Protonenaustausch in Salzsäure
Infrarot-Spektroskopie zeigt neue Details zum Ladungstransport in wässrigen Lösungen.
Säure-Base-Reaktionen und viele biologische Prozesse hängen wesentlich vom Protonentransport durch wässrige Lösungen ab. Vereinfacht werden Protonen über protonierte Wassermoleküle, den Oxonium-Ionen, wie in einer Eimerkette weiter gereicht. Dieser Mechanismus wurde bereits Anfang des 19. Jahrhunderts von Theodor Grotthuß entwickelt und erklärt die hohe Leitfähigkeit wässriger Lösungen. Mit extrem kurzen Infrarot-Laserpulsen gelang es nun einer Forschergruppe aus den USA, diesen Protonentransport genauer zu analysieren.
Abb: Infrarot-Spektren zeigen die Schwingungsmoden in Wasser und wässriger Salzsäure. Sie offenbarten, dass Zundel-Komplexe eine dominante Rolle beim Protonentransport spielen. (Bild: M. Thämer et al. / AAAS)
Martin Thämer von der University of Chicago und seine Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge identifizierten mit hoch auflösender Infrarot-Spektroskopie, welche Wasser-Komplexe tatsächlich am Protonentransport beteiligt sind. Bisher ergaben sich aus molekulardynamischen Simulationen zwei mögliche Kandidaten: Der Eigen-Komplex aus drei Wassermolekülen verknüpft mit einem Oxonium-Ion und der Zundel-Komplex, in dem zwei Wassermoleküle über ein einzelnes Proton miteinander verbunden sind.
Thämer und Kollegen regten nun mit kurzen Infrarot-Pulsen im Pump-Probe-Verfahren diese Wasser-Komplexe zu charakteristischen Streck- und Beuge-Schwingungen an. Zum Vergleich nahmen sie Spektren von reinem Wasser und Salzsäure-Lösungen verschiedener Konzentrationen auf. Aus der Differenz dieser Spektren offenbarte sich ein deutliches Absorptionssignal bei einer Frequenz von 1760 cm-1. Dieses Signal konnten die Forscher eindeutig einer Beuge-Schwingung im Zundel-Komplex zuordnen, das sich linear mit zunehmender Säure-Konzentration verstärkte.
Einen weiteren Hinweis auf die dominante Rolle von Zundel-Komplexen beim Protonentransport erkannten die Forscher knapp unterhalb des Absorptionssignals der Streckschwingung von Hydroxyl-Gruppen von Wassermolekülen bei einer Frequenz von 3400 cm-1. In wässriger Salzsäure entwickelte sich mit zunehmender Konzentration eine breite Absorptionsbande bei knapp 3000 cm-1, die eindeutig einer Streckschwingung des Zundel-Komplexes zugeordnet werden konnte.
Die Pump-Probe-Analysen erlaubten auch eine Bestimmung der Lebenszeit der Zundel-Komplexe mit einer unteren Grenze von 480 Femtosekunden. Das war lang genug, um den sehr effizienten Protonentransport in wässriger Salzsäure erklären zu können. Diese Ergebnisse lieferten ein detailreiches Bild von der Wanderung positiver Ladungen in wässrigen Säuren und können zu einem besseren Verständnis von Säure-Base-Reaktionen, die sowohl in der chemischen Industrie als auch in biologischen Prozessen eine wesentliche Rolle spielen.
Jan Oliver Löfken
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RK