Quanten-Algorithmen bringen Ionen zum Stillstand
Hindernis auf dem Weg zu noch genaueren optischen Atomuhren beseitigt.
Laserstrahlen können nicht nur erhitzen, sondern auch kühlen. Das ist unter Physikern, die sich der Präzisionsspektroskopie oder der Entwicklung optischer Atomuhren verschrieben haben, nichts Neues. Aber neu ist die extrem geringe Temperatur, die Forscher am QUEST-Institut in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt an diesen Forschungsobjekten erreicht haben: Noch nie zuvor waren hochgeladene Ionen auf nur zweihundert Mikrokelvin heruntergekühlt worden. Das gelang dem Team, indem es seine etablierten Methoden der Laserkühlung an gekoppelten Ionen mit Methoden aus dem Bereich des Quantencomputing verband: Quanten-Algorithmen sorgten dafür, dass Ionen, die sich dafür eigentlich zu unähnlich sind, nun doch gemeinsam heruntergekühlt werden konnten. Damit rückt eine optische Atomuhr mit hochgeladenen Ionen näher, die noch genauer werden könnte als andere optische Atomuhren.
Will man Teilchen, beispielsweise Ionen, extrem genau untersuchen – etwa mit Präzisionsspektroskopie oder um in einer Atomuhr ihre Frequenz zu messen –, dann muss man sie möglichst weit zum Stillstand bringen. Größtmöglicher Stillstand ist dasselbe wie geringstmögliche Temperatur, man muss also möglichst effizient kühlen. Eine etablierte High-Tech-Kühlmethode ist die Laserkühlung: Dabei bremsen geschickt angeordnete Laser die Teilchen aus. Allerdings ist nicht jedes Teilchen für diese Methode gut geeignet.
Daher verwenden die Forscher am QUEST-Institut schon länger gekoppelte Ionen: Ein Kühl- oder Logik-Ion wird per Laser gekühlt, das gekoppelte Partner-Ion wird mitgekühlt und kann dann spektroskopisch untersucht werden. Doch diese Methode kam bisher an Grenzen, wenn sich die beiden Ionen in ihrem Masse-Ladungs-Verhältnis zu sehr unterschieden. „Nun sind aber ausgerechnet solche Ionen besonders interessant für unsere Forschung, etwa für die Entwicklung neuartiger optischer Uhren“, erklärt Steven King vom QUEST-Institut.
Da er und sein Team erfahren in der Anwendung der Quantengesetze sind, haben sie den Baukasten der Quantencomputerforscher bemüht. Und siehe da: Quanten-Algorithmen lassen sich nicht nur nutzen, um mit einem Quantencomputer schneller als je zuvor zu rechnen. Mit ihrer Hilfe kann man auch dem bislang so sperrigen ungleichen Paar Bewegungsenergie entziehen. Beim algorithmischen Kühlen werden dazu Quantenoperationen verwendet, die Energie von einer schlecht kühlbaren Bewegung des Spektroskopie-Ions auf eine gut kühlbare Bewegung des Logik-Ions übertragen.
„Wir konnten dem Ionenpaar, das aus einem einfach geladenen Beryllium-Ion und einem hochgeladenen Argon-Ion bestand, so viel Energie entziehen, dass ihre Temperatur schließlich nur noch zweihundert Mikrokelvin betrug“, sagt Team-Mitglied Lukas Spieß. So nah am absoluten Nullpunkt war ein derartiges Ensemble noch nie. „Zudem haben wir ein bisher unerreicht niedriges Rauschen des elektrischen Feldes beobachtet“, ergänzt er. Dieses Rauschen führt zu einem Aufheizen der Ionen, wenn nicht mehr gekühlt wird, was hier besonders niedrig ausfällt.
Beides zusammen bedeutet: Die entscheiden Hürde ist überwunden, um eine optische Atomuhr zu bauen, die auf hochgeladenen Ionen beruht und eine Unsicherheit von unter 10–18 erreichen kann. Diese magische Grenze erreichen gegenwärtig nur die besten optischen Atomuhren der Welt. Aber auch für die Entwicklung von Quantencomputern und für die Präzisionsspektroskopie sind diese Ergebnisse von großer Bedeutung.
PTB / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. A. King et al.: Algorithmic Ground-State Cooling of Weakly Coupled Oscillators Using Quantum Logic, Phys. Rev. X 11, 041049 (2021); DOI: 10.1103/PhysRevX.11.041049 - QUEST – Institut für experimentelle Quantenmetrologie, Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, Braunschweig