Planeten wiegen mit Pulsaren
Mit Pulsar-Zeitreihenmessungen lässt sich auch die Masse von Zwergplaneten genauer bestimmen als je zuvor.
Objekte in unserem Sonnensystem lassen sich mittels einer Methode wiegen, bei der Beobachtungsdaten von Pulsaren einer genauen Untersuchung unterzogen werden. Diese Technik, Pulsarankunftszeiten zur Massenbestimmung von Planeten zu nutzen, wurde erstmalig im Jahr 2010 von einem Forscherteam unter der Leitung von David Champion vom Max-
Abb.: Erde, Mond und Zwergplanet Ceres im Vergleich. Nach Zeitreihenmessungen von Pulsaren hat Ceres eine Masse von 1,3 Prozent der Masse des Erdmonds. (Bild: G. H. Revera, NASA / JPL-Caltech / UCLA / MPS / DLR / IDA)
Die Astronomen zeichnen bei dieser Methode die gebündelte Radiostrahlung dieser Objekte auf. Pulsare bilden aufgrund ihrer gewaltigen Schwungmasse die ganggenauesten Uhren unter den Himmelskörpern im Universum. Beobachtungen mit den größten Radioteleskopen der Erde sind erforderlich, um die schwachen Signale von diesen Objekten zu erfassen.
„Mit ausgeklügelten Modellen für ihre Rotation können wir die Ankunftszeit der Pulse von Millisekundenpulsaren auf eine Genauigkeit von nur einigen hundert Nanosekunden über Jahrzehnte hinweg bestimmen. Das ermöglicht es uns, sie als hochgenaue Uhren für eine Vielzahl von unterschiedlichen Anwendungen zu nutzen”, sagt der Erstautor Nicolas Caballero, der diese Untersuchung im Rahmen seiner Doktorarbeit am MPIfR vorgenommen hat und inzwischen seine Forschungen am Kavli Institut für Astronomie und Astrophysik an der Universität Peking fortsetzt.
Die Bahnbewegung der Erde um die Sonne erschwert die direkte Verwendung der aufgezeichneten Ankunftszeiten der Pulse am Radioteleskop. Die Astronomen umgehen dieses Problem, indem sie die Ankunftszeiten auf ein gemeinsames Bezugssystem umrechnen, das auf dem Massenzentrum des gesamten Sonnensystems, dem Baryzentrum, basiert.
„Wir sind dabei auf Ergebnisse angewiesen, die wir von unseren Kollegen aus der planetaren Astronomie erhalten. Diese berechnen aus einer Fülle von Daten, unter Einbeziehung der Vorbeiflüge von Raumfahrzeugen, Ephemeriden für unser Sonnensystem, welche die Umlaufbahnen von Planeten, Monden und Asteroiden beschreiben”, sagt Nicolas Caballero.
Wenn in diese Ephemeridenberechnung ein falscher Massenwert für die Masse eines Körpers einfließt, dann verschiebt sich die Position des Baryzentrums, was umgekehrt betrachtet periodische Verzögerungen oder Beschleunigungen in der erwarteten Ankunftszeit der Pulse von den Pulsaren erzeugt. Vergleicht man diese Erwartungen mit den tatsächlichen Pulsarmessungen, kann man die korrekten Massen der Körper bestimmen.
Unter Verwendung der aktuellsten Beobachtungsdaten vom „International Pulsar Timing Array” (IPTA) ist es den Pulsar-
Der Asteroid Ceres, der erst kürzlich als Zwergplanet eingestuft wurde, ist das massereichste Objekt im Asteroidengürtel. Aus der Zeitreihenanalyse der Pulsardaten ergibt sich ein Wert von 4,4 × 10-10 Sonnenmassen (entsprechend 1,3 Prozent der Masse des Erdmonds) für Ceres. Die Genauigkeit liegt eine Größenordnung unter den bisher besten Schätzungen. Die vorliegende Veröffentlichung enthält zudem noch Massenbestimmungen für vier weitere Asteroiden.
„Wir sind jetzt in der Lage, die Massen von Ceres und weiteren massereichen Asteroiden abzuleiten”, sagt David Champion. „Das zeigt die Verbesserungen unserer Beobachtungen bezogen auf die zwei hier relevanten Aspekte der Präzision und der Empfindlichkeit.”
„Unser derzeitiger Datensatz erstreckt sich über zwei Jahrzehnte und ist das Resultat einer hochgenauen und kontinuierlichen Arbeit über viele Jahre”, erklärt Michael Kramer, Leiter der Forschungsabteilung „Radioastronomische Fundamentalphysik” am MPIfR und ebenfalls Ko-Autor der Veröffentlichung. „Hinter dem kontinuierlichen Erfolg der Zeitreihenanalyse von Pulsarsignalen steht die Arbeit von Hunderten von Wissenschaftlern und Ingenieuren aus der ganzen Welt.”
Die hier vorliegende Untersuchung geht über die Massenbestimmung bereits bekannter Planeten und Asteroiden hinaus. Durch die Anwendung einer Methode, die bereits früher in einer Veröffentlichung unter der Leitung von Yanjun Guo vorgestellt wurde, hat das internationale IPTA-Konsortium nach zusätzlichen Massen im Sonnensystem gesucht, die bisher nicht in die Ephemeriden eingegangen sind. Damit konnten obere Grenzwerte für die Massen solcher Objekte in Umlaufbahnen um die Sonne angegeben werden.
„Es ist bis jetzt eine Vorstudie, bei der wir nur unbekannte Himmelskörper in ungestörten exzentrischen Umlaufbahnen berücksicht haben. Sie zeigt aber bereits die aufregenden Möglichkeiten, die die Zeitreihenanalyse von Pulsarsignalen für die Untersuchung des Sonnensystems eröffnet, angefangen beim theoretisch vorhergesagten neunten Planeten bis hin zu dunkler Materie in der Nachbarschaft der Sonne”, stimmen Yanjun Guo und Nicolas Caballero überein.
MPIfR / DE