Piezo-Keramik horcht Schäden aus
Ein neues integriertes piezo-elektrisches Ultraschall-System überwacht Windräder während des Betriebs.
Ein neues integriertes piezo-elektrisches Ultraschall-System überwacht Windräder während des Betriebs.
Wenn der Sturm bläst, müssen Windräder zeigen, was sie aushalten: Böen rütteln an den schlanken Rotorblättern, während diese mit mehr als 200 Stundenkilometern die Luft durchpflügen. Solchen Belastungen halten auch die besten Materialien auf Dauer nicht stand: Irgendwann entsteht tief im Kunststoff ein winziger Riss, dieser dehnt sich weiter aus, bis schließlich das Blatt zerbricht. Auch Brückenträger und Flugzeugflügel sind tagtäglich enormen Kräften ausgesetzt. Damit kein Unglück geschieht, müssen stark beanspruchte Bauteile regelmäßig geprüft werden. Die Ingenieure benutzen hierfür beispielsweise Ultraschallgeräte, mit denen sich Schäden im Inneren sichtbar machen lassen.
Forscher vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg haben eine Alternative entwickelt: Ihre Strukturüberwachungssensoren können Schäden vor Ort, direkt im Bauteil, aufspüren. Wie Nervenzellen im menschlichen Körper registrieren sie Defekte und leiten die Information weiter. Die Sensoren sind mit einem halben Millimeter Dicke und einer Fläche von nur wenigen Quadratzentimetern so klein, dass sie sich problemlos in die zu überwachenden Bauteile integrieren lassen. Kernstück der Sensorik sind dabei Piezo-Keramiken, die mechanische Verformung in elektrische Signale verwandeln oder Spannungsimpulse in Bewegung umsetzen.
Auf der Messe Sensor+Test 2007 zeigen die Forscher ein Rotorblattsegment, in das mehrere piezo-elektrische Sensoren eingebaut wurden. Mit einer Steuerungselektronik, die die Wissenschaftler vom ISC zusammen mit Kollegen vom Fraunhofer-Institut für zerstörungsfreie Prüfung IZFP in Dresden entwickelt haben, wird ein Sensor zu Ultraschallschwingungen angeregt, die sich wellenförmig im Kunststoff ausbreiten. Die übrigen Sensoren nehmen die Schwingung auf und übertragen das Wellenmuster an ein Empfangsgerät. Risse und Schäden verändern das gleichmäßige Wellenfeld und lassen sich so leicht detektieren. Etwa fünf Meter weit reicht derzeit das Feld eines schwingenden Piezoelements. Da die Sensoren abwechselnd sowohl als Empfänger als auch als Ultraschallsender fungieren können, lassen sich an verschiedenen Stellen des Bauteils gezielt Wellenfronten erzeugen und selbst versteckte Winkel prüfen.
Hergestellt wurden die neuen Sensoren mit Sol-Gel-Technik: Die Forscher mischen in einer Lösung Verbindungen aus Blei, Zirkonium und Titan. Das gewonnene Blei-Zirkon-Titanat-Gel ziehen sie durch Spinndüsen zu 20 Mikrometer dünnen Fasern, die zu festen keramischen Fäden gebrannt werden. Diese Fasern werden nebeneinander angeordnet und mit dünnen elektrischen Leiterbahnen verbunden. Dieses Gitternetz übergießt man mit Kunstharz. Das Ergebnis ist ein hauchdünnes, flexibles Piezo-Element. Je nach Anforderung lassen sich auch harte Stahlbleche mit dem Gel beschichten, die Sensorik ist dann direkt mit dem Blech verbunden. Die Herstellung ist eine Kunst für sich. Dennoch liegt für Dr. Bernhard Brunner, den Entwickler der Strukturüberwachungs-Sensoren, die eigentliche Herausforderung in der Integration der Elemente in das fertige Bauteil: „Solche Sensoren bewirken stets Störungen der Struktur. Sie dürfen deshalb auf keinen Fall an stark belasteten Stellen sitzen.“ Die Forscher müssen daher zunächst die am wenigsten belasteten Bereiche eines Bauteiles ausfindig machen, erst dann können sie die Piezo-Elemente im Verbundstoff platzieren.
Die Sensoren lassen sich einsetzen, um den technischen Zustand von Offshore-Windrädern, die für Wartungstrupps schwer zugänglich sind, automatisch zu prüfen. Eine weitere Anwendung, die ebenfalls am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand zu sehen ist: eine Stoßstange mit integrierter piezo-elektrischer Sensorik. Bei einem Aufprall registriert diese die Stärke des Stoßes – eine für die Entwicklung von Fußgänger-Aufprallschutz-Systemen essenzielle Information. Mit Piezoelektrik lässt sich aber auch mechanische Schwingungsenergie in elektrischen Strom umsetzen. Dies nutzt ein neues System zu autarken Energieversorgung – auch dieses wird in Nürnberg gezeigt. Der neue Wandler könnte beispielsweise RFID-Etiketten die Energie liefern, die zur Datenübertragung per Funksignal notwenig ist.
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft
Weitere Infos:
- Fraunhofer-Gesellschaft:
http://www.fraunhofer.de - Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC, Würzburg:
http://www.isc.fraunhofer.de