03.03.2022

Plasma als Teilchen-Booster

Plasmabeschleuniger für eine neue Generation von Teilchenbeschleunigern.

Ein inter­nationales Forschungsteam unter Leitung von Desy-Wissenschaftlern hat am FLASH-Forward-Experiment erstmals gezeigt, dass es prinzipiell möglich ist, Plasma­beschleuniger mit den in der Teilchenphysik und Photonen­forschung üblichen Wieder­holraten zu betreiben. So könnten solche hoch­effizienten Beschleuniger als Booster-Stufen in bestehenden Anlagen mit hohen Taktraten eingesetzt werden und die Energie der dort beschleunigten Teilchen­pakete auf einer kurzen Strecke deutlich erhöhen. 

Abb.: Zwei Plasmazellen in einer Vakuumkammer: Die Zellen werden mit Argongas...
Abb.: Zwei Plasmazellen in einer Vakuumkammer: Die Zellen werden mit Argongas gefüllt und dann mit der Entladung einer Hochspannung ionisiert, um ein Plasma zu bilden. (Bild: C.A. Lindstrøm, DESY)

Die Plasma­beschleunigung ist eine innovative Technologie für eine neue Generation von Teilchen­beschleunigern, die nicht nur sehr kompakt, sondern auch extrem vielseitig einsetzbar sind. Ziel ist es, die beschleunigten Elektronen für verschiedene Anwendungs­felder in Industrie, Wissenschaft und Medizin zu nutzen. Die Beschleunigung geschieht in einem extrem dünnen Kanal – in der Regel nur wenige Zentimeter lang –, der mit einem ionisierten Gas gefüllt ist. Ein hochener­getischer Laser- oder Teilchen­strahl, der durch dieses Plasma geschossen wird, kann ein starkes elektro­magnetisches Feld anregen, das zur Beschleunigung geladener Teilchen genutzt werden kann. Auf diese Weise können Plasma­beschleuniger Beschleunigungs­stärken erreichen, die bis zu tausendmal höher sind als bei den leistungsstärksten Beschleunigern, die heute eingesetzt werden. Damit könnten sie in Zukunft die Größe von kilometer­langen Anlagen wie Teilchen-Collidern oder Freie-Elektronen-Lasern drastisch verringern.

Moderne Beschleuniger für die Spitzen­forschung müssen allerdings auch hohe Anforderungen in Bezug auf Effizienz, Strahlqualität und Anzahl der pro Sekunde beschleunigten Pakete erfüllen. Um eine besonders große Anzahl von Lichtblitzen oder Teilchen­kollisionen in möglichst kurzer Zeit zu erzeugen, müssen Tausende oder gar Millionen dicht gepackter Teilchen­pakete in einer Sekunde durch die Beschleuniger gejagt werden. Plasma­beschleuniger müssten also eine ähnliche Wiederholrate erreichen, um mit modernster Teilchen­beschleuniger­technik konkurrieren zu können. Aktuelle Testanlagen für die Plasma­beschleunigung werden in der Regel mit sehr viel langsameren Wiederholraten im Bereich von einer bis zehn Beschleunigungen pro Sekunde betrieben. Das Team um Jens Osterhoff hat nun bewiesen, dass Raten wie bei heutigen Spitzen­beschleunigern möglich sind. „Mit FLASHForward konnten wir erstmals zeigen, dass Plasma­beschleunigungs­prozesse prinzipiell Wiederholraten im Megahertz-Bereich erlauben“, sagt Osterhoff.

Bei FLASHForward wird die Welle, die die Beschleunigung auslöst, durch ein Elektronenpaket aus dem FLASH-Beschleuniger erzeugt, das mit nahezu Licht­geschwindigkeit durch das Plasma pflügt. Die Elektronen dieses „Antriebsstrahls“ bringen die frei beweglichen Elektronen des Plasmas in ihrem „Kielwasser“ zum Schwingen und erzeugen so sehr starke elektrische Felder. Diese Felder beschleunigen die Elektronen eines Teilchen­pakets, das direkt hinter dem Treiberbündel fliegt. „Anders als in konventionellen Beschleunigern, wo langlebige elektro­magnetische Wellen, die in einem Resonanz­hohlraum gespeichert sind, mehrere Teilchenpakete in schneller Folge beschleunigen können, verschwinden die im Plasma erzeugten elektro­magnetischen Felder nach jedem Beschleunigungs­vorgang sehr schnell“, erklärt Richard D´Arcy. „Um einen neuen, ähnlichen Beschleunigungs­prozess zu starten, müssen sich die Plasma­elektronen und -ionen vorher in etwa zu ihrem Ausgangs­zustand erholt haben, so dass die Beschleunigung des nächsten Paares von Teilchenpaketen nicht durch die des vorherigen beeinflusst wird.“

In ihren Experimenten nutzten die Wissen­schaftler den sehr flexibel einstellbaren supra­leitenden Beschleuniger des Röntgenlasers FLASH, um Teilchen­pakete mit extrem kurzen zeitlichen Abständen zu erzeugen. Das erste Paket pflügte durch das Plasma und erzeugte durch sein starkes Wakefield eine Störung. Danach wurden in variablen Abständen Paare von Teilchen­paketen durch die Plasmazelle geschickt: Das erste Paket des Paares erzeugte ein neues Wakefield, und das zweite wurde durch die so entstehenden Felder beschleunigt. Die Eigenschaften dieser nachfolgenden Paketpaare wurden vom Experi­mentierteam genau gemessen und mit denen von Paketen verglichen, die diesen Vorgang in einem ungestörten Plasma vollzogen haben. Das Ergebnis: Nach etwa siebzig Nanosekunden war es nicht mehr möglich zu unterscheiden, ob die Beschleunigung in einem zuvor gestörten oder ungestörten Plasma stattgefunden hatte. „Wir konnten den Abklingvorgang der Störung, der innerhalb der ersten siebzig Nanosekunden abgeschlossen war, genau beobachten und in Simulationen exakt erklären“, sagt D´Arcy. „In weiteren Messungen wollen wir überprüfen, wie unter­schiedliche Rahmen­bedingungen im Aufbau die Erholungszeit der Plasmawelle beeinflussen.“ Zum Beispiel könnte die Erwärmung des Plasmamediums durch den Hochfrequenzbetrieb einen Einfluss darauf haben, wie schnell das Plasma wieder regeneriert.

Die neuen Erkenntnisse, an denen Wissenschaft­lerinnen und Wissen­schaftler von Desy dem University College London und den Universitäten Oxford und Hamburg beteiligt waren, legen den Grundstein für einen neuen Einsatz von Plasma­beschleunigern in der Forschung: Heutige Teilchen­beschleuniger, die mit Wiederholraten im Kilohertz- bis Megahertz-Bereich betrieben werden, könnten mit Plasma­beschleuniger­modulen ausgestattet werden, die als Booster-Stufen die Teilchen­energie auf kürzestem Weg deutlich erhöhen. „Die Ergebnisse haben weitreichende Auswirkungen auf das Potenzial, Plasma­technologie in zukünftigen Anlagen mit hohen Wiederhol­raten einzusetzen, für die Desy in der Welt bekannt ist", sagt Wim Leemans, Direktor des Beschleuniger­bereichs.

DESY / JOL

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