Quanten unter Kontrolle
Defektzentren in Diamanten lassen sich für logische Operationen und Fehlerkorrektur nutzen.
Computer müssen nicht fehlerfrei rechnen, um fehlerlose Ergebnisse zu liefern – sie müssen ihre Irrtümer nur zuverlässig korrigieren. Und das wird künftig noch wichtiger, wenn Quantencomputer mit sehr effizienten, aber auch recht störanfälligen Rechenprozessen manche Aufgaben um ein Vielfaches schneller lösen sollen als herkömmliche PCs. Ein internationales Team um Physiker der Universität Stuttgart und des MPI für Festkörperforschung hat nun einen Weg gefunden, das Quantensystem eines Diamanten mit wenigen Stickstoffverunreinigungen besonders gut zu kontrollieren. So können die Forscher Quantenbits in dem Diamanten gezielt ansprechen und mehrere Bits zu einem Rechenregister zusammenfassen. Den neuen Grad an Kontrolle nutzen sie für eine logische Operation, die für einen Quantencomputer essentiell ist, und für eine Fehlerkorrektur.
Abb.: Stickstoff-Verunreinigungen in einem Diamanten lassen sich mit grünem Licht anregen, er leuchtet dann rot. Der Edelstein, an dem die Stuttgarter Forscher ihre Experimente machen, enthält außergewöhnlich wenige Stickstoffdefekte. (Bild: U. Stuttgart)
Die Physiker um Jörg Wrachtrup von der Uni Stuttgart haben in einem Diamanten nicht nur ein Quantenregister und damit das Pendant zu einem klassischen Prozessor erzeugt. Sie können das Register auch zuverlässig steuern, eine logische Operation damit vornehmen und Fehler darin korrigieren. „Weil wir die Quantenmechanik unseres Systems inzwischen gut verstehen, können wir Quantenregister in einem ziemlich einfachen Ansatz schaffen, der im Gegensatz zu anderen Techniken ohne aufwändige Tieftemperaturtechnik oder Lasersysteme auskommt“, sagt Wrachtrup.
Anders als klassische Bits lassen sich mehrere Qubits in Überlagerungszustände bringen, in denen jedes einzelne quasi zwischen der „Null“ und der „Eins“ schwebt. So ergeben sich verschiedene Ausprägungen für jeden Überlagerungszustand, die im Quantenregister als Möglichkeiten enthalten sind. Je mehr Quantenbits in einem Register zusammengespannt werden, desto leistungsfähiger, aber auch empfindlicher ist der Prozessor. Denn äußere Störungen stoßen ein Qubit nur zu leicht aus dem Schwebezustand zwischen „Eins“ und „Null“ hin zu einer der beiden Optionen. So zerstören unerwünschte Einflüsse von außen schlimmstenfalls die filigrane Überlagerung und machen sie somit unbrauchbar für parallele Rechnungen. Dagegen haben die Stuttgarter nun ein Mittel gefunden.
Als Quantenbits nutzen sie zwei Kohlenstoffatome des Isotops 13C und ein Stickstoffatom. Diese Atome weisen jeweils einen Kernspin auf, der in einem Magnetfeld zwei Orientierungen annehmen kann und sich mit Radiofrequenzpulsen manipulieren lässt. Die Ausrichtung der Kernspins wird im Qubit verwendet, um die „Null“ oder „Eins“ eines Bits abzulegen. Als Steuereinheit, mit der die Stuttgarter Forscher die Quantenbits kontrollieren und zu einem Register vereinen können, kommt die Unregelmäßigkeit im Atomgitter des Diamanten ins Spiel, für die ein Stickstoffatom sorgt.
Abb.: Einen annähernd quaderförmigen Diamanten mit einer Breite und Tiefe von jeweils vier Millimetern und einer Höhe von einem Millimeter befestigen die Physiker auf einer Goldunterlage. Das Elektron eines einzelnen Stickstoffdefekts sprechen sie mit grünem Laserlicht an. Durch zwei streifenförmige Schnitte in der Goldfolie entsteht eine schmale Leiterbahn, die zu dem NV-Zentrum führt. (Bild: G. Waldherr)
Der Stickstoffdefekt kann zur Falle für ein einzelnes Elektron werden. „Bisher hat man das Elektron des NV-Zentrums auch als Speicher herangezogen, um das Quantenregister zu vergrößern“, sagt Gerald Waldherr, der an den Experimenten maßgeblich beteiligt war. „Wir verwenden das Elektron ausschließlich zur Kontrolle der Kernspins, auf denen die Quanteninformation gespeichert ist.“ Über einen Elektronenspin lässt sich ein Quantenregister schnell schalten. Die Kernspins speichern Information dagegen relativ zuverlässig, weil sie recht robust gegenüber Störungen sind.
Mit einem CNOT-Gatter zeigten die Forscher, dass in dem Quantenregister logische Operationen möglich sind. „Mit dem CNOT-Gatter und lokalen Operationen an den einzelnen Qubits, kann man alle anderen Operationen realisieren“, erklärt Waldherr. Das CNOT-Gatter schaltet ein Bit abhängig von einem zweiten. Genau diese Operation nahmen die Stuttgarter Forscher an den Kernspins in ihrem Register vor, indem sie eine Folge verschiedener Radiofrequenzpulse auf das NV-Zentrum beziehungsweise die Kernspins schickten.
Das CNOT-Gatter ist aber nicht nur unerlässlich für die Rechenkraft eines Quantencomputers, es ermöglicht auch die Fehlerkorrektur. Dabei kommt den Wissenschaftlern zugute, dass es sich bei den Überlagerungszuständen nicht um wahllose Kombinationen aller möglichen Spinstellungen handelt. In einem dieser Überlagerungszustände nehmen vielmehr alle Qubits die „Eins“ ein oder die „Null“. In einem anderen stehen immer zwei auf der „Eins“. Fehler fallen da sofort auf. Und anhand der beiden unversehrten Qubits lässt sich der ursprüngliche Zustand des dritten rekonstruieren. Die CNOT-Operation ist dafür das Mittel der Wahl, weil sie ein Bit in Abhängigkeit von einem anderen schaltet.
„Mit der aktuellen Arbeit zeigen wir, dass die Defektzentren in den Diamanten wesentlich vielseitiger sind als wir ursprünglich dachten“, sagt Wrachtrup. Im nächsten Schritt wollen die Forscher die Zahl der Qubits in ihrem Register erhöhen. Dann würde sich das Quantenregister allmählich einer Größe annähern, mit der es klassischen Prozessoren bei manchen Rechenaufgaben tatsächlich den Rang ablaufen könnte.
MPG / AH