08.10.2015

Plasma als Metamaterial

Erstmals anomale Beugung von Mikrowellen in kaltem, magnetisierten Plasma nachgewiesen.

In den letzten Jahren haben wiederholt Metamaterialien mit überraschenden Eigenschaften aufhorchen lassen. So lassen sich etwa Wellen in hyperbolischen Medien erstaunlich fokussieren und sogar Objekte bis unterhalb der Wellenlänge abbilden. Solche Eigenschaften wecken natürlich Begehrlichkeiten. Sie sind aber üblicherweise an die spezielle Konstruktion eines Metamaterials gebunden und damit nicht sonderlich flexibel zu handhaben. In einem Plasma hingegen lassen sich verschiedene Parameter wie Teilchen­dichte, Magnetfeld oder mittlere Temperatur variabel einstellen – doch war der Nachweis „hyperbolischer“ Eigenschaften wie etwa die anomale Beugung bislang noch nicht gelungen. Israelische Physikern konnten nun erstmals bei der Fortpflanzung von Mikrowellen in kaltem, magnetisierten Plasma den Effekt anomaler Beugung nachweisen.

Abb.: Aufbau des Experiments (Bild: Z. Abelson et al.)

Hyperbolische Materialien verdanken ihre Fähigkeiten der besonderen Struktur ihres Permittivitäts­tensors: Abseits der Diagonalen besitzen sie gemischte positive und negative Elemente. Bereits negative Permittivitäts­koeffizienten alleine können zu außergewöhnlichem Verhalten führen, wie insbesondere einer besonders starken Fokussierung. Treten negative Koeffizienten im Permittivitäts­tensor gemischt mit positiven auf, so kann dies eine ganze Reihe neuartiger Eigenschaften bewirken, wie etwa negative Brechung oder Nahfeld­fokussierung.

Bei einem Plasma sind die Permittivitäts­koeffizienten wesentlich durch die Elektronendichte und die Stärke des Magnetfeldes bestimmt. Außerdem ist durch die Lorentzkraft die Händigkeit der Elektronen vorgegeben, was sich auch auf die Propagation von elektromagnetischen Wellen im Plasma auswirkt: Linkshändig polarisierte Wellen können unter allen möglichen Winkeln durch magnetisiertes Plasma hindurchtreten, während rechtshändig polarisierte Wellen verschiedenen Effekten unterliegen. Wie Berechnungen zeigen, sollten rechtshändige elektro­magnetische Wellen unterhalb der Zyklotronfrequenz der Elektronen anomale Beugung erfahren, was dem entgegen­gesetzten Vorzeichen zur üblichen Beugung entspricht.

Abb.: Wie in diesen Simulationen zu sehen, kommt es bei hinreichend hoher Elektronendichte (links) zu anomaler Beugung, bei abnehmender Elektronendichte (rechts) bildet sich wieder ein normales Beugungsmuster heraus. (Bild: Bild: Z. Abelson et al.)

Die Forscher der Universität Tel Aviv und des Technion in Haifa arbeiteten mit einem gepulsten, kalten Argon-Plasma, das in einem 40 Zentimeter langen und 17 Zentimeter durchmessenden Zylinder eingeschlossen war. Vier umschließende Spulen sorgten für ein axiales Magnetfeld. Bei einer gewählten Feldstärke von 0,4 Tesla lag die Zyklotronfrequenz der Elektronen bei 11 Gigahertz. Das Plasma erreichte bei den relevanten Phasen der Messungen Plasmadichten bis zu über 1012 Elektronen pro Kubikzentimeter. Dem entsprach eine Plasmafrequenz von 9 Gigahertz. Die Forscher mussten bei ihren Messungen unterhalb dieser Werte bleiben und wählten deshalb für ihre Versuche Mikrowellen im Frequenz­bereich von 7 bis 8 Gigahertz. Die Temperatur der Elektronen im Plasma konnten die Wissenschaftler unter anderem über die Linienbreite bestimmen. Sie lag unterhalb von 0,7 Elektronenvolt und war damit hinreichend tief. Mit diesen Messungen konnten die Forscher auch sicher stellen, dass das Plasma uniform genug war, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen.

Wie Experiment und Simulationen nun in Einklang ergaben, kam es bei hinreichend hohen Elektronendichten im Plasma zu anomaler Beugung. Ein besonders interessantes Verhalten, das die wesentlichen Punkte des Experiments umfasst, zeigte sich bei längeren Mikrowellenpulsen, deren Dauer die Pulsdauer des Elektronenplasmas von unter einer Millisekunde überstieg. Vor dem Ionisierungspuls erreichte eine konstante Mikro­wellen­­leistung den Empfänger. Zu Beginn der Ionisierung wurde dann das Plasma undurchsichtig, denn die Elektronen­dichte lag sehr hoch und das Magnetfeld hatte sich noch nicht ausgebildet. Nach rund einer halben Millisekunde stieg dann die Empfangs­leistung stark an und übertraf den Anfangswert um ein Mehrfaches, was auf anomale Beugung und wegen der damit verbundenen Fokussierung auf geringere Verluste hinweist. Danach sank die Stärke des empfangenen Signals mit der Elektronendichte wieder ab, um sich dem Anfangswert anzunähern.

Zunächst galt es allerdings auszuschließen, dass die Signal­verstärkung nicht durch andere Effekte ausgelöst wurde. „Ein großer Teil der Forschungsarbeit bestand darin nachzuweisen, dass die Signal­verstärkung tatsächlich von der anomalen Beugung herrührte und dass keine andere Erklärung für das Phänomen in Frage kam“, sagt Ziv Abelson von der Universität Tel Aviv. Mit ihren Messungen wollen die Forscher nun auch den Punkt genauer untersuchen, an dem das hyperbolische Verhalten sich bei abnehmender Elektronendichte im Plasma wieder zu einer normalen Dispersion wandelt. Damit ließen sich an punktgenau eingestellten Plasmen die Eigenschaften hyperbolischer Materialien studieren.

Dirk Eidemüller

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