16.06.2021

Plasma im Computer

Digitale Zwillinge können komplexe Fusionsplasmen gut beschreiben.

Eine neuartige Transport­barriere in Fusionsplasmen, die den magnetischen Einschluss des Plasmas verbessert, hatte ein Theoretiker-Team des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik IPP mit Hilfe modernster Simulationen vorhergesagt. Hervorgerufen durch schnelle Plasma-Teilchen, sollte die Barriere Turbulenzen im Plasma lokal stark unterdrücken können. Ein nach ent­sprechenden Vorgaben geplantes Experiment in der Garchinger Fusions­anlage ASDEX Upgrade konnte diese theoretische Prognose anschließend bestätigen: Schnelle Teilchen, die durch die zielgenau eingesetzte Heizung des Plasmas mit Radiowellen erzeugt wurden, ließen im Zentrum des Plasmas einen Bereich mit den erwarteten verbesserten Einschluss­eigenschaften entstehen.

Abb.: Plasma-Simu­lationen und -Modellierungen – hier die Simu­lationen der...
Abb.: Plasma-Simu­lationen und -Modellierungen – hier die Simu­lationen der Turbulenz im Plasma der IPP-Anlage ASDEX Upgrade – haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. (Bild: IPP)

„Dieser große Erfolg der Theorie“, sagt Frank Jenko, Leiter des Bereichs Tokamak­theorie im IPP in Garching, „ist nur eines von zahlreichen Beispielen dafür, wie dramatisch sich Plasma-Simulationen und -Modellierungen in den letzten Jahren verbessert haben.“ Auch die zur Verfügung stehende Computer­leistung hat stark zugenommen, so dass raffinierte Modelle die komplexe Plasma­physik inzwischen rechnerisch gut beschreiben können. Möglich werden damit quantitative Vorhersagen – ein Riesen­fortschritt im Vergleich zu den vergangenen zwanzig Jahren: „Statt wie früher bloße Inter­pretation von Messdaten“, so Frank Jenko, „liefern Theorie und Simulation inzwischen auf vielen Themen­feldern Modelle mit verlässlicher Vorhersage­kraft“. Außerdem kann die Theorie bislang getrennt untersuchte Erscheinungen – wie die Physik schneller Teilchen und die Turbulenz – jetzt im Supercomputer zusammen­bringen und so immer komplexere Zusammenhänge aufklären.

Im europäischen Fusions­programm, das durch das EUROfusion-Konsortium koordiniert wird, will man die neuen Möglichkeiten nutzen, um den Betrieb des inter­nationalen ITER-Experiments und den Entwurf des nachfolgend geplanten Demonstrations­kraftwerks DEMO optimal vorzubereiten. Mit strategisch ausgewählten Projekten gibt dazu die E-TASC-Initiative EUROfusion – Theory and Advanced Simulation Coordination – diesem Teil der Forschung eine neue Struktur. Ein europaweit abgestimmtes Arbeits­programm zu offenen Schlüsselfragen in Theorie, Simulation, Veri­fizierung und Validierung soll – unterstützt durch neu zu entwickelnde Standard-Software – die Entwicklung der Vorhersage­kraft in Plasmaphysik, Material­wissenschaft und Ingenieur­wesen vorantreiben.

Von den in diesem Rahmen für den Arbeitsplan von 2021 bis 2025 ausgewählten vierzehn Forschungs­projekten, die EUROfusion an Wissenschaftler in ganz Europa vergeben hat, gingen fünf an das IPP nach Garching und Greifswald. Auch eines der fünf Expertenteams für Hochleistungs­rechnen und Code­optimierung wird hier angesiedelt. „Das ehrgeizige Ziel, das wir mit E-TASC verfolgen, sind virtuelle Plasma-Modelle als digitale Zwillinge wirklicher Plasmen“, erklärt Frank Jenko. Zu diesem „Plasma im Computer“ sollen schrittweise Modelle weiterer DEMO-Teil­systeme hinzukommen, um nach und nach eine möglichst umfassende digitale Entwurfs- und Simulations­fähigkeit für das Kraftwerk aufzubauen.

IPP / JOL

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