06.07.2017

Planetenentstehung per Bugwelle

Infrarot-Beobachtungen liefern Hinweise auf Staub­scheibe um Geminga-Pulsar

Fast 4000 Planeten bei anderen Sternen haben Astronomen inzwischen entdeckt. Was dabei oft vergessen wird: Die ersten Exo­planeten, die bereits im Jahr 1992 bestätigt werden konnten, um­kreisen keine normalen Stern, sondern einen Pulsar. Schwan­kungen des Signals von PSR 1257+12 zeigen, dass drei Planeten mit 0,02, 4,3 und 3,9 Erd­massen den Neutronen­stern um­kreisen. Inzwischen sind insge­samt zehn Planeten bei acht Pulsaren bekannt. Diese Ent­deckungen werfen die Frage auf, woher diese Planeten stammen. Denn Neutronen­sterne sind die kompakten Über­reste von Super­novae – und zuvor existie­rende Planeten sollten die Explo­sion eines Sterns nicht über­stehen.

Abb.: Der Geminga-Pulsar (Markierung in der Mitte) und seine Um­ge­bung, auf­ge­nommen mit dem James Clerk Max­well Tele­scope. Links vom Pulsar ist die Bug­welle zu er­kennen. Auch rechts vom Pulsar, im „Kiel­wasser“ seiner Bewe­gung, findet sich eine Materie­ver­dich­tung. Außer­dem ist um den Pulsar herum eine Auf­hellung sicht­bar, die auf eine Gas- und Staub­scheibe hin­deutet, in der Planeten ent­stehen könnten. (Bild: Jane Greaves / JCMT)

Auch der etwa 300.000 Jahre alte, 800 Lichtjahre entfernte Geminga-Pulsar geriet 1997 in den Verdacht, von Planeten um­kreist zu werden. Spätere Beob­ach­tungen bestä­tigten diesen Verdacht jedoch nicht – die vermeint­lichen Schwan­kungen der Periode des Pulsars waren ledig­lich durch einen „Glitch“, eine plötz­liche Ände­rung der Dreh­geschwin­dig­keit, vorge­täuscht worden. Damit geriet der Geminga-Pulsar ins Visier von Jane Greaves von der Univer­sity of Cardiff und Wayne Holland vom Royal Obser­vatory in Edin­burgh, die auf der Suche nach Roh­material für die Planeten­ent­stehung bei Neutronen­sternen waren. Mit seinem vergleichs­weise jungen Alter und bis­lang offen­bar ohne Planeten erschien er den beiden Forschern als geeig­neter Kandidat, um einen Blick in die frühe Phase einer etwa­igen Planeten­bildung zu werfen.

„Der Geminga-Pulsar bewegt sich sehr schnell durch die Milch­straße“, erklärt Greaves, „seine Geschwin­dig­keit ist größer als die Schall­geschwin­dig­keit im inter­stellaren Gas.“ Deshalb könne sich dort eine Stoß­welle heraus­bilden, in der die Materie stark ver­dichtet wird. Insge­samt könnte sich um den Neutronen­stern auf diese Weise ein Mehr­faches der Masse der Erde ansam­meln – aus­reichend Material also für die Ent­stehung von Planeten. Greaves und Holland beob­ach­teten den Geminga-Pulsar mit dem im Sub­milli­meter-Bereich operie­renden James Clerk Max­well Tele­scope JCMT auf Hawaii. Erste Beob­ach­tungen mit der Spezial­kamera SCUBA – dem Sub­milli­metre Common-User Bolo­meter Array – zeigten bereits eine schwache, ausge­dehnte Struktur nahe dem Pulsar.

„Um sicherzugehen, dass es sich hier nicht nur um ein Artefakt handelt, führten wir weitere Beob­ach­tungen mit der 2013 instal­lierten, neuen Kamera SCUBA-2 durch“, berichtet Holland. Während die alte Kamera ledig­lich 128 Pixel besaß, wartet SCUBA-2 mit insge­samt 10.240 Pixeln und einer entspre­chend höheren Bild­schärfe auf. Nun zeigte sich gleich mehrere Features in der Umge­bung des Pulsars: eine bogen­förmige Struktur in Bewegungs­richtung vor dem Neutronen­stern, die von den beiden Forschern als die erwar­tete Bug­welle inter­pretiert wird, eine eher zylinder­förmige Struktur hinter dem Neutronen­stern, offen­bar eine Verdich­tung im „Kiel­wasser“, und schließ­lich eine schwache Struktur unmittel­bar um den Pulsar herum, die Greaves und Holland als Hin­weis auf eine Gas- und Staub­scheibe deuten.

Damit hat das Forscher-Duo eine mögliche Antwort auf die Frage nach der Her­kunft des Bau­materials für die Planeten­ent­stehung bei Neutronen­sternen gefunden: Die Stoß­welle ver­dichtet das inter­stellare Medium, ein Teil Materie aus dieser Bug­welle strömt auf den Pulsar zu und sammelt sich dort in einer Akkre­tions­scheibe – in der sich dann neue Planeten bilden können. Noch aller­dings geben sich Greaves und Holland vor­sichtig: „Unsere Auf­nahmen sind recht unscharf, deshalb haben wir Beob­achtungs­zeit am ALMA beantragt.“

Das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array, eine aus 66 Antennen bestehenden Radio-Tele­skop­anlage in Chile, ist besonders gut für die Beob­achtung der Ent­stehung von Planeten geeignet. Damit wollen die beiden Forscher zunächst einmal beweisen, dass es sich bei der Bug­welle tatsäch­lich um ein Phänomen bei dem Pulsar handelt und nicht um eine zufällig weit hinter dem Pulsar befind­liche Gas­wolke. Bestätigt sich der Ver­dacht von Greaves und Holland, dann wollen die beiden Forscher weitere Pulsare unter die Lupe nehmen, um den Prozess der Planeten­ent­stehung bei Pulsaren detail­liert zu unter­suchen.

Rainer Kayser

RK

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