07.11.2008

Quanten-Zeno-Effekt im Hohlraum

Zerstörungsfreies Photonenzählen friert die Entwicklung eines Mikrowellenfeldes ein.

Quanten-Zeno-Effekt im Hohlraum

Zerstörungsfreies Photonenzählen friert die Entwicklung eines Mikrowellenfeldes ein.

Auf indiskrete Fragen geben Quantenobjekte bisweilen überraschende Antworten. Will man etwa ihre zeitliche Entwicklung möglichst lückenlos verfolgen und führt dazu in kurzen Zeitabständen Messungen durch, so verbleibt das jeweilige Objekt in seinem Anfangszustand und entwickelt sich nicht weiter. Dieser Quanten-Zeno-Effekt, bei dem im Gegensatz zu Zenons Pfeilparadoxon eine Bewegung tatsächlich bei genauerer Betrachtung unmöglich wird, ist an Atomen, Molekülen und Photonen nachgewiesen worden. Jetzt haben Forscher um Serge Haroche am Laboratoire Kastler Brossel die Entwicklung eines Mikrowellenfeldes eingefroren, indem sie wiederholt seine Photonen zerstörungsfrei gezählt haben.

Das Mikrowellenfeld befand sich im Innern eines supraleitenden Hohlraumresonators von extrem hoher Güte: Die Photonen zwischen den beiden auf 0,8 K gekühlten Niobspiegeln des Resonators konnten etwa 0,13 s hin und her laufen, bevor sie absorbiert wurden. Zu Beginn eines jeden Versuchs befand sich kein Photon zwischen den beiden Spiegeln, doch von außen wurde dem Resonator Energie in Form von Mikrowellen zugeführt. Das Resonatorfeld nahm daraufhin einen kohärenten Zustand an, dessen mittlere Photonenzahl quadratisch mit der Zeit T anwuchs, wie die Messungen zeigten. Nach etwa 250 ms waren im Mittel 2 Photonen im Hohlraum. Dazu musste sich das Mikrowellenfeld im Resonator jedoch ungestört entwickeln können. Nur am Ende des Versuchs nach Ablauf der jeweiligen Zeit T zählten die Forscher die Photonen im Resonator.

Ganz anders entwickelte sich die Mikrowelle, wenn in kurzen Zeitabständen von etwa 5 ms immer wieder ihre Photonen gezählt wurden – und zwar zerstörungsfrei. Dazu ließen die Forscher Rubidiumatome in hochangeregten Rydberg-Zuständen zwischen den beiden Spiegeln des Hohlraums hindurch fliegen. Die Atome konnten die Mikrowellenphotonen weder absorbieren noch emittieren. Doch aufgrund ihres großen elektrischen Dipolmoments „spürten“ die Rydberg-Atome den Einfluss der vorhandenen Photonen.

Um mit den Atomen die Mikrowellenphotonen zu zählen, wurden die Atome in eine Überlagerung von zwei Rydberg-Zuständen gebracht, deren relative Phase sich in Abhängigkeit von der Photonenzahl entwickelte. Nach Verlassen des Hohlraums wurde der Zustand eines jeden Atoms gemessen. Durch Messungen an vielen Atomen konnten die Forscher die relative Phase und damit die Photonenzahl bestimmen, ohne dass dabei Photonen zu Schaden kamen. Es zeigte sich, dass die mittlere Photonenzahl zunächst linear mit der Zeit zugenommen hatte, um nach etwa 200 ms bei einem Wert von 0,15 Photonen stehen zu bleiben. Der zeitliche Verlauf der Photonenzahl stimmte sehr gut mit den theoretischen Vorhersagen überein. Durch Verkürzen der Zeitabstände zwischen den Photonenzahlmessungen hätten die Forscher die Mikrowelle im Resonator auf eine beliebig kleine mittlere Photonenzahl „einfrieren“ können.

Aufgrund des Quanten-Zeno-Effekts hatte der anfangs praktisch photonenfreie Resonator (fast) keine Photonen aufnehmen können. Zwar wurde die Photonenzahl durch ihre Messung nicht verändert, doch die zur Photonenzahl komplementäre Phase des kohärenten Zustandes, in dem sich das Mikrowellenfeld befand, wurde durch die Messung zerstört. Sie nahm nach jeder Photonenzählung einen zufälligen Wert an. Statt sich zielgerichtet zu entwickeln, machte der kohärente Zustand einen (zweidimensionalen) Random Walk. Je kleiner die Zeitabstände zwischen den Messungen waren, umso kleiner waren die Schritte bei dieser Irrfahrt und umso weniger konnte sich das Mikrowellenfeld vom anfänglichen Vakuumzustand weg entwickeln.

RAINER SCHARF

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