jeder seiner Punkte kann im mathe­matischen Sinne einer der vielen Kanten zugeordnet werden.

In enger Zusammen­arbeit mit Partnern aus Haifa (Israel) und Zhejiang (China) lösten die Rostocker Forscher die seit Langem bestehende Frage, ob topo­logische Isolatoren auch ohne Volumen­material konstruiert werden können, und nutzten ihre Erkenntnisse dazu, auf deren Kanten laufende Signale von ihrer Last zu befreien. „Wie ein Stein, den man über die Wellen der Ostsee springen lässt, rasen die Licht­teilchen entlang der äußeren Kanten unserer Struktur, ohne durch sein Inneres abgebremst zu werden,“ sagt Matthias Heinrich, Initiator der Arbeit. „Der entscheidende Unterschied ist, dass ein Stein nach einigen Sprüngen unver­meidlich an Schwung verliert und versinkt. Da unser neuartiges fraktales Material das Licht nachhaltig vor Streuung schützt, kann es dauerhaft auf der Überholspur bleiben.“

Das Ergebnis dieser erfolg­reichen inter­nationalen Kooperation stellt einen bedeutenden Fortschritt der Grundlagen­forschung auf dem Gebiet der topo­logischen Photonik dar. Obwohl es noch einige Hürden zu überwinden gilt, bevor die dabei gewonnenen Erkenntnisse ihren Weg in unseren Alltag finden, eröffnen sie eine breite Palette an faszi­nierenden Möglich­keiten wie topo­logisch geschützte Hochleistungs­schaltkreise für Licht sowie eine neue Klasse an vielseitigen synthe­tischen Materialien.

U. Rostock / JOL

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