17.03.2011

Protonen in der Warteschlange

Masse von vier Nukliden nahe der Protonen-Abbruchkante bestimmt.

Masse von vier Nukliden nahe der Protonen-Abbruchkante bestimmt. 

Protonen können mit Atomkernen fusionieren und so eine thermonukleare Reaktionskette starten, in der in rascher Folge weitere Protonen in den Atomkern eingebaut werden. Dieser Vorgang wird rp-Prozess (rapid proton capture process) genannt und die dabei freiwerdende Energie wird in Form von Röntgenquanten abgestrahlt. Die Masse des Kerns nimmt dabei etwas weniger als eine Protonenmasse zu. Forscher vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik haben nun zusammen mit chinesischen Kollegen und Kooperationspartnern aus Japan, Frankreich und den USA am Schwerionenforschungszentrum in Lanzhou (China) die Masse von drei Nukliden (Germanium-63, Arsen-65 und Selen-67) nahe der sogenannten Protonen-Abbruchkante erstmalig und für Krypton-71 mit deutlich besserer Präzision bestimmt.

Die Protonen-Abbruchkante bezeichnet einen Bereich auf der Nuklidkarte, wo auf Grund eines zweiten konkurrierenden Prozesses kein zusätzliches Proton mehr gebunden wird. Die durch den Einfang von Protonen entstehenden neuen, schwereren Elemente können sich nämlich wiederum durch radioaktiven Betazerfall in Richtung des "Tals" der stabilen Nuklide in nahezu gleich schwere aber neutronenreichere Nuklide umwandeln. Zunächst erfolgt der Prozess des Protoneneinfangs schneller. Mit zunehmender Protonenzahl, also wachsender Kernladung wird aber die elektrostatische Barriere größer und damit die Fusion erschwert und verlangsamt, bis schließlich die Protonen-Abbruchkante erreicht ist. Im Wettbewerb zwischen Proton-Einfang und Betazerfall bewegt sich somit der rp-Prozess entlang der Abbruchkante (weiße Pfeile in der Abb.).

Abb.: rapid proton capture (rp) – Prozess (weiße bzw. grüne Pfeile) auf der Nuklidkarte nahe der Protonen-Abbruchkante. Die untersuchten Nuklide sind gelb umrahmt.(Bild: MPI für Kernphysik)

Von Interesse sind in diesem Zusammenhang Nuklide nahe der Kante, wo der Einfangprozess langsamer wird als der konkurrierende Betazerfall und der Reaktionspfad einen "Umweg" nimmt (grüne Pfeile in der Abb.). Vor solchen Nukliden stehen die Protonen sozusagen in der Warteschlange, weshalb sie auch "Wartepunkte" genannt werden. Der rp-Prozess stockt hier. Um solche Nuklide handelt es sich bei den von den Wissenschaftlern untersuchten (gelbe Quadrate in der Abb.).

Die besondere Herausforderung bei den Messungen war dabei die kurze Lebensdauer dieser Kerne, die z. T. nur gut eine Zehntelsekunde beträgt, was die sonst übliche Präzisionsmassenmessung in Ionenfallen nicht mehr erlaubt. Die Forscher ließen die Ionen in einem Speicherring einige Millionen mal pro Sekunde umlaufen. Innerhalb ihrer Lebensdauer gab es einige hunderttausend Umläufe, was ausreichte, um die massenabhängige Umlaufdauer genau zu bestimmen und damit auf die Masse zu schließen.

  

Aus dem Ergebnis der Massenmessungen der vier Nuklide nahe der Protonen-Abbruchkante konnte die jeweilige Proton-Bindungsenergie bestimmt werden. Für Arsen-65, dessen Mutternuklid Germanium-64 schon als Kandidat für einen Wartepunkt galt, ergab sich, dass das Proton gerade eben nicht mehr gebunden ist - es also nur kurzzeitig eingefangen werden kann. Theoretische Rechnungen konnten mit den neuen Daten zeigen, in welchen Dichte- und Temperaturbereichen der Einfang langsamer ist als der konkurrierende Betazerfall, das Isotop also einen wesentlichen Wartepunkt darstellt. In einer Simulation für einen Röntgenausbruch zeigte sich aber, dass der rp-Prozess dennoch überwiegend über Germanium-64 verläuft, also keinen wesentlichen Wartepunkt darstellt. Die neuen Messungen beseitigten zudem die größten Unsicherheiten dieser Simulationen und lenken das Augenmerk auf weitere mögliche Wartepunkte bei schwereren Nukliden.

  

MPI / MH

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