22.03.2006

Plastik statt amorphes Silizium

Die Ladungsträgerbeweglichkeit eines neu entwickelten Polymers ist erstmals so gut wie bei amorphem Silizium.




Die Ladungsträgerbeweglichkeit eines neu entwickelten Polymers ist erstmals so gut wie bei amorphem Silizium.

In der Elektronik geben die anorganischen Halbleiter nach wie vor den Ton an. Doch wenn die Bauteile möglichst preiswert, biegsam oder großflächig sein sollen, sind halbleitende Kunststoffe gefragt. Um elektronische Schaltungen aus organischen Halbleitern herzustellen, benötigt man weder teure lithographische Verfahren noch kostspielige Reinräume. Stattdessen druckt man die Schaltungen einfach auf eine flexible Unterlage. Auf diese Weise lassen sich auch großflächige Bauteile herstellen, wie sie für Bildschirme oder in der Photovoltaik benötigt werden.

Schon seit einiger Zeit sucht man intensiv nach einem organischen Material, dass das amorphe Silizium als aktiven Halbleiter in den Dünnfilmtransistoren ersetzen kann, die z. B. für die Rückwandplatinen von Displays verwendet werden. Jetzt ist es Forschern von Merck Chemicals in Southampton in Zusammenarbeit mit Materialwissenschaftlern aus den USA erstmals gelungen, Polymere herzustellen, deren Ladungsträgerbeweglichkeit an diejenige von amorphem Silizium heranreicht. Darüber hinaus sind diese Polymere druckbar und behalten ihre günstigen elektrischen Eigenschaften auch dann bei, wenn sie der (trockenen) Luft ausgesetzt sind.

Die viel versprechenden halbleitenden Polymere sind flüssigkristalline Polythiophene, bei denen an einem Rückgrat aus schwefelhaltigen Kohlenstoffringen in regelmäßigem Abstand Kohlenwasserstoffketten einer bestimmten Länge hängen. Der Ladungstransport findet entlang des Rückgrats über ein π-Elektronensystem statt. Kühlt man eine dünne Schicht des Flüssigkristalls ab, dann entsteht eine orientierte polykristalline Struktur aus etwa 200 nm großen monokristallinen Bereichen. Diese vergleichsweise grobe Körnung machen die Forscher für die guten elektrischen Eigenschaften der von ihnen hergestellten Polythiophene verantwortlich.

Um diesen Zusammenhang zu untersuchen, haben die Forscher dünne Polythiophenschichten in Feldeffekttransistoren eingebaut und ihre elektrischen Eigenschaften gemessen. Es zeigte sich, dass die Ladungsträgerbeweglichkeit zwischen 0,2 und 0,6 cm 2/Vs lag und damit sechsmal größer war als die von früher untersuchten Thiophenpolymeren, die allerdings wesentlich kleinere Kristallite bildeten. Die höchste Mobilität wurde an einem Polythiophen gemessen, dessen Seitenketten 14 Kohlenstoffe enthielten: Sie betrug 0,72 cm 2/Vs. Neben der Kettenlänge spielten dabei aber auch die Herstellungsbedingungen eine wichtige Rolle.

Außerdem zeichnen sich die neuen Polythiophene durch ein hohes Ionisationspotential aus, das ihnen eine große chemische Stabilität verleiht. So behielten diese Polymere ihre hohe Ladungsträgerbeweglichkeit an trockener Luft (4 % Luftfeuchtigkeit) über mehrere Wochen hinweg. Bei höherer Luftfeuchtigkeit (50 %) nahm die Beweglichkeit schnell auf ein Viertel des Anfangswertes ab, blieb dann aber über mehrere Tage konstant. Mit Hilfe der Gate-Spannung ließ sich der Feldeffekttransistor steuern, indem die Zahl der beweglichen Ladungsträger in der Polythiophenschicht verringert oder erhöht wurde. Dabei betrug das Verhältnis der Stromstärken in Durchlass- und in Sperrrichtung etwa 10 9. In trockener Luft blieb dieser Wert nahezu konstant und sank erst nach einigen Wochen auf 10 8.

Die Forscher sind zuversichtlich, dass man mit Hilfe von gängigen Versiegelungsverfahren die guten elektrischen Eigenschaften der Polythiophenschichten über einen sehr langen Zeitraum bewahren kann. Weitere Untersuchungen sollen aufklären, wie der Ladungsträgertransport in den monokristallinen Bereichen abläuft. Doch schon jetzt steht fest, dass das amorphe Silizium Konkurrenz bekommen hat – von einem Polymer, mit dem man elektronische Schaltungen drucken kann.

Rainer Scharf

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