Präzisionsmassenmessung liefert Grundlage für neue Neutrinoexperimente
Atomkerne von Gadolinium-152 erweisen sich als vielversprechende Kandidaten zur Erforschung von Neutrinos.
Atomkerne von Gadolinium-152 erweisen sich als vielversprechende Kandidaten zur Erforschung von Neutrinos.
Forscher des Max-Planck-Instituts für Kernphysik haben am GSI-Helmholtzzentrum in Darmstadt mittels einer präzisen Massenmessung an Gadolinium-152 einen neuen Wert für die Wahrscheinlichkeit eines seltenen neutrinolosen radioaktiven Zerfallsprozesses in diesem Isotop bestimmt. Durch resonante Verstärkung ist hier die Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Nukliden um mehrere Zehnerpotenzen erhöht. Damit ist Gadolinium-152 ein vielversprechender Kandidat zur Klärung der Frage, ob das Neutrino sein eigenes Antiteilchen ist.
Abb.: Illustration des Doppeleinfangs zweier Elektronen (blau) durch zwei Protonen (rot), woraus zwei Neutronen (grau) hervorgehen. (a) "Normaler" Doppeleinfang unter Aussendung zweier Neutrinos (hellgrau). (b) Neutrinoloser Doppeleinfang: Das Neutrino aus einem der beiden Protonen wird als Antineutrino wieder eingefangen und verschmilzt mit dem zweiten Elektron und dem anderen Proton zu einem weiteren Neutron. (Bild: MPI für Kernphysik)
Eine der Grundfragen der Kosmologie ist, warum es nach dem Urknall mehr Materie als Antimaterie gab, so dass außer bloßer Strahlung überhaupt etwas übrig geblieben ist, um Galaxien, Sterne, Planetensysteme, Lebewesen und schließlich unsere eigene Existenz zu ermöglichen. Das Verständnis hierzu ist mit den Eigenschaften von Neutrinos verbunden. Neutrinos sind Elementarteilchen, die auch als Geisterteilchen bezeichnet werden, da sie nur extrem schwach mit der uns bekannten „gewöhnlichen“ Materie in Wechselwirkung treten und diese nahezu ungehindert durchdringen. Dementsprechend sind noch viele Eigenschaften von Neutrinos unbekannt.
So wird zum Beispiel vermutet, dass ein Neutrino sein eigenes Antiteilchen sein könnte (sog. Majorana-Teilchen), ein noch niemals beobachtetes Phänomen. Das würde bedeuten, dass ein Neutrino und ein Anti-Neutrino identisch wären. Da sich ein Teilchen und sein Anti-Teilchen gegenseitig vernichten, hieße das, dass sich zwei Neutrinos selbst vernichten würden.
Neutrinos entstehen natürlicherweise in bestimmten radioaktiven Zerfällen von Atomkernen. Beim radioaktiven Zerfall wandelt sich ein Atomkern, der Mutterkern, in einen anderen, den Tochterkern, um. Ein möglicher Nachweis, ob das Neutrino sein eigenes Antiteilchen ist, wäre die Beobachtung einer bestimmten radioaktiven Zerfallsart, des so genannten neutrinolosen Doppel-Elektroneneinfangs. Bei diesem sehr seltenen Zerfallsprozess werden zwei Elektronen aus der Hülle von Protonen im Atomkern eingefangen und es entstehen unter anderem zwei Neutrinos. Wenn nun das Neutrino mit seinem Antiteilchen identisch wäre, so könnten sich diese gegenseitig auslöschen, sodass kein Neutrino ausgesendet würde.
Dieser neutrinolose Zerfallsprozess ist allerdings experimentell, wenn überhaupt, nur nachweisbar, wenn die Masse des Mutterkerns zwar größer ist als die des Tochterkerns, sich dabei aber so gering wie möglich unterscheidet. Um auch noch geringste Massenunterschiede messen zu können, benutzten Wissenschaftler die Ionenfalle Shiptrap am GSI-Helmholtzzentrum. Mit der Anlage, die äußerst genaue Massenbestimmung ermöglicht, untersuchten die Wissenschaftler systematisch die Massen von möglichen Atomkernen, um den besten Kandidaten für den neutrinolosen Doppel-Elektroneneinfang zu bestimmen. Sie fanden heraus, dass das Gadolinium-Isotop mit der Massenzahl 152 (Gadolinium-152), welches in das Isotop Samarium-152 zerfällt, der zurzeit vielversprechendste Kandidat ist. Es ist somit das geeignete Isotop, um in zukünftigen Neutrino-Experimentaufbauten wie zum Beispiel in Gran Sasso untersucht zu werden mit dem Ziel, bei dessen Zerfall erstmalig die Vernichtung zweier Neutrinos nachzuweisen.
Über die Messung der Halbswertszeit von Gadolinium-152, die im Bereich von 10 hoch 26 Jahren liegt, ließen sich auch Grenzen für die Masse der Neutrinos bestimmen. Erst seit kurzem ist bekannt, dass Neutrinos überhaupt eine Masse haben, die allerdings sehr klein ist und noch nie direkt gemessen werden konnte. Der Ansatz über den Zerfall von Gadolinium-152 Informationen über die Masse der Neutrinos zu erhalten, ist komplementär zu anderen Experimentaufbauten in der Helmholtz-Gemeinschaft wie Katrin am KIT in Karlsruhe.
Max-Planck-Institut für Kernphysik / GSI Helmholtzzentrum / AL