Prozessoren aus 2D-Material
Erster Chip mit 115 Transistoren besteht aus extrem dünnen Molybdändisulfidschichten.
Zweidimensionale Materialien sind sehr vielseitig einsetzbar weil sie aus nur einer einzigen oder wenigen Schichten von Atomen bestehen. Das wohl bekannteste 2D-Material ist Graphen. Molybdändisulfid, eine drei-atomar dicke Schicht aus Molybdän und Schwefel-Atomen, gehört ebenfalls in diese Kategorie, besitzt im Gegensatz zu Graphen jedoch Halbleitereigenschaften. Thomas Müller vom Institut für Photonik der TU Wien forscht mit seinem Team an 2D-Materialien und sieht diese als zukunftsträchtige Alternative für die Herstellung von Mikroprozessoren und anderen integrierten Schaltkreisen.
Abb.: Übersicht über den gesamten Chip: Sichtbar sind neben den 15 eigentlichen Mikroprozessoren diverse Teststrukturen die eine frühzeitige Beurteilung der Prozessqualität erlauben. (Bild: S. Wachter / TU Wien)
Mikroprozessoren sind aus einer modernen Welt nicht mehr wegzudenken und allgegenwärtig. Ohne ihre ständige Weiterentwicklung wären viele inzwischen Computer oder Mobiltelefone nicht realisierbar. Silizium, das von Beginn an für ihre Herstellung verwendet wird, stößt jedoch langsam aber sicher an seine physikalischen Grenzen. Ein vielversprechender Kandidat für seine Ablöse findet sich in 2D-Materialen, unter anderem Molybdändisulfid. Während einzelne Transistoren, die grundlegendsten Bauteile jeder digitalen Schaltung, aus 2D-Materialien schon seit der Entdeckung von Graphen 2004 erforscht werden, konnten komplexere Strukturen nur äußerst beschränkt realisiert werden. Bisher gelang lediglich die Herstellung einzelner digitaler Bauelemente aus einigen wenigen Transistoren. Für einen eigenständig funktionierenden Mikroprozessor benötigt man jedoch erheblich komplexere Schaltkreise und vor allem auch deren perfektes Zusammenwirken.
Thomas Müller und sein Team haben es nun erstmalig geschafft dies zu realisieren. Das Resultat ist ein 1-bit Mikroprozessor, bestehend aus 115 Transistoren auf einer Fläche von rund 0,6 mm2, der einfache Programme ausführen kann. „Während das im Vergleich mit Industriestandards auf Basis von Silizium natürlich äußerst bescheiden wirkt, ist es doch ein großer Durchbruch für dieses Forschungsfeld. Der Proof of Concept ist geschafft, einer Weiterentwicklung steht im Prinzip nichts im Weg“, so Stefan Wachter, Doktorand in der Wiener Forschungsgruppe. Doch nicht nur die Materialwahl war für den Erfolg des Forschungsprojektes ausschlaggebend. „Wir haben uns auch die Dimensionierung der einzelnen Transistoren genau überlegt“, erklärt Müller. „Die exakten Verhältnisse der Transistorgeometrien in einem grundlegenden Schaltungsbauteil sind kritisch für die Realisier- und Kaskadierbarkeit komplexerer Einheiten.“
Natürlich braucht es für einen praktischen Einsatz dieser Technologien noch deutlich leistungsfähigere und komplexere Schaltkreise mit tausenden oder gar Millionen von Transistoren. Eine der größten Herausforderungen in diesem Forschungsfeld ist derzeit noch die Reproduzierbarkeit und Ausbeute bei der Herstellung der verwendeten Transistoren, denn sowohl die eigentliche Herstellung der 2D-Materialien als auch die Methoden für deren Weiterverarbeitung stecken noch in den Kinderschuhen. „Da unsere Schaltkreise im Labor quasi in Handarbeit gefertigt werden sind derartig komplexe Designs natürlich für uns kaum realisierbar, da jeder einzelne der Transistoren wie geplant arbeiten muss um die Funktion des gesamten Prozessors zu gewährleisten“, betont Müller die immensen Anforderungen an moderne Elektronik.
Mit industriellen Methoden könnten jedoch in den nächsten Jahren durchaus einige neue Anwendungsgebiete für diese Technologie entstehen, sind die Forscher überzeugt. Ein Beispiel für ein solches wäre flexible Elektronik, wie sie für medizinische Sensoren oder biegsame Displays benötigt wird. Hier sind die 2D-Materialien dem klassischen Silizium aufgrund ihrer deutlich größeren mechanischen Flexibilität weit überlegen.
TU Wien / JOL