Prickelnde Säfte – thermodynamische Sensorik
„Kohlensäure“ lässt nicht nur Champagner prickeln, sondern kann auch Gemüse- oder Kräutersäften mehr Pepp verleihen – dank Thermodynamik.
Kohlendioxid löst sich in Flüssigkeiten auf Wasserbasis bei niedriger Temperatur und höheren Drücken. In der Küche lässt sich dies mit einem Sahnesyphon und CO2-Kapseln (auch Sodakapseln genannt) realisieren. Ein kalter Rote-Bete-Saft beispielsweise – er kann noch mit allerlei Gewürzen oder Zucker verfeinert werden – wird in den Sahnesyphon gefüllt, anschließend mit zwei CO2-Kapseln begast und über Nacht in den Kühlschrank gestellt. Zum Servieren wird das Gas vorsichtig abgelassen und der mit CO2 angereicherte Saft in gekühlte Gläser gefüllt. Beim Nippen stellt sich ein deutlich erfrischendes Prickeln ein.
Natürlich ist dies Thermodynamik pur. Das Lösen des Kohlendioxid beschreibt das Henrysche Gesetz: Der Druck eines gelösten Gases p ist über den Henry-Koeffizienten H mit der (im Wasser) gelösten Konzentration c linear über p = H(T)•c verknüpft. Der Henry-Koeffizient ist stark temperaturabhängig. Er wird näherungsweise durch ein Arrhenius-Verhalten beschrieben und hängt für jedes Gas von dessen Lösungsentalphie ab. Daraus ergibt sich die kombinierte Druck- und Temperaturabhängigkeit der gelösten Konzentration. Diese ist für jedes Gas verschieden, denn der Henry-Koeffizient hängt in Detail von den molekularen Eigenschaften des Gases und der detaillierten Wechselwirkung zwischen den Wasser- und Gasmolekülen ab.
Abb.: Druck- und Temperaturabhängigkeit der gelösten CO2-Konzentration in Wasser.
Kohlendioxid ist ein lineares Molekül O=C=O. Die Sauerstoffatome tragen zwei Elektronen, die lokal mit den positiven Teilen der dipolaren Wassermoleküle wechselwirken. Die Symmetrie erlaubt aber kein Gesamtdipolmoment, daher ist CO2 nur bei niedrigen Temperaturen und höheren Drücken gut wasserlöslich (Abbildung).
Was bedeutet dies für die Küche? CO2 hat ein Molekulargewicht von 44 g/mol. In der Gaspatrone befinden sich 8 g Gas, damit 0,18 mol. Dies entspricht laut Gasgesetz einem Volumen von etwa 4 l bei 25 °C. In der Patrone ist das Gas auf ein Volumen von 10 ml zusammengepresst, was einen theoretischen Druck von über 400 bar ergibt. Beim Einfüllen in einen 0,5 l fassenden Sahnesyphon stellt sich ein Druck von etwa 5 bar ein, vergleichbar mit dem Druck in einer Champagnerflasche. Bei Füllung mit Flüssigkeit wird dieser wegen des geringeren Volumens noch höher. Wird die mit Flasche nach dem Begasen auf 0 °C gekühlt, so lösen sich etwa 7 bis 8 g/l CO2.
Mit dieser Methode lässt sich auch wasserreiches Gemüse oder Obst mit CO2 anreichern. Ein Obstsalat aus mit Kohlendioxid begasten Ananas- und Orangenstücken sind wegen ihres ungewöhnlich prickelnden Mundgefühls nicht zu verachten.
Thomas Vilgis
Dieser Beitrag ist in der jüngsten Ausgabe von Physik in unserer Zeit erscheinen. Hier finden Sie weitere Aufsätze zum freien Download.