Beim herkömmlichen photovoltaischen Effekt regen Photonen die Elektronen in einem Halbleiter aus dem Valenz- in das Leitungsband an, wobei positiv geladene Löcher im Valenzband zurückbleiben. Ein p-n-Übergang im Halbleiter sorgt dann dafür, dass die Elektronen im Leitungsband und die Löcher im Valenzband zu unterschiedlichen Elektroden wandern. Zwischen den Elektroden baut sich daraufhin eine elektrische Spannung auf, die in einem äußeren Stromkreis genutzt werden kann. Bei der spintronische Form des photovoltaischen Effekts werden mit Hilfe der Photonenenergie Ladungsträger nicht nach ihrem Ladungsvorzeichen voneinander getrennt, sondern nach ihrer Spinrichtung. Ein Forscherteam aus den USA hat dieses Phänomen jetzt erstmals im Experiment beobachtet.
Abb.: Das einfallende Licht regt in der Platinschicht (Pt) nahe dem magnetisierten Isolator (MI) bevorzugt Elektronen an, deren Spins gegen die Magnetisierungsrichtung zeigen. Sie und die ebenfalls spinpolarisierten Löcher diffundieren in der Pt-Schicht, doch nach etwa 0,5 Nanometern haben die Elektronen ihre Polarisation verloren, sodass nun die Löcher einen Spinstrom verursachen. (D. Ellsworth et al. / NPG)
Durch den photospinvoltaischen Effekt entsteht schnell und ohne große Energieverluste ein Spinstrom, den man in der Spintronik nutzen könnte, die mit Spins statt mit elektrischen Ladungen arbeitet. Spinströme lassen sich auch mit dem in seinen verschiedenen Varianten intensiv erforschten Spin-Seebeck-Effekt erzeugen, bei dem ein Temperaturgefälle in einem Ferromagneten zur Spintrennung führt. Hingegen spielen beim photospinvoltaischen Effekt, der in normalen Metallen wie Platin auftritt, Temperaturgradienten nur eine untergeordnete Rolle.
Die Forscher um Mingzhong Wu von der Colorado State University in Fort Collins und Ruqian Wu von der University of California in Irvine haben den PSV-Effekt an einer Schichtstruktur beobachtet, die aus einer knapp fünf Mikrometer dicken Lage des magnetischen Nichtleiters Yttrium-Eisengranat YIG bestand, die wiederum von einer 2,5 Nanometer dicken Platinschicht bedeckt war. Ein Magnetfeld von 1090 Oersted parallel zur Schichtebene richtete die magnetischen Momente in der YIG-Schicht aus, wodurch die Bandstruktur der Platinschicht verändert wurde. Das zeigte sich als die Forscher die Schichtstruktur mit dem Licht einer 100-Watt-Halogenlampe bestrahlten.
Aufgrund der Magnetisierung der YIG-Schicht regten die Photonen in der Platinschicht bevorzugt solche Elektronen vom Valenz- ins Leitungsband an, deren Spin gegen die Magnetisierungsrichtung zeigte. Diese Elektronen und die dazu gehörigen Löcher diffundierten in der Platinschicht nach oben, also von der YIG-Schicht weg. Dabei entstand zunächst noch kein Spinstrom, da die Elektronen und die Löcher einander entgegen gerichtete Spins hatten. Die Elektronen verloren ihre Spinausrichtung jedoch viel schneller als die Löcher, sodass diese, nachdem sie etwa 0,5 Nanometer zurückgelegt hatten, einen merklichen Spinstrom in Magnetisierungsrichtung verursachten.
Diesen Spinstrom wiesen die Forscher indirekt mit Hilfe des inversen Quanten-Spin-Hall-Effekts nach. Dabei werden die sich bewegenden spinpolarisierten Ladungsträger – in diesem Fall die Löcher – bevorzugt in eine bestimmte Richtung gestreut und abgelenkt, wodurch eine elektrische Spannung aufgebaut wird. Für die untersuchte Schichtstruktur, die mit der 100-Watt-Lampe im Abstand von 29 Zentimetern bestrahlt wurde, traten Spannungen von etwa 0,2 Mikrovolt auf.
Wurde die Magnetisierungsrichtung der YIG-Schicht umgedreht, so drehte sich auch die Spinrichtung der Löcher um und mit ihr die Richtung des erzeugten Spinstroms. Das ließ sich daran erkennen, dass die gemessene elektrische Spannung ihr Vorzeichen umkehrte. Da die Spannung praktisch sofort mit Einschalten der Lampe auftrat, konnten Temperaturgradienten, die sich in der Schicht erst mit einer merklichen Zeitverzögerung aufbauten, für die Erzeugung des Spinstroms nicht verantwortlich sein. Dafür sprach auch die Tatsache, dass die gemessene elektrische Spannung nicht ihr Vorzeichen änderte, wenn die Schichtstruktur von unten durch die YIG-Schicht belichtet wurde statt von oben durch die Platinschicht. In diesem Fall kehrte sich das Temperaturgefälle in der Schichtstruktur um, nicht jedoch der Spinstrom.
Die Forscher wiederholten ihre Experimente mit einer weißen LED-Lampe und auch mit der Halogenlampe, aus deren Licht bestimmte Wellenlängenbereiche gefiltert wurden. So konnten sie zeigen, dass der PSV-Effekt in der verwendeten Schichtstruktur nur von Licht hervorgerufen wurde, dessen Wellenlänge zwischen 1600 und 2000 Nanometern lag. Der PSV-Effekt sollte auch für andere Metalle auftreten, die eine spinabhängige optische Elektronenanregung aufweisen, wie Palladium, Wolfram oder Iridium – nicht jedoch Kupfer. Mögliche Anwendungen des neuen Effekts sind lichtbasierte Spinbatterien, Magnetisierungssensoren oder Bauelemente für die optische Spintronik.
Rainer Scharf
RK